Samstag, 10. März 2012

Ja, gut äh! Ein Stück weit sach ich ma...

Wir hängen ja gerne hinter den Amis her. Das muss aber nicht immer ein Makel sein.
Als ich vor anderthalb Jahrzehnten noch ausgedehntere USA-Reisen zu absolvieren hatte, war ich immer wieder beeindruckt, wie gewandt sich Männer und Frauen von der Straße in den Eyewitness-News vor laufenden Kameras äußern konnten. Selbst wenn sie durch Migrationshintergründe mit Klangfärbung oder grammatikalischen Problemen zu kämpfen hatten, agierten sie mit der Kamera-Sicherheit von Profis.
Hingegen vermittelten Stimmen von der Straße in unseren Breiten damals eher, dass das Volk der Dichter und Denker an der Basis wohl eher aus debilen Dampfplauderern besteht.
Durch die Programmvielfalt, die sich vor allem auch bei uns in einer wundersamen Mehrung von Nachrichten-Kanälen manifestiert, ist unüberseh- und - hörbar, dass die Deutschen diesbezüglich aufgeschlossen haben. Vor allem weil Reportageteams die Tricks der Nachrichtenprofis aus Übersee anwenden, gleichzeitig immer mehr "Stimmen" aufzunehmen als überhaupt in volle Nachrichtensendungen passen. Dass das dann mit voller Namenseinblendung bei den Statements geschieht, suggeriert auch bei jenen  Authentizität, die sich mit den Konsequenzen aus dem Recht am eigenen Bild vielleicht nicht so gut auskennen...
Überhaupt - diese Einblendungen: Harry Meier wohnt in der Straße des Opfers. Sagt aber im OT, dass er es nur einmal beim Brötchen-Holen gesehen hat: "Er mochte Mohnsemmeln".
Die Fernsehfestigkeit des Individuums zu stärken, dafür sorgt unter anderem das Übermaß an Talk- und Castingshows. Man orientiert sich an der Quäkentensprache (SZ "Wochenende" vom 10. März) von Heidi Klum, an der grausiggrummelnden Schnodderigkeit von Dieter Bohlen oder den niemals von Sprach-und Kameraschulung beeinflussten Attitüden eines Stefan Raab. Wobei alle drei vielleicht tatsächlich so authentisch sind wie die eigens geschulten Profis Maischberger oder Lanz.
Welchen Vorbildcharakter Statements haben, kann am besten anhand von Sportlerinterviews ermessen werden.
Die fußballerische Lichtgestalt - zum Allzeit-Imperator erhoben -war der erste, der den Denkpausen-Satz:"Eine gute Frage..." (als ob der Interviewer dieser Anerkennung bedurfte) durch das "Ja, gut äh..." ersetzte. Fortan imitierten das alle nachfolgenden Sportlergenerationen, weil das lässig klang. Wie auch das faktische Wort "deshalb" durch die lyrische Variante "von daher ist mir der Absprung am heutigen Tage nicht so gelungen". Übrigens "gestern" und "heute" durch Tagesbezug zu ergänzen, ist eine Sportkommentatoren-Erfindung. Harry Velériens Mikro hätte bei seinem "ich möchte fast sagen" live oft verstummen müssen, denn wenn einer nur fast etwas sagt, also beinahe nur, dann darf er das Folgende eben überhaupt nicht mehr sagen.
Da lobe ich mir die Resistenz unseres Bundes-Jogis. Als Journalisten sich darüber lustig machten, dass er anstatt "auch" schwäbisch reduziert nur "au" artikulierte, belastete er in Interviews nur sehr kurz seinen Rachen mit dem "Ch". Mittlerweile verzichtet er wieder auf zu seinem sanften Wesen au gar nit passende Rachenlaute.
Vor allem Worthülsen unserer Politiker haben eine Halbwertzeit wie Cäsium. Das "Alternativlos" wird für immer das Prädikat unserer Eisernen Kanzlerin bleiben. So wie das "Ein Stück weit sach ich ma" in vieler Munde bleibt - selbst wenn die, die es als schicke Floskel empfinden, längst vergessen haben, dass der Gazprom-Gerd mal Angela Merkels Vorgänger war...

Montag, 5. März 2012

Provozierende Putin-Prognosen

Auch wenn viele Insider und Experten, die nah dran sind, behaupten, die in jeder Beziehung merkwürdige Wahl Putins sei in Wahrheit der Aufbruch in eine bald erstarkende russische Demokratie gewesen, provozieren die aktuellen Rahmenbedingungen bei mir ein völlig gegenteiliges Unbehagen... Wäre schön, wenn sich meine Gedanken in der Folge als blanker Unsinn eines Altersängstlichen herausstellten:

Aber wieso stocken die Russen und die Chinesen(+ 11%) justament ihre Etats für eine historisch beispiellose Nachrüstung auf? - Die beiden Staaten, die jegliche Verurteilung Syriens in diesen menschenrechtlich so dramatischen Wochen verhindert haben! Wieso suggerieren die zwanghaften Wahlen im Iran eine Schwächung des Nuklearzündlers und immer ein wenig grenzdebil wirkenden Ahmadinedschad, wenn doch in Wahrheit der Ajatollah Chamenei seine konservative, zentrale Machtposition im Marionetten-Parlament nur noch weiter gestärkt hat?
Dieses Szenario wird ja durch Androhung von militärischen  Interventionen seitens der USA und Israel nur noch gespenstischer. Denn wer droht denn da? Die gescheiterte Allianzen aus Afghanistan, dem Irak und Tunesien? Die Schutzmächte, die den arabischen Frühling nicht mal in den Sommer retten konnten und jetzt der heraufziehenden islamisch fundametalistischen Eiszeit absolut unbeholfen gegenüberstehen?

Noch nie in seiner ideologisch erfolgreichen Geschichte war der Westen so schwach wie heute: Die USA unter ihrem gescheiterten Heilsbringer Obama, die praktisch am Finanz-Tropf der Chinesen hängen und selber zugeben, sie könnten sich Mehrfrontenkriege gar nicht mehr leisten. Das zerstrittene,mit seinem Euro am Abgrund stehende Europa, aus dessen frankogermanischer Hegemonie sich die einstige Supermacht Großbritannien quasi ausgeklinkt hat.

Eine neuerliche Achse des Bösen als Bedrohung für den Westen - wie nach dem zweiten Weltkrieg - wird durch die Aufrüstung im Osten eher nicht zu befürchten sein, aber das wollen die beiden Waffenrassler auch nicht. Vermutlich geht es ihnen - neben einer Stärkung  nach Innen - vor allem darum, in ihren unmittelbaren Umfeldern so unangreifbar zu sein, dass sie verlorenes Terrain durch provozierte Streitigkeiten wieder  auf kaltem Weg zurückgewinnen. Wobei dann niemand stark genug wäre, sie daran zu hindern...

Zar Putin hätte zu gerne das antirussisch gesonnene Baltikum und die ölreichen islamischen Sowjet-Republiken zurück. Auf ukrainischem und georgischem Pipeline-Transit hätte er vermutlich auch gerne wieder seinen despotischen Daumen. Und die Chinesen würden sich Taiwan gerne einverleiben und in der leidigen Korea-Frage wieder die Oberhand gewinnen. Von der Vorherrschaft im Chinesischen Meer und im  Pazifik ganz zu schweigen. Der Zeitpunkt wäre ja angesichts des GAU- und tsunamigeschädigten Japan in Mitten der Finanzkrise denkbar günstig.

Die Putin-Befürworter träumen von einem Comeback der Supermacht. Die einfachen, alten Leute wollen nicht noch einmal das Schreckgespenst der Revolution. Eine Straßenstimme gestern in der ARD hätte es nicht trefflicher auf den Punkt bringen können: "Ich bin mit Stalin aufgewachsen", meinte die alte Dame,"und gehe mit Putin ins Grab - Hauptsache es herrscht Ordnung!"

Trotzdem es gibt da nun eben andere Vorzeichen - sowohl in Russland als auch in China - weil der real existierende Sozialismus ja gescheitert ist. Er hat dem Turbo-Kapitalismus den Weg bereitet.

Kann sich noch einer an das Kürzel "Stamokap" erinnern? Es stand für "Staatsmonopolistischen Kapitalismus" als ideologisches Ende allen Schreckens. Die deutschen Jusos hatten so eine ultralinke Gruppe während der Zeit des Terrors in ihren Reihen. Wer hätte aber nach 1990 jemals geglaubt, der marxisitsch leninistische Endzeithorror könne trotz zweier Jahrzehnte Entspannung in  so einer Verkleidung ein Comeback feiern. Jetzt könnte daraus sogar ein Schrecken ohne Ende werden. Es bedarf blos wieder eines Führers...

Mittwoch, 29. Februar 2012

Gedanken über den "geschenkten Tag"

Carpe diem! Für kein Datum gilt der lateinische Imperativ, den Tag zu nutzen, wie für den 29. Februar. Verfehlt einer dessen imaginären Zeitwert, muss er vier Jahre warten, um es besser zu machen. Schon deshalb ist die Floskel vom "geschenkten Tag" in diesem Zusammenhang blanker Unsinn. Denn gäbe es den unsinnigen Gregoriranischen Kalender nicht, würde keinem Existenz oder Fehlen dieses Tages im Schaltjahr überhaupt auffallen. Aber so ist er - der Mensch. Eine amerikanische Forschergruppe hat kürzlich das mit dem Computer errechnete Modell für einen durchgängigen 30-Tage-Kalender zur Vereinfachung unseres Lebens vorgelegt, aber das kam gar nicht gut an. Die Leute wollen lieber weiter am Durchzählen ihrer Handknöchel wissen, wieviel Tage der jeweilige Monat gerade hat.

