Freitag, 29. September 2017

Alzheim Hoch!

Es hat nun fast eine Woche gedauert, und ich kann das Wahlergebnis trotz aller Analysen und Trendberichte immer noch nicht verstehen. Zwar hatte ich "die Gnade der späten Geburt", aber die Auswirkungen  der Nazi-Zeit spürte ich familiär und beim Spielen. Meine Mutter war quasi Marketenderin für die Offiziere der Briten im besetzten Hamburg, und mein Vater wurde sofort nach seinem "Persilschein" als Beamter in den Wiederaufbau und die Verwaltung des neuen Bundesvermögens integriert. Schnell sah er dabei zu, wie ehemals stramme Nazis an ihm vorbei in höhere Ränge aufstiegen...

Ich durchstreifte währenddessen mit meinen Spielgefährten aufgelassene, kaum gesicherte Bunker, und wir tobten durch noch nicht beseitigte Trümmer-Ruinen.

Die "Karriere" meines Vaters im Range eines Regierungsdirektors endete gegen Ende der 1960er (!) als Chef der im Aufbau befindlichen Wiedergutmachungsstelle für die Vermögensschäden von Opfern des Rassen- und Fremdenwahns in der "Hauptstadt der Bewegung".

Offenbar ist die Saat von unbelehrbaren Nazis und von STASI Gegängelten besser und nachhaltiger aufgegangen als die der reformierenden Kräfte. Mir scheint es, als litten wichtige Teile der einst freien Welt an kollektivem Alzheimer-Syndrom. Anders ist das Alzheim Hoch faschistoider, rechtsradikaler oder totalitärer Tendenzen doch nicht zu erklären. Und im Sturmschatten dieser
Tendenzen feiern auch Rassismus und Fremdenhass wieder fröhliche Urständ.

Mein Vater starb kurz vor dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung. Als leidenschaftlichem Berliner hätte ihm Berlins Comeback als Bundeshauptstadt gefallen. Ein Leben lang hatten wir politischen Diskurs. Als Humanist und Gutmensch war er davon überzeugt, dass die Fünf-Prozent-Hürde für ein radikales Aufkeimen hoch genug war. Ich hielt ihm die demokratisch gewählte Entwicklungs-Statistik der NSDAP in den Jahren vor der Machtergreifung entgegen (siehe mein Post vom 19. September 2016). Hätte ich doch bloß nicht recht behalten.

Wenn "Jamaika" nicht funktioniert, wird es immer wieder Neuwahlen geben, die die AfD  von mal zu mal stärker machen könnte. Es sei denn Spaltpilz Petry hat mit den "Blauen" Erfolg...

Dienstag, 26. September 2017

Verkleidungen










Wenn unten auf beiden Seiten der Straße bunt verkleidete Menschen Paar- oder Gruppenweise in Richtung Straßen- oder U-Bahn streben, dann ist Oktoberfest. Fast jeder trägt etwas, was er persönlich für "trachtig" hält. Das ist wirklich originell, weil damit der Kaufhaus-Look von der Stage endlich überwunden scheint. Oder doch nicht?

Bei näherem Hinsehen wirkt es dann doch wie aus der Faschings-Kiste zusammen gegrabbelt. Vor allem bei Leuten, die ansonsten ja mit Brauchtum wenig am stylisch kleinen Trachten-Hütchen haben.
Die echten Bayern erkennt man daran, dass sie ganz dezent mit einer neutralen Trachtenjacke vor ihrem Keferloher  in der Stadt sitzen und ihr Wies'n-Bier in entspannter Ruhe von kleineren Fässern gezapft genießen.

Keferloher gibt es auf der Wies'n nur noch in den Promi-Boxen und bei den Fernseh-Sendern, die ihre Abendsendungen so auf billige Weise gestalten. Das Fußvolk, dass bei der Gemütlichkeit unten wegen Überfüllung kaum noch Platz findet, erhält das schlecht Eingeschenkte überschäumend aus bruchsicheren Glas-Maßkrügen...
Zum Glück für die Veranstalter, gibt es kaum noch welche, die die sogenannte "Oide Wies'n" noch erlebt haben, sonst ginge das mit dem Extra-Eintritt für diese Marketing-Idee ja gar nicht. Sie ist genau so ein Fake wie die Oktoberfest-Verkleidung von 90 Prozent der Besucher.

Der Vorreiter ist dabei unter anderem auch der FC