Da ist die Wirkung von der Umstellung auf die ebenso unsinnige Sommerzeit am 25. März schon dauerhafter. Denn das alljährliche Geben und Nehmen der Stunde bringt die innere Uhr von vielen schon ganz schön zum Stottern. Und jüngst wurde gar errechnet, dass der volkswirtschaftliche Nutzen, der von diesem Akt ausgeht, ein absoluter Schuss in den Ofen ist.

Von den 16 "geschenkten Tagen" im Verlauf meines Lebens ist mir keiner in Erinnerung geblieben. Auf einmal genommen, hätten sie vielleicht einen schönen Urlaub ergeben, aber der 29. heuer hat ja noch nicht einmal den Fasching verlängert...

Ganz etwas anderes, wäre es, wenn der 29. Februar zum gesetzlichen Feiertag erklärt würde. So ist er jedoch allenfalls ein Geschenk für den Arbeitgeber, der einen Tag Produktion geschenkt bekommt, ohne dass sich das beim Arbeitnehmer auf dem "Lohnstreifen" bemerkbar machte.

Ansonsten ist dieser Tag einer für Feuilletonnisten: Die Münchner Abendzeitung zum Beispiel rechnete aktuell vor, dass Ludwig I von Bayern heute zwar schon 144 Jahre tot sei, aber erst sein 35. Todestag begangen werden könne. Auf  Bayern 3 beschwerte sich gar ein persönlich von Geburt Betroffener darüber, dass er an seinem 11. Geburtstag schon komplett weiße Haare habe. Echt witzig!

Ich für meinen Teil fände es nachhaltig, wenn der weltweite Erlös dieses Extra-Produktionstages für Rettugsschirme Verwendung fände. Dann könnten die Regierenden darauf verzichten, den Geldbeutel der kleinen Leute zugunsten der gierigen Großkopferten zu belasten. Aber da hört das spaßige Rechnen natürlich gleich auf...

Freitag, 24. Februar 2012

Alles eine Frage des Blickwinkels

Jeder, der halbwegs in der Lage ist, mit Verstand in Geschichtsbüchern zu lesen, hätte das mittlerweile  herausfinden können:

Wer immer in der Vergangenheit geglaubt hat, er müsse sich in Afghanistan einmischen, hat meist mehr als eine blutige Nase davon getragen. Mogulen, Paschas, Briten, Russen, Amerikaner - sie alle hatten vielleicht sogar gelegentlich gute Absichten, weil ja immer ein Teil der Afghanen vom anderen Teil der Afghanen unterdrückt wurde. Bis zur jüngsten Gegenwart eher seltener aus religiösen Motiven, viel häufiger jedoch aus Profitsucht der Stammesführer und Kriegsherren, die sich ihr Schlafmohn- und Kanabis-Geschäft nicht kaputtmachen lassen wollten.

Den USA als weltweiten Friedensstiftern - selbst unter Führung des präsidialen Friedensnobelpreiträgers - muss man einfach den Vorwurf machen, dass sie dabei nichts von ihrem außenpolitisch und historisch desasterösen Bild in der Lesart von "The Ugly American" (ein 1958 erschienener Roman von William J. Lederer und Eugene Burdick) korrigiert haben. Erst haben sie die Taliban mit Waffen gegen die Russen versorgt, nun kämpfen sie selbst aussichtslos gegen die Gotteskrieger. Dabei zogen  sie erneut andere Staaten mit hinein - in einen völlig aussichtslosen und zum Teil absurden Kampf, der nicht zu gewinnen ist, weil auf der westlichen Seite das Äquivalent an Überzeugung gegen diesen Fanatismus fehlt. Und der Glaube an die Aussage "Unsere Freiheit wird am Hindukusch verteidigt" wiegt nun einmal nichts gegen die  Scharia bedingte "Renaissance des Rückschritts" im Islam.

Genau in diesem heiklen Moment, in dem man die unwegsamen Bergtäler wieder den Einheimischen nach einer "Misson unaccomplished" überlässt, passiert aber aus Versehen, aus Dummheit oder aus frustrierter Provokation etwas, dass den islamischen Flächenbrand rund ums östliche Mittelmeer gefährlich anheizt: Es werden Exemplare des Korans verbrannt...

Seit Tagen eskaliert daher der Protest, während Syrien für einen Systemwechsel im eigenen Blut liegt, der Iran gefährlich mit seinen Atombrennstäben zündelt, Israel militärisch provoziert und sich im Irak nach dem Abzug der "Schutzmächte" wie vor Sadam Hussein die Sunniten und Shiiten gegenseitig massakrieren.

Im Moment hat man als Außenstehender, der weder Antiamerikanist noch Antiislamist ist, das Gefühl, jedwede Stellungnahme in die eine oder andere Richtung könne sowohl Aktion als auch Reaktion außer Kontrolle bringen. Weil Fanatiker im Untergrund bewusst für gewaltsame Proteste sorgen, man aber die friedliche Mehrheit der Muslime, die weltweit im Ausland ihre Heimat gefunden haben, nicht diskreditieren will, bleibt eine gemeinsame Linie des Westens im Verhalten aus.

Wie sähe denn die Nachrichtenlage aus, wenn für jede verbrannte US-Flagge - "The Starsprangled Banner" ist ja den meisten Amerikanern mindestens genauso heilig wie den Muslimen der Koran - Abermillionen US-Bürger bedrohlich vor die jeweiligen Landesvertretungen zögen? - Wenn die Mohammedaner, die längst die Staatsbürgerschaft ihres einstigen Gastlandes angenommen haben, sich zur jeweiligen Flagge bekennten? Gibt es irgendwo in der islamischen Welt Gruppen, die wegen Verunglimpfungen derart zahlreich auf die Straße gegangen sind, wie die Deutschen gegen die obszönen Theorien ihres eigenen Landsmannes Theo Sarazin?

Aber das ist eben alles eine Frage des Blickwinkels, und dabei scheint es, dass unser lieberaldemokratisches Denken von Haus aus den Kürzeren zieht. Wir sind zwar bereit, in jeder noch so kleinen Gemeinde für Moscheen zu sorgen, aber für die Hundertausende christlicher Touristen, die der Türkei die Taschen füllen, gibt es in den Ferienzentren der türkischen Riviera so gut wie keine Gotteshäuser...

Wehe, wenn diese mentale Unausgewogenheit bei den Falschen oder schlimmer noch bei Wohlgesonnenen die Wut auslöst! Neulich saß ich mit einem stets liberalen Freund vor dem Fernseher und sah in den Nachrichten wie Griechen bei einer Demo in Athen Deutsche Fahnen verbrannten und eine Papp-Kanzlerin mit Hakenkreuzbinde vor sich hertrugen.

Gegen die ärgerliche Äußerung meines Freundes fiel mir spontan kein Gegenargument ein:

"Da retten wir mit unseren Steuergeldern  den Griechen den Arsch. Möglicherweise auf Kosten unserer Kindeskinder. Und dass nur, weil die sich Regierungen gewählt haben, die's mit dem eigenen  Steuernzahlen nicht so genau genommen haben. Aber die Feinde sind wir und nicht die im Inneren!"

Weitere Romane zum Thema:
Karawanen der Nacht   James A. Michener

Drachenläufer 
und
Tausend strahlende Sonnen  beide von Khaled Husseini

Die dunkle Seite der Liebe von Rafik Schami

Mittwoch, 22. Februar 2012

Die Dialektik der "Diskreditierten"

Vermutlich wird es in der analytischen Linguistik bald das Fach "Rücktrittserklärungen" geben müssen. Wie bei kaum anderen Formulierungen kommt es in ihnen nämlich auf verschlüsselte Hinweise an. Das, was der Zurücktretende der Außenwelt über Gründe und Hintergründe für seinen Entschluss vermitteln möchte, wird durch seine Botschaft zwischen den Zeilen gerne konterkariert.

Unter diesem Gesichtspunkt liegt der Verdacht nahe, dass der plagiierende Freiherr und der vorteilnehmende Ex-(Minister-)Präsident sich ihre "Aus"-Reden vom selben Verschlüssler haben formulieren lassen. Wohl in der Hoffnung, dass man nach etwa genau einem verstrichenen Jahr zur Fasenacht lieber anderen Büttenreden zugehört hat...

Die kollektive Erinnerungsstütze durch das Internet, die wohl durch die Mächtigen bald ad A.C.T.A. gelegt werden könnte, bewahrt uns ja noch davor, dass sich derartige Sätze auf Nimmerwiedersehen verflüchtigen. Wenn nach sechs Monaten erst einmal "Gras über die Sache gewachsen ist", können die derart Diskreditierten - wie gerade erlebt - jedenfalls nicht auf ungestörte Comeback-Pläne hoffen - und das ist gut so!

 "Ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht" zu Guttenberg   ( gesamter Wortlaut Homepage Süddeutsche Zeitung) 

 „Ich war immer aufrichtig“ Wulff ( gesamter Wortlaut fr-online)


Sowohl zu Guttenbergs als auch Wulffs Erklärung weist folgende Parallelen auf:

Das Fehlen jeglichen Schuldgefühls oder Schuldeingeständnisses bei gleichzeitiger, verdeckter Schuldzuweisung an die, die die Skandale in Form von regelrechten "Hexenjagden" penetrant und ohne Angst vor peinlichem Machtgebaren vorangetrieben hätten. Dass es dabei den Diekmännern leichter gefallen sein dürfte, den Rubicon in der Causa Wulff zu überschreiten, als das selber hochgejubelte Jahrhundert-Modell des politischen Popstars zu demontieren, zeigt aber auch, dass fast alle Medien bei solchen Kampagnen überwiegend einem Selbstzweck folgen. Wir, die dummen, kleinen Bürger, sollen im Glauben belassen bleiben, die Pressefreiheit bliebe unsere verlässliche Schutzmacht.

Mag ja sein - aber eben nur in der Momentaufnahme! Im Vor- und Fortgang der Geschichte zählen ja auch jene Sätze, die die Herrschenden erst dort hin gebracht haben, wo sie derart scheitern oder ihr Amt samt Macht missbrauchen können.

Jedes Interview, jeder Kommentar, jegliche Personenbeschreibung trägt doch dazu bei, uns ein Bild  über Personen des öffentlichen Interesses zu machen. Diese Informationen verursachen das Scheinbewusstsein, wir wüssten über diese Menschen bescheid. Dabei projizieren wir beinahe ausschließlich manipulierte, noch dazu subjektive Bilder in einer Nachhaltigkeit, die bei ihrer Zerstörung umso erschütterndere Wirkungen erzielen. Die aktuelle Politik-Verdrossenheit könnte daher auch ein Indiz für kollektives Realisieren sein.

Es gäbe aus aktuellem Anlass eine gute Methode unsere Empfangsbereitschaft in dieser Richtung zu überprüfen. Befreien wir den Kandidaten und vermutlichen, späteren Bundespräsidenten Joachim Gauck einfach mal von allem, was wir jetzt täglich von ihm Gutes oder Schlechtes berichtet bekommen und messen ihn dann daran, wie er tatsächlich handelt und wie er sich zu diesem, seinem Handeln äußert.
Das könnte über die  jüngsten  "Bundespräsidialen Halbwertzeiten"  hinausreichen und recht spannend werden.

Freitag, 17. Februar 2012

Narren ohne Mitleid

Am 9. 3. des vergangenen Jahres - ebenfalls zum Faschingshöhepunkt - habe ich meine Verwunderung über die Diskrepanz zwischen kollektiver Betroffenheit und generalisiertem Narrentreiben in unseren Gemeinwesen zum Ausdruck gebracht. Die Zeiten waren ja auch hart.
Nun sind sie sogar noch härter, und - als sei dies ein Manifest für deutsche Narrenkultur - ist unser präsidialer Obernarr zeitlich passend zur Posse, die er in den letzten Monaten aufgeführt hat, zurückgetreten.

Das ist ein Quantensprung in der historischen Gewichtung des Narrenwesens. Denn die traditionelle Rolle des Narren war ja die des Beigeordneten zu den mächtigen Oberhäuptern und nicht die des Oberhauptes selbst.  Mit seiner sprichwörtlichen Narrenfreiheit hielt der Joker Königen, Kaisern und anderen Despoten, denen man nicht widersprechen durfte, kunstvoll den Spiegel vor. Das tat er vorzugsweise  in den vom gemeinen Volk am schwersten zu ertragenden Zeiten. (Amüsante und empfehlenswerte Lektüre hierzu: Christopher Moores Satire "Fool" erschienen bei Goldmann Manhatten)...

So gesehen war der Narr, der sich mit seiner Narretei über das größte Elend des Daseins hinwegsetzte, ein sozialer Katalysator. Er durfte sich dabei weder Mitleid noch Betroffenheit anmerken lassen. Allein sein Zynismus und der Hohn, den er über die Mächtigen ergoss, hatten eine gewisse Chance auf das Umdenken im Machtausüben einzuwirken.

Das war und ist immer eine Gratwanderung:
War sie zu schwach, kam die Botschaft nicht an. War sie zu stark, büßte der Narr oft  nicht nur seine Freiheit ein, sondern häufiger noch sein Leben.
Das ist bis in unsere Zeit hinein so geblieben, obwohl sich schon im mittelalterlichen Gaukler-Wesen zunehmend volkstümelnde Komponenten einschlichen, die moderne Wissenschaftler als Paradigmenwechsel, als Wandel der Rahmenbedingungen bezeichnen würden. Der Brot-fürs-Volk-Effekt, der sich in das allgemeinen Faschings- oder Karnevalstreiben unter gnädiger Gewährung der Herrscher festsetzte, sorgte ja wohl gewollt für eine Verflachung des Humors.

Man muss sich heute  nur die Dauerbestrahlung der Fernsehsender mit Übertragungen von Narrensitzungen aus den sogenannten Hochburgen geben, um festzustellen, dass es nur noch um plumpes Amüsieren auf Kosten anderer geht und nicht um Mitleid mit Völkern und Nationen, deren Elend von den Mächtigen herbeigeführt wurde und die es zu ändern gälte.

Wer in diesen Tagen kostümiert mit einem "Rettungsschirm" (hahaha, was für ein Brüller!) oder als "Sokrates ohne Sold" herumläuft, pfeift nur laut auf eigene Betroffenheit - wie ein Kind allein im dunklen Wald, das gegen die Angst ankämpft.

Schon in Zeiten Savonarolas gingen doch die Freudenfeuer unverzüglich in Autodafés über...

Sonntag, 12. Februar 2012

Menschenopfer

Gestern sollen in Deutschland angeblich Zehntausende gegen A.C:T.A. und für die Freiheit im Internet über eiskalte Straßen gezogen sein. Gleichzeitig wurden in den syrischen Städten Damaskus, Homs und Aleppo Demonstranten von staatlichen Sicherheitskräften  und ihren Scharfschützen regelrecht abgeschlachtet.

Die beiden parallelen Ereignisse veranschaulichen, dass in der westlichen Welt Demonstrieren einerseits noch relativ sicher ist, während die Verbrechen in Unterdrücker-Staaten andererseits ohne das Internet, Smartphone-Videos und Twittern nicht ruchbar würden.

Die Geschwinster Scholl sind umsonst gestorben. Sie haben weder den Krieg aufgehalten, noch hat ihr Märtyrertod dafür gesorgt, dass sich Nazi-Gene aus der Nachkommenschaft bei uns nicht schon wieder und weiter verbreiten.

Die Mayas deren Kalender jetzt als Menetekel für den bevorstehenden Weltuntergang entschlüsselt wird, können so seherisch nicht gewesen sein, sonst hätten sie ja ihren eigenen Untergang ganz vorne in ihrem Kalendarium vorhersagen können. Und gleichzeitig wäre ihnen klar gewesen, dass die Menschenopfer, denen bei lebendigen Leibern auf Altären die Herzen herausgerissen wurden, nun mal gar nichts zum Gunstgewinn bei den Göttern beigetragen haben.

Entlang der Chinesischen Mauer sind bei ihrem Bau tausende Sklaven und Zwangsarbeiter als Opfer lebendig in die Sockel der Türme eingegraben worden, damit die Götter dem Reich der Mitte beim Schutz vor Angriffen von außen gewogen sein sollten. Die spätere, lang andauernde Herrschaft der Mongolen-Kaiser in der "Verbotenen Stadt" und der Jahrzehnte andauernde vaterländische Bruderkrieg der Gegenwart machen die Chinesische Mauer noch  heute zum Denkmal der größten Verschwendung von Menschenkraft und zum Wahrzeichen für Götter-Ignoranz weltweit.

Wo immer sich der sogenannte "Arabische Frühling" gar nicht erst ohne Todesopfer und Märtyrer hätte ausbreiten können, weht heute wieder der eiskalte  Wind der Unterdrückung und Unmenschlichkeit. Den Hundertausenden an Toten in den Mission-Accomplished-Kriegen des Iraks und Afghanistans könnten erst recht keine Sinnsprüche Ruhe in die Gräber bringen.

Welche Götter autorisieren bestimmte Menschen zur Macht über Leben und Tod anderer?
Das ist eine der Kernfragen unserer Existenz. Der Gott Geld allein kann es ja nicht sein.

Aber was bewegt dann andererseits ein Individuum zu dem Glauben, dass sein einziges, endliches Leben geopfert werden müsse, damit andere eine möglicherweise vergebliche Hoffnung auf die Veränderung dieser Umstände schöpfen können? Der Urinstinkt der Evolution sicher nicht. Das hieße ja, aus der Geschichte lernen...

Wieso werden derart existenzielle Fragen nicht wissenschaftlich erforscht?

Donnerstag, 9. Februar 2012

Stay Frieds

Als sie nach dem Krieg alle irgendwie einen wirtschaftlichen Aufschwung erfahren hatten, kam in der Nachbarschaft die Idee auf, das Miteinander zu intensivieren. Sie sehnte sich geradezu nach mehr Gemeinschaft. Die Menschen besuchten sich gegenseitig, halfen sich, wo es klemmte, lobten und liebten die Eigenschaften der anderen derart, dass es schwerfiel diesen Überschwang zu bremsen.
Der Blick über die Zäune geriet bald zunehmend irritierend, so dass sie abgebaut wurden, weil sich von den Nachbarn nach und nach keiner mehr vom anderen ab- oder ausgrenzen wollte.

Die, die etwas mehr hatten, störten sich gar nicht daran, dass es denen, die hie und da beim Wohlstand noch Nachholbedarf hatten, bei diesen Partys mitgerissen wurden. Feierten sie doch rasch ähnlich ausgelassen mit, und richteten als Veranstalter selbst große Feste aus, bei denen sich schon einige, die nüchtern blieben, fragten, wie sie sich das denn wohl alles leisten könnten.

Auch, dass sie dabei mitunter schon etwas großspuriger auftraten, war ihnen ja vergönnt. Es gab aber auch da schon ein paar - sowohl innerhalb des Freundeskreises als auch von außerhalb - die dieses Treiben mit Argwohn beobachteten und vor dem "Faktor Mensch" warnten. Natürlich wurde denen zunächst  unterstellt, nur neidisch zu sein. Manche aber , die man eigentlich dabei haben wollte, machten aus Argwohn nicht mit und wurden fortan kritisch betrachtet. Als regelrechte Spaßbremsen wurden sie von der Mehrheit bezeichnet. Vor allem dann, wenn einige damit begannen Bewirtungskosten aufzurechnen: Beim letzten Fest haben wir schon die Zeche mit soundsoviel bezahlt und die anderen haben nur genassauert und sich quasi gratis an unseren Tafeln durchgefressen...Das Lamento wurde immer lauter.

Solche Aufrechnerein empfanden die betroffenen Nachbarn natürlich als Beleidigung. Waren es doch die Superreichen, die unbedingt wollten, dass sie sich im Lebensstil mit geliehenem Geld anglichen, um zu repräsentieren.

Die Aussichten waren aber auch zu rosig, da kam das Geld ja quasi von selbst herein. Waren die Grundstücke und Häuser, die man mühelos beleihen konnte, nicht auf einmal ein Vielfaches wert?

Bei Geld hört die Freundschaft auf!
Dieser Spruch wurde sofort hervor gekramt, als ein paar Realisten die Nadel in die Spekulations- und Finanzmarktblase pieksten. Und wie das mit dem Geld nun einmal ist: Es verschwindet ja nicht - wie behauptet wird, sondern wandert nur in andere Taschen. Und wie das in blühenden Muster-Gemeinschaften so ist; vornehmlich in die Taschen jener, die die Nachbarn einst eingeladen hatten sorglos mit zu feiern.

Die mit dem Geld begannen nun von sich aus wieder Zäune hochzuziehen. Viel höher als die alten waren die. Dass man bloß das Elend der Nachbarn nicht mehr sehen musste und dass diese auch ja nicht auf die Idee kämen, drüber zu klettern, um sich das Geld, das vermeintlich ihnen gehört hat, zurück zu holen.

Was für ein schauerlich schönes Märchen!

Montag, 6. Februar 2012

Noch immer nur eine Randnotiz: Die Zunahme der Krebs-Erkrankungen

 Vor sechs Jahren schrieb ich mal folgende Zeilen:
  Dass zwanzig Jahre nach der Reaktor-Explosion in der Ukraine im Zeitraum 2004 bis 2006 in Zentraleuropa die Zahl der neuen Krebserkrankungen auf einmal außergewöhnlich stark - nämlich um rund zehn Prozent - anstieg, wurde nur als Fußnote und ohne ursächlichen Zusammenhang vermeldet. Vorsorge, Früherkennung und therapeutische Erfolge hatten ja andererseits dafür gesorgt, dass jeder dritte Krebspatient überlebte. Hatte nicht der britische Staatsmann Sir Winston Churchill bekannt, er glaube nur Statistiken, die er selbst habe fälschen lassen? Also nahm man weiterhin zur Kenntnis,  weil ja eine im Internet lancierte Statistik immer wieder kopiert wurde, dass Krebs nach wie vor eine Krankheit vor allem älterer Menschen ab sechzig sei. Die Trends zur Unterschreitung dieser Altersmarke, die die zentrale Forschungsstelle in Lyon bereits 2004 erkannt hat, beunruhigen offenbar keinen. - Weil sie nicht ins Programm passen?

Am Samstag las ich in der SZ von folgender Statistik - bezeichnender Weise auf der Panorama-Seite unkommentiert und als Randnotiz am Seitenfuß über eine Anzeige gequetscht:


Immer mehr Krebstote

Wiesbaden - Im Jahr 2010 war in Deutschland jeder vierte Todesfall auf eine Krebserkrankung zurückzuführen (218 889 Tote). Die Zahl der Krebstoten stieg damit gegenüber 2009 um knapp 3000, teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mit. Nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen (352 689 Tote) ist Krebs weiter die zweithäufigste Todesursache. die meisten Krebsopfer starben an Lungen- und Bronchialtumoren - fast 43 000 Menschen. Danach folgte Brustkrebs mit 17 573 Todesfällen.


Drei offene Fragen hierzu:

Wieso braucht eine Statistik im Computer-Zeitalter derart lange bis zur Veröffentlichung?

Wenn heute jeder dritte Krebspatient tatsächlich durch vorbeugende und therapeutische Maßnahmen überlebt und die Bevölkerungszahl gleichzeitg stagniert, ist das nicht ein erschütternder Anstieg. Wieso wird das in dem Text nicht relativiert?


Wieso steigt die Feinstaubbelastung trotz wachsender Schutzzonen immer noch und wird der Atomausstieg so zögerlich vollzogen?

Freitag, 3. Februar 2012

Was, wenn Gott ein Algorithmus wäre?

Vor ein paar Tagen lief im Bayerischen Fernsehen - natürlich zu fast nachtschlafender Zeit - der australische Spielfilm "Der Mann, der Gott verklagte". In dem von Mark Joffe 2001 inszenierten Film verklagt ein Anwalt den lieben Gott, um den Begriff  "Höhere Gewalt" als interpretierbares Schlupfloch der Versicherer bei ihren Policen in Frage zu stellen. Der absurde Prozess, der Spitzenvertreter aller in Australien praktizierten Religionen aber auch deren Geldgeschäfte quasi mit auf der Anklagebank sieht, gipfelt hinter den Kulissen schließlich in der gemeinschaftlichen Aussage der Kleriker:
"Wenn wir nicht in den Ruin getrieben werden wollen, müssen wir die Existenz Gottes leugnen!"

In den Spätnachrichten nach diesem Film wurden immer mehr Details zum Börsengang des 27jährigen Facebook-Erfinders und Multimilliardärs Mark Zuckerberg bekannt. Glaubt man da dem mit Oscars prämierten Spielfilm "The Social Network", so hat der verkrachte Student seinen in der Wirtschaft beispiellosen Erfolg mehr oder weniger dem Diebstahl eines Algorithmusses zu verdanken. Diese sich aus sich selbst weiterentwickelnde Folge von Programmierungen - eine gezielte Daten-Evolution quasi - scheint aber wohl urheberrechtlich nicht zu schützen gewesen zu sein. Zwar wären Algorithmen patentrechtlich zu schützen, aber eben nur so lange, wie sie in einem geschlossenen Nutzerkreis zur Anwendung kommen (Beispiel Computersteuerungen von Maschinen oder Waffen wie US-Kampfdrohnen). Im Internet werden sie wohl mehr oder weniger sofort zu Selbstläufern.

Dem dummen Alltags-User, der schon das Denkszenario bei den Matrix-Filmen nicht so richtig verstanden hat, taugen die Gedanken, die beim bruchstückhaften Zusammenfügen solcher Informationen und Warnungen entstehen, gut als Basis für eine algorithmisch gesteuerte Paranoia mit einer auf unendlich programmierten Folge von Panik-Attacken:

Was, wenn solche Prgrammierungsketten zu selbstgenerierenden Lauffeuern im Netz werden? Wenn unkontrollierbare Dateneruptionen die Herrschaft über die Menschheit gewinnen und am Ende gottgleich über unser Schicksal entscheiden? Wenn sie zum Beispiel die Programme der Versicherungskonzerne durch höhere Gewalt grundsätzlich bei jedem Fall zur Auszahlung zwängen und die Einlagen der Weltkirchen zur gezielten, rückhaltlosen Verteilung an alle Hungernden dieser Erde freigäben.

Was, wenn Gott am Ende nur noch ein Algorithmus wäre?

Dann wäre auch die klassische Antwort der von Huxley geprägten Agnostiker auf die Frage nach der Existenz Gottes ein Auslauf-Modell.
Frage: Gibt es einen Gott? Antwort: Ich weiß es nicht!

Und jetzt?
Frage: Gibt es Algorithmen? Antwort: Ja, schon, aber ich verstehe sie nicht!

Nur gut, dass ja bald Weltuntergang ist....

Samstag, 28. Januar 2012

Erst altersdiskriminiert dann altersdeprimiert

Mit Wut im Bauch sollte man weder schreiben noch reden, noch Reden schreiben. Weil das fast immer zu Pamphleten ausartet, die letztlich auf einen selbst zurück fallen. Unser Landesvater, der Seehofer Horst, hat am Pissoir sicher schon manches abgelassen, was wenig flüssig daherkam. Aber ihm zu unterstellen, er habe sein aktuelles Sparprogramm mit dem Söder Markus beim Biseln ausgeheckt, ist schlicht ungezogen. So etwas gehört sich nicht - nicht nur nicht im Parlament, sondern das ist auch einfältige Opposition mit der Brechstange; zumal als Antwort auf ein ausgefinkeltes Vorwahlkampf-Manöver, das gleich als vorbereitete Konterattacke mit einem perfiden, auf die Schnelle finanztechnisch kaum zu entkräftenden Rechenexempel daherkommt. Raffiniert, dass Seehofer dabei im Hinblick auf die Pensionskassen im öffentlichen Dienst nicht nur eine Zielgruppe ins Kalkül zieht, die sich zwar im Prinzip nicht wehren kann, aber die auch am allerwenigsten von der Altersarmut bedroht sein wird...

In dieser Woche gab es genug, was einem die Wut in den Bauch treiben konnte: die überfällige Koordination der Dienste und Organisationen gegen die Neonazis, die das Minister-Duo Schröder-Friedrich als ihre aktuelle Errungenschaft feierte, obwohl es damit zuvor gar keine Eile hatte. Viel wichtiger war ja die teure Bespitzelung ordentlich gewählter Volksvertreter durch den immer kurioser scheiternden Verfassungsschutz.

Oder war das ganze in Wahrheit nur ein Feigenblatt-Manöver, damit das Wahlvolk sich nicht allzu intensiv mit dem Gesetz gegen die Altersdiskriminierung beschäftigt? Wer hierzu gebündelte Argumente bräuchte, fände sie - wenn auch mitunter nicht ganz ausgewogen - in Hülle und Fülle auf www.altersdiskriminierung.de.

Mir liegt allerdings daran, den Fokus der Diskussion nicht nur mit der Ü-60-Scheuklappe zu sehen, sondern ihn auch auf die akademischen Berufseinsteiger (Lehrstellen gibt es wohl genug) zu lenken. Die werden trotz leicht veränderter Gesetzeslage immer noch in sogennannten Praktika als Billig-Reserve geparkt; mit etwa dem Argument, das Studium hätte sie nicht entsprechend praktisch auf die Realität des Berufsalltags vorbereitet.

In diesen Auffanglagern wird "survival of the fittest" praktiziert, während die angestrebten, tatsächlich auch vorhandenen Stellen fast ausschließlich durch persönliche Kontakte - also Beziehungen - und nicht aufgrund von Qualifikation vergeben werden. In öffentlich rechtlichen Medien tauchen zum Beispiel seit ihrem Bestehen immer wieder die gleichen Namen von regelrechten  Redakteursdynastien auf, obwohl die Stellen ja eigentlich ausgeschrieben werden sollten.

Vor dem Hintergrund, dass es also sowohl beim Berufseinstieg wie auch beim -Ausstieg klemmt, bekommt das Renten-Einstiegsalter mit 67 einen bitteren Beigeschmack. Obwohl die volkswirtschaftliche Berechnung der sich verändernden demographischen Vorgaben ja wohl keine andere Lösung offenbart, muss doch immer weiter nach ihr gesucht werden. Aussetzen ist da so wenig angebracht wie Aussitzen.Hinzu kommt dabei ja auch noch, dass wir die Wohlfahrt künftiger Generationen schon durch die aktuelle Politik für Beteiligungen an Kriegen, Rettungsschirme und Bankenrettungen ausgegeben haben. Das bezahlt ja bereits alles der Bürger, der am Ende seines Lebens dann womöglich mit dem Ofenrohr ins Gebirge guckt.

Auch ich habe berufliche Altersdiskriminierung am eigenen Leib erfahren, und obwohl ich meine Ansprüche - nur um noch dabei zu sein - auch heruntergeschraubt hätte, bewahrte mich nichts vor dem tiefen depressiven Loch.
Aber ich habe eben  nicht nur in der Möglichkeit Blogs zu schreiben, einen gewissen Trost gefunden, sondern auch in der fortgeschrittenen "Halbwertzeit" meines Daseins. Vielleicht  reicht das Ersparte ja noch, bis der Sensenmann uns holt. Ansonsten muss er sich halt unter die Reichenbachbrücke bemühen.

Aber was wird mit den neuen Renten-Einzahlern in diesem Land? Die Bundesrepublik Deutschland, die "Big Spenderin", hat ja  jetzt schon - zum Verdruss der Konkurrenz - eines der niedrigsten Lohnniveaus unter den führenden Industriestaaten?

Sonntag, 22. Januar 2012

Von Hackern und Flat-Ratten

Komisch, was diese Wulff-Würgerei altersmoralin auch bei mir aus der Erinnerung so alles hochwühlt:
Anderthalb Jahrzehnte hatten der Verlag und ich als Chefredakteur ohne Bedenken die Spitzen der deutschen Werbewirtschaft und manchmal auch die großen Bosse mit eigenen Etats  zu Seminaren und Vorträgen eingeladen. Die fanden im Winter in ausgesuchten Skistationen oder Sommers in edlen Beach-Clubs statt. Luxus pur, der spät nachmittags mal von einstündigen, richtungsweisenden Referaten unterbrochen wurde. Ansonsten gratis Skifahren, Surfen, Sonnenbaden und Wellness vom Feinsten begleitet von edlen Speisen und noch edleren und reichlich genossenen Getränken...

Die Zielsetzung war allen "Seminar-Teilnehmern" klar: Wir lassen's euch gutgehen, und für unsere Titel fallen dafür ein paar schicke, möglichst bunte Anzeigen ab. Diese Art der von allen Branchen praktizierten, aktiven Bestechung nannte man Incentive, und sie kam erst Mitte der 1990er langsam aus der Mode, als die Einladenden das nicht mehr von der Steuer absetzen und die Eingeladenen - au contrair - das zuteil gewordene Wohlergehen eigentlich als Geld werten Vorteil zu versteuern hatten.

Bei so einem Incentive kam es auf einer Skihütte im Berner Oberland kurz vor dem Fall der Mauer mal zu einer lustigen Wette zwischen zweier unserer Gäste: Der eine war Deutschland-Chef eines japanischen Computer-Herstellers, der andere Etatchef bei einer Bausparkasse. Es ging um die Daten-Sicherheit. Für die meisten in der fröhlichen Tischrunde waren da Computer ja noch bestaunenswerte Mirakel. Die Redaktion war gerade zuvor erst mit Schreib-Computern von Olivetti ausgestatten worden, bei denen Manuskripte nicht mehr auf "Floppies" sondern bereits auf Disketten gespeichert werden konnten.

Der Computer-Mann also behauptete, er beschäftige extern Leute zum Selbsttest, die innerhalb kürzester Zeit an jegliche Menge von Daten herankämen. Der Sparkassen-Heini widersprach. Seine Daten seien sicher. Daraufhin verschwand der Computer-Mann, rief zwei Hacker in Innsbruck von einem Münzfernsprecher an (es gab ja noch lange keine Handys) und kam ein paar Minuten später mit einem handgeschriebenen Zettel wieder, den er unserem anderen Kunden vorlegte. Der erblasste und war für den Rest des Tages recht kleinlaut. Seither misstraue ich (immer noch) den Computern von Banken, obwohl mittlerweile über zwei Jahrzehnte dieser einzigartig rasanten Entwicklungsgeschichte der Daten-Kommunikation vergangen sind.

Wieso? Weil auf jeder Sicherheitstufe - wie beim Wettlauf zwischen Hase und Igel - die Hacker der Industrie eine Knopfnase voraus sind. Vergangene Woche sollte in den USA ein verschärftes Gesetz zur Beschränkung gewisser Online-Portale verabschiedet werden. Zeitgleich wurde die größte zum Downloaden urheberrechtlich geschützten, geistigen Eigentums von einem deutschen Hacker betriebene Plattform dicht gemacht. Es kam zu Verhaftungen aber auch zu einer gefährlichen Machtprobe, weil die Hackergruppe Anonymus als unmittelbare Antwort wichtige offizielle Websites - darunter die vom FBI - lahmlegte. Das Gesetz wurde erstmal nicht verabschiedet. Besser kann sich Ohnmacht nicht dokumentieren.

Das Urheberrecht hatte bei diesem Wettlauf im Internet von Anfang an keine Chance, weil die Legislativen einfach zu langsam sind und zu wenig Kenntnis von der dunklen Seite der Macht haben. Die ist gewachsen, seit Downloadvorgänge und datentechnisches Herumexperimentieren von Amateuren dank der Flatrates nicht mehr wie noch vor ein paar Jahren zu einem finanziellen SuperGAU ausarten können. Jeder Volksschüler hat heute doch schon Tricks drauf, mit denen er gratis übers Netz an Dinge kommt, die früher ins Taschengeld gingen.

Dass Hacker und Flat-Ratten das Internet als Allgemeingut infrage stellen, ist aber nur die eine Bedrohung. Ernster wird sie dort, wo sich scheinbar seriöse Bezieher bereits mit dem Missbrauch brüsten.

Nein, Datenraub ist kein Kavaliersdelikt!

Freitag, 20. Januar 2012

Lese-Irritation gegen Schreib-Blockade

Der romantische Horror, den der Autor angesichts des leeren Blattes  - eingespannt in seine mechanische Schreibmaschine - noch liebte und fürchtete, gehört heute der Vergangenheit an. Die Schreib-Blockade als psychisches Phänomen wird  in der Gegenwart von einer Buchstaben-Diarrhö nicht nur im Internet regelrecht zugeschissen. Jeder, der noch so ungelenke Finger hat, um eine Tastatur zu bedienen, tut das heute. Blogt, twittert, chattet, postet ohne Rücksicht auf grammatikalische Verluste und inhaltliches Dünnbrettbohren, was Smartphones, I-Pads und sonstwelche elektronischen Text-Kommunikationsmittel nur hergeben...

Klingt diese Einleitung nach Missgunst oder Verbitterung? Ganz im Gegenteil! Das ist nur eine nüchterne Bestandsaufnahme. Ich war und bin einer, der diese Entwicklung nicht nur gutheißt, sondern - wie jeder auch in meinen Blogs nachlesen kann - jedwede Erweiterung dieser neuen Möglichkeiten begrüßt und selber nutzt.

Meinen Volontären habe ich immer gesagt, jeder, der schreiben wolle, solle dies unbedingt tun, wer aber das Schreiben als Beruf gewählt habe, sei dazu verpflichtet. Aus dieser Verpflichtung  entsteht ein gewisser Druck, mit dem man lernen muss umzugehen. Ich bin immer noch sehr stolz darauf, dass ich auch ein paar weltberühmte Fotografen zu ihrem Wohle (und zu  meiner Kostenersparnis) zum Schreiben verpflichtet habe. Deren Bild/Text-Reportagen gehören seither zu den Highlights meines produzierenden Redakteurslebens.

Ich musste das vorwegschicken, weil ich mich gerade in einer gewissen Sinnkrise befinde und eigentlich nichts schreiben möchte. Das ist das genaue Gegenteil einer Schreibblockade. Ich könnte ja, aber ich will nicht!!!

Schuld daran ist eine Lese-Blockade, die ich aber lieber Lese-Irritation nennen möchte. Dazu muss ich sagen, dass ich pro Jahr ungefähr fünfzig Bücher lese. Zumindest tat ich das bis 2010. 2010 und 2011 habe ich mir den Schnitt vermasselt, weil ich erstens Heinrich August Winklers "Geschichte des Westens" mit ihren gefühlten zwei Millionen Fußnoten und Querverweisen durchgearbeit habe und mir zweitens Thomas Pynchons "Against The Day", das selbst nur wenige seiner Landsleute verstehen, im Original angetan habe. Ich schwöre, ich bin nach diesen Monster-Lektüren von mehr als 3000  kleingedruckten Seiten sicher ein besserer Mensch, aber auch ein sehr müder Leser geworden.

Meine Kids haben das offenbar gespürt und wollten mir wohl einen neuen Impuls geben. So haben sie mir einen elektronischen "Reader" im Leder-Etui samt eingebauter Leselampe unter den Christbaum gelegt. Mit dem sollte ich nächtens meine Schlaflöcher versiegeln. Aber die kleine Leselampe am "Kindle" ist meiner besseren Hälfte für die Betten-Burg immer noch zu hell...

Mein Schwager hat mir gleichzeitig - quasi als konservatives Gegenkonzept in gebundener Form - Jonas Jonassons "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" geschenkt. Beide "Bestseller" liegen jetzt äußerlich einträchtig nebeneinander auf meinem Nachttisch und ringen um meine Gunst als Leser: Soll ich nun Deutsche Klassiker mit Knopfdruck umblättern, per Lesezeichen und elektronischen Randnotizen rekapitulieren oder mich diesem launigen Plot des stets kreativen schwedischen Schreibens hingeben?

Wobei mir zwischendrin zwei kritische Anmerkungen zu beiden nachgesehen werden sollten;
Für einen Mann meines Alters ist ein "Reader"  - so verblüffend bequem und innovativ er sein mag - zunächst einmal doch sehr gewöhnungsbedürftig. Und wegen meines Alters bin ich auch irritiert, dass es dieses eher  nette Buch an die Spitze der Bestseller-Liste gebracht hat. Wer wie ich als Kind nahezu alles von Astrid Lindgren gelesen hat, kann sich vielleicht auch des Gefühls nicht erwehren, dass der "Hundertjährige" so eine Art Pipi Langstrupf für Erwachsene ist... Aber die Bestseller-Biss-Bücher sind ja auch ohne Blutvergießen an meinem Allerwertesten vorbei gegangen...

Und die Moral dieses Posts:
Sollen die beiden "Lektüren" doch ihren Kampf um meine Gunst auf meinem Nachttisch bis auf weiteres ohne mich still austragen. Da schreib ich doch lieber!
Frei nach dem Motto:
Das wenige, was ich lese, schreibe ich selbst.

Montag, 16. Januar 2012

Nietzsche und mein Über-Ich

  „Der vernünftige Autor schreibt für keine andere Nachwelt als für seine eigene. Das heißt, für sein Alter, um auch dann noch an sich Freude haben zu können.“
(Nietzsche „Menschliches Allzumenschliches“ II,1,167)


"Wieso schreibst du das ganze Zeug in den Blogs, wenn es doch nur so wenige lesen?" Diese Frage stellt mir mein freudsches Über-Ich beinahe jedesmal, bevor ich mich an einen neuen  Post setze. "Die am Computer verbrachte Zeit könntest du ja auch sinnvoller - zum Beispiel gemeinnützig verbringen..."

Bei Zweifeln über den Sinn meines Schreibens brauche ich nur an das obige Zitat zu denken, das mir eine junge Frau vor einem Vierteljahrhundert in ein kleines Büchlein geschrieben hat. Das Büchlein war ein gebundenes Exemplar ihrer Doktor-Arbeit über die "Vita Femina: Konzeption des Selbst" unseres Philosophie-Fürsten Friedrich Nietzsche.Diese Dissertation wurde mit einem "summa cum laude" bedacht und bis heute von Nietzsche-Forschern weltweit nicht nur zitiert, sondern auch regelrecht zu Rate gezogen; unter anderem von dem sehr  beachtlichen, postmodernen US-Autor Lance Olsen in desssen experimentellen Erzählung "Nietzsche's Kisses"...
Peggy Nill also, 26 und mit höchsten akademischen Weihen bedacht, fand keinen Job. Nach einigen hundert Absagen bewarb sie sich voller Verzweiflung auf eine Anzeige meiner Redaktion - als Sekretärin.


Die junge Frau, die da zum Vorstellungsgespräch kam, sah aus, als besuche sie ein Casting für die Rolle einer blaustrümpfigen Bibliothekarin; das krasse Gegenteil der vorangegangenen, vermeintlichen aber ansonsten meist unfähigen Sexbomben in meinem Vorzimmer: 
Sie hätte auch als 50 durchgehen können, rutschte unsicher mit ihrem Altweiber-Kleidchen auf der "Besetzungscouch" hin und her und war kaum in der Lage, mir in die Augen zu schauen. 
Ich muss gestehen, dass ich von Nietzsche nicht allzuviel gewusst hätte, wäre ich während meiner Lehre beim Goldmann-Verlag nicht mit dem Umbruch der Neuauflage seiner Werke als Taschenbuch betraut gewesen. Damals geschah diese Arbeit noch mit Tipometer und hartem Bleistift auf elendlangen Druckfahnen. Und weil Werktreue vorgeschrieben war, musste ich zur Vermeidung von "Schusterjungen" und "Hurenkindern" bei problematischen Seiten genau lesen, um die Absätze entsprechend satztechnisch einzubringen.


Um mit Peggy überhaupt ins Gespräch zu kommen, fragte ich sie provokant, ob sie meine Interpretation von der Peitsche teile, die man - frei nach Nietzsche - als Mann ja nicht vergessen solle, wenn man zum Weibe gehe: Ich war damals überzeugt davon, dass er mit Peitsche die Geißel der Syphilis gemeint habe, an deren letztem Stadium, der Paralyse, der Meister letztlich gestorben ist.


Es war, als hätte man in einem Reaktor den Schalter umgelegt. Fräulein Doktor erstrahlte regelrecht, ihre blauen Augen leuchteten wie Saphire und die blasse Haut begann sich zu röten. Leidenschftlich, präzise und mit unprätentiösen Redewendungen erklärte sie mir in einem Excerpt die "Vita Femina" und - bekam den Job. Sie war für den natürlich völlig überqualifiziert  und das ganze barg auch das Risiko der Unterforderung. Aber mein Über-Ich hatte da ja  wohl schon  viel weitreichendere Pläne mit ihr. Rückblickend betrachte ich es als besonderes Privileg, dass ich einmal in der Lage war, derart personelle Risiken einzugehen.


Sie war in der Erledigung ihrer Aufgaben derart schnell, dass ich sie bald probehalber schon mal mit Schlusskorrekturen bedachte. Wieviel sie aber nebenher schaffen konnte, bewies sie den Kollegen bereits an Weihnachten  mit einem hinreißenden, ganz nebenbei verfassten Theaterstück, das vom Redaktionsalltag handelte und in dem jeder Charakter - einschließlich dem meinen - punktgenau persifliert wurde. Es kam leider nie zu einer Aufführung, weil die Entwicklung uns allen davon rannte.


Nach einem halben Jahr schon musste ich wieder ein Inserat für eine Sekretärin aufgeben, weil ich Dr. Nill leistungs- und gehaltsmäßig als Schlussredakteurin hochstufte. In dem halben Jahr hatte aber auch eine meiner Mitarbeiterinnen eine gestalterische Leistung an ihr vollbracht: Peggy ließ sich - sanft und kundig beraten - das Haar leicht färben und trug nun Locken zu endlich  einer ihrem Alter entsprechenden Kleidung, die sie  gemeinsam mit der Kollegin nach dem letzten Schrei ausgesucht hatte. Vermutlich sehr "Eighties" das Styling, aber es wirkte Wunder beim nun selbstbewussteren Auftritt.

Bevor sie im Herbst darauf einem Ruf nach Berlin folgte, um dort ihr zweites Buch - einen viel beachteten künstlerischen Jubiläums-Beitrag - über den "Traum vom Fliegen" zu verfassen, übergab sie mir - da wieder in alter Schüchternheit - ihr Büchlein samt Widmung.


Es war offenbar ihr Vermächtnis an mich als Autoren, von dem sie sich vielleicht anderes gewünscht hätte  - als habe sie da schon  Ahnungen in mancherlei Richtungen gehabt. Mitunter sah ich sie nämlich durchs gläserne Treppenhaus zum Copierer gehen und plötzlich verharren. Dann blieb sie ein, zwei Minuten regungslos stehen und schien in eine andere Welt entrückt.


Auf sie selbst gemünzt, hat das Zitat leider keine Prophezeihung erfüllt. Dr. Peggy Nill starb wenig später - keine 30 Jahre alt; dem Vernehmen nach bei einer alltäglichen Verrichtung ohne eindeutige Symptome - geradeso wie das beim "plötzlichen Kindstot" geschieht.

Freitag, 13. Januar 2012

Wundersamer Wandel moralischer Instanzen

Was an dieser wulffschen Würgerei am meisten wütend macht, ist der Umstand, dass ausgerechnet die Springer-Presse durch sie Gelegenheit erhält, sich als moralische Instanz zu positionieren. Dabei ist es in Google-Zeiten so einfach, das manipulative Spiel des Hoch- und Niederschreibens, wie es in BILD und der WELT seit jeher betrieben wird, chronologisch zu rekapitulieren:

Was haben die "Diekmannen" da den Garnicht-Wuschkandidaten und seine junge Zweitfrau als ideale Verkörperung des First-Couple odengleich in den Himmel geschrieben; gerade so wie den "begabtesten Staatsmann" seit Bismarck und Andenauer - Karl Theodor zu Guttenberg.

Dass man die Mächtigen dann auch gerne hinrichtet, wenn sie nicht mehr zu halten sind (der auf dem Titelblatt von BILD liegende Kohl als "Umfallkanzler"), ist nicht etwa berichterstattender Ausgewogenheit geschuldet, sondern dem selbst verliehenen Anspruch als regulierende Macht - als Machtmacher und staatstragende Instanz solange die den Verkaufszahlen dient.

Aber es wäre auch von mir alles andere als ausgewogen, würfe ich Steine nur auf jene hinlänglich bekannten Schreibtischtäter. Viel schlimmer sind ja eigentlich die, die jetzt massenweise in Talkshows auftreten.  Moral-Apostel, die sich wiederum mit den Feigenblättern angeblich lupenreiner journalistischer Institutionen tarnen und selbst nur in Ausnahmen standhielten, legte man an sie die gleichen Maßstäbe an, wie sie dies nun bei unserem zur Schießbuden-Figur verkommenen Präsidenten für unabdinglich halten.

Tatsache ist, dass es keinen Berufsstand gibt, der anfälliger für passive Bestechung ist und unverfrorener der Vorteilsnahme frönt wie der Journalismus. Als Glashaus-Insasse, Steinewerfer, Ex-Autor aller deutschen Großverlage und auch nach 30 Jahren in Chefredakteurspositionen weiß ich  durch eigene Vergehen, wovon ich schreibe.

Es wäre wünschenswert, dass der oberste Mann im Staat frei wäre von menschlichen Regungen wie Habgier und Eitelkeit, aber er ist eben - wie schon geschrieben - nur der Erste unter Gleichen. Auch präsidiale Scheidungen kosten viel Geld, und standesgemäße Auftritte wären dann durch die eine oder andere Vorteilsnahme leichter zu kompensieren...  Vermutlich wäre das auch dem ähnlich gelagerten Wahlvolk piepegal, würde es nur in Maßen ruchbar. Kaum einer hat doch anfangs verlangt, der Präsident möge zurücktreten. Diese Forderungen wurden ja erst laut, als die präsidiale Moral mit der dem Amt eigenen, diesbezüglichen Instanz in Konflikt geriet. Auch so lange das private Nehmen nicht ein amtliches Geben zeitigt, könnten diverse Augen immer noch zugedrückt werden. Kritisch wird es erst beim Überschreiten der unterschiedlich wahrgenommenen Grenzen.

Ob da allerdings Journalisten die geeigneten Mahner zur Moral sind?

Ich fange daher mal mit mir an:

Ich saß mal auf einem vom Verlag bezahlten nächtlichen interkontinentalen Heimflug in einem vollen Flieger einer aisatischen Airline. Da trat die Purserin an mich heran, um mir mitzuteilen, dass sie mich wegen Überbuchung umsetzen müßte; von der Touristenklasse in die First mit Sleeper-Seats... Habe ich mich gewehrt? Ich habe mich auch nie gewehrt, wenn ich in einem Hotel anstatt das bezahlte Standardzimmer zu beziehen, plötzlich in einer Suite landete. Das alles kann nämlich auch anderen Reisenden "promotional" widerfahren.
Nur als sich diese Vergünstigungen im Laufe der Jahre wundersam häuften, und ich auf dem Flughafen Heathrow dann durch eine Unachtsamkeit einer Schalterkraft zufällig ein Bildschirm füllendes weltweit im Intranet verbreitetes Dossier über meine Funktionen, Vorlieben und Reisefrequenzen einsah, hätte ich dem spätestens Einhalt gebieten müssen.

Ich tat es nicht.  Meine Ausrede: Es waren ja immer Dienstreisen. Nie gab es auch nur eine private Verknüpfung.  Aber auch so schon hatte ich aus meiner Sicht keinerlei moralische Rechtfertigung mehr, mich beispielsweise über einen Wirtschaftsredakteur der Süddeutschen Zeitung zu mokieren, der mit seiner ganzen Familie First in den USA-Urlaub flog - oder über die Ehefrau eines öffentlichrechtlichen Star-Sportmoderators, die sich regelmäßig und gratis aus der Muster-Kollektion eines Modemachers bediente.

Es gab und gibt aber eben auch (durchaus mit Hintergedanken, wie sie den Gunstgewährern des Präsidentpaares unterstellt werden),  seitens der Industrie immer wieder gezielte Versuchungen und massive Eingriffe in die Berufsmoral - nicht nur von Journalisten: Dann nennt man das Korruption.

Einmal bin ich selbst, weil der Motor-Redakteur verhindert war, zu einer Fahrzeugvorstellung in Deutschland gefahren und fand in der persönlichen Pressemappe einen Scheck zur Begleichung meines Spesenaufwands. Als ich den diskret mit der Bemerkung an die Gastgeber zurückreichte, die Spesen seien ja vom Verlag gedeckt, meinte der nur, 'wer habe schon etwas gegen ein Extra-Taschengeld einzuwenden'... Ich hatte! Und ich ließ mir daraufhin rückwirkend alle Abrechnungen solcher Reisen vorlegen. Am meisten ärgerte ich mich über das komplett fehlende Unrechtsbewusstsein der Ertappten.

Den Gipfel  journalistischer Doppelmoral erlebte ich allerdings bei einem hochbezahlten Starautor, der mir als große Insider-Chance eine Reportage über einen kommenden, touristischen Aufsteiger in Afrika vorschlug: Wenn der Spesenrahmen stimme und das Honorar, könne er sich vor Ort um einen Fotografen kümmern. Beides wurde im erforderlichen Maß bereit gestellt. Die Reportage erschien exklusiv und war bildschön. Sie hatte nur einen Haken: Erst nach ihrem Erscheinen erfuhr ich, dass der Autor samt Freundin vom PR-Manager eines großen Tabakkonzerns, dem dort einige Liegenschaften gehörten, komplett eingeladen worden war...

Also:
Wer von Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein! (Johannes Evangelium 8.7.)

Freitag, 6. Januar 2012

2012 Weltuntergang

Da hat doch der bundespräsidiale Lügenbeutel und Vorteilsnehmer mich kostbare, da rar werdende Stunden davon abgehalten, das wichtigste Thema dieses Jahres anzuschneiden:

Den Weltuntergang zur Winter-Sonnenwende am 21. Dezember 2012.

Kein Wunder, dass die Kanzlerein zu allem schweigt, denn sie arbeitet sicher schon unter Hochdruck daran, auch diese Katastrophe moderierend auszusitzen. Und hat da über die Hälfte unseres Volkes laut "Sonntagsfrage" nicht Recht, dem reuigen Wulffchen noch eine zweite Chance zu geben? Wo die womöglich ohnehin seine und unser aller letzte ist? Eine Neuwahl lohnt sich da doch wirklich nicht mehr!

Wer sich einen umfassenden Überblick über das mannigfaltige Bedrohungpotential zum Weltuntergang verschaffen will, der sollte spaßeshalber auf  www.21dezember2012.org klicken und dann sofort mit einer sinnvollen Einteilung seiner letzten Tage beginnen. Die sowieso immer wertloser werdenden Euros kann man dann gleich auf dieser Webside per Online-Shopping in Überlebensartikeln und -Ratgebern anlegen.
Darüber, was die Betreiber dieses Internet-Auftritts mit den ganzen Provisionen und Werbeeinnahmen machen, sollte man aber nicht ernsthaft nachdenken; vielleicht über Facebook zu einer großen never ending Gratis-Endzeitparty am 20. Dezember auf den Münchner Weihnachtsmarkt laden...

Womit wir wieder bei den 56 Prozent sind, die Christian Wulff weiter im Amt sehen wollen und den Plus2 Prozent  Vertrauen, mit der unsere ernstfallschweigsame Kanzlerin gleichzeitig  belohnt wird.

Was vermutlich wirklich alsbald zum Weltuntergang führen wird, ist die kollektive Verblödung, der wir mit unserer Gutgläubigkeit unterliegen.

Was haben wir nicht alles in den vergangenen Jahren glauben wollen:

Dass der "Arabische Frühling" nachhaltig wirkt.
Dass Rettungsschirme und -Hebel das verkorkste Euro-Konzept doch noch zum Erfolg führen werden.
Dass die unselige "Mission accomplished" in Afghanistan und dem Irak wahr würde, wenn Barak Obama, der Friedensnobelpreisträger, nur erst einmal seine segnende Hand über die Welt halten würde.
Dass der deutsche Atomausstieg Signalwirkung auf anderer Nationen - einschließlich Japan - hätte.
Dass das Kyoto Protokoll die Verpestung des Globus stoppen würde.
Dass man nur der Alquaida die Köpfe abhauen müsse, um den Terror zu besiegen.
Dass durch Revolution erreichte Demokratie dauerhaft obsiegt.
Dass die Finanzmärkte sich endlich selber Grenzen setzen.

Das einzige Problem an diesem Szenario:
Die Welt wird eben nicht untergehen, was möglicherweise ja ihre Rettung gewesen wäre.
Nein, die Welt wird so weitermachen:
nach jeder Katastrophe kollektive Betroffenheit;
nach deren Überwindung die Rückkehr zu grenzenloser Gier!

Donnerstag, 5. Januar 2012

Ein Volksverdrehter

Seien wir doch endlich dankbar! Immerhin hat unser Bundes-Wulff keine Frauen vergewaltigt wie sein israelischer Präsidial-Kollege Ehud Olmert. Und wenn wir das vom totalitären Kaiser Augustus feigenblättrig geprägte primus inter pares (Erster unter Gleichen) situationsgenau interpretieren, dann ist unser Präsident eben genau das menschliche Spektogramm der deutschen Mehrheit. Einer Mehrheit, die den Plagiator von und zu Guttenberg unbedingt wieder in hohen politischen Ämtern sehen will oder sich - ohne aufzumucken - von unseren gewählten Volksvertretern  ein mit Lügen gespicktes Wendemanöver nach dem anderen bieten lässt.

Mit dem erhobenen Zeigefinger predigen die von uns Gewählten dem kleinen Mann, er solle sich mit Mindestlöhnen und längerer Lebensarbeitszeit im Sinne des Gemeinwohls abfinden, während die wahrhaft Unmoralischen in kürzester Zeit immer reicher und reicher werden.
Dass unser Präsident kreditmäßig auf Schnäppchenjagd geht, wenn unser Alltag in der Werbung von Kontoschlachten, Sonderangeboten und Vorzugszinsen der staatlich geretteten Banken überbordend geprägt wird, ist doch nur menschlich allzu menschlich. Zumal junge Ehefrauen schon größere Bedürfnisse anmelden als die altgedienten Eherösser, die einen noch durch den politischen Aufstieg getragen haben. Auch der Altkanzler Gerhard Schröder muss ja diesbezüglich noch sein karges Ruhestandsgeld  durch Gazprom-Rubel aufbessern, damit er sich  wie sein niedersächsischer Präsidial-Epigone an den maschmeyerisierten Geldadel  zwecks Gratisurlaub ranwanzen kann

Gut, dass eine Facette meines Berufslebens gebot, der Hälfte unserer zehn Präsidenten bei diversen Anlässen aus nächster Nähe zu begegnen. Deshalb konnte ich vom Phänotypus her schon vor seiner zähen Wahl erkennen, was Christian Wulff bereits in seiner Zeit als Ministerpräsident nicht war und was ihm deshalb für dieses Amt umso mehr fehlte: Charisma!

Walter Scheel war im Amt ein politisch kenntnisreicher Grandseigneur und unprätentiöser Lebemann mit Stil - auch wenn er dann hoch vom "gelben Wagen" trällerte.
Carl Castens, der Wanderpräsident, war trotz seiner streng preußischen Offiziersaura volksnäher als er im Fernsehen oder als Redner wirkte.
Richard von Weizsäcker war die absolute Idealverkörperung eines Bundespräsidenten. Ein Herr, ein Weltmann, ein Philosoph wie sein Bruder und als humanistische Instanz ein ruhender Pol in einer sehr sehr unruhigen Zeit.
Roman Herzog,  aus dessen Hand ich (ein bißchen Angeben sei mir bitte nachgesehen) eine Ehrung entgegennehmen durfte, hätte als Rechtswissenschaflter und Juraprofessor zu dem aktuellen Präsidial-Theater ganz sicher einen seiner präzis geschliffenen Kommentare mit verdecktem Killerhumor beizutragen. Auch er ein echter Landesvater.
Johannes Rau wäre mit der Fitness, mit  der ich ihn noch als Ministerpräsident erlebt hatte, im höchsten Amt des Staates mit Weizsäcker vergleichbar gewesen. Er hat auch erstmals unter Beweis gestellt, dass sich sozialdemokratisches Urgestein - zumal in seiner gelebten Religiosität - und präsidiale Grandezza  nicht ausschließen müssen.

In dem gestrigen Rechtfertigungsinterview mit dem staatstragenden, von uns - dem Souverän - bezahlten Fernsehen hat Wulff zweierlei unter Beweis gestellt:
Dass er einerseits nicht einen Bruchteil der Eigenschaften hat, die seine Vorgänger so unverwechselbar machten und dass er andererseits zwar ein typischer Vertreter Deutscher Untugenden ist, aber ganz sicher kein Volksvetreter, sondern eher ein Volksverdrehter.

Mir wird übel, wenn ich daran denke, dass dieser Mann womöglich noch Jahre als unser oberster Repräsentant auftritt. Aber vermutlich bin ich darin schon bald wieder einer Minderheit zugehörig.

So ist sie eben - die Demokratie!

Montag, 2. Januar 2012

Zum zehnten Todestag der Deutschen Mark


An Weihnachten 2001 habe ich meinen Kindern, meiner Frau und mir je so eine mit dem Vornamen gravierte Uhr und der Deutschen Mark als Zifferblatt zum Andenken geschenkt. Bezeichnender Weise war das Design damals die Idee einer Schweizer Manufaktur gewesen...

Als in der Währungsreform 1949 Geborener hielt ich meiner Familie beim üppigen Festmahl einen kleinen Vortrag und schloss mit dem Wunsch, wir möchten uns doch  alle gesund und munter nach einem Jahrzehnt Euro wieder um einen Weihnachtstisch versammeln, auf diese Uhren schauen und resümieren, wie es uns denn  im vergangenen ersten Jahrzehnt mit dem Euro so ergangen sei.

Erstmals hat heuer meine Tochter mit ihrem Freund bei sich zuhause das uns immer noch so wichtige Familien-Weihnachten ausgerichtet. Es war eines der schönsten und harmonischsten seit Jahren.
Keiner von uns trug allerdings diese Uhr, und es wurde auch nicht wehmütig zurück geblickt, obwohl es manchen zu rekapitulierenden Anlass gegeben hätte. Es gab uns ja noch alle, und trotz mancher Schicksalsschläge sind wir im Vergleich zur Welt noch recht gut davon gekommen.

Es stellte sich heraus, dass meine Kinder und auch meine bessere Hälfte die Uhren nicht ein einziges Mal getragen hatten, während ich meine - mit einem Sportarmband versehen - wenigstens während der Sommermonate in Italien trage, weil ich auf sie im Alltag nicht sonderlich aufpassen muss. Sie hat ja überwiegend nur einen sentimentalen und noch nicht eimal einen ideellen Wert. Die Uhr-Mark hat dennoch allen Beanspruchungen mit der ihr eigenen Stabilität widerstanden.

Als ich sie dann ein paar Tage vor Weihnachten hervorholte, musst ich feststellen, dass die Batterie alle war. Dass die Mark-Uhr ausgerechnet um fünf vor Zwölf  stehen geblieben ist, war mir da noch gar nicht aufgefallen. Ich habe es dann auch einfach nicht mehr geschafft, die Batterie auszutauschen und so kam es eben nicht zu dem "historischen Zeitvergleich". - Vielleicht war's ja ganz gut so.

Unabhängig von der derzeitigen Euro-Diskussion unter Dänemarks Ratspräsidentschaft werde ich die Mark aber in den nächsten Tagen wieder zum Laufen bringen.

Man kann ja schließlich nie wissen...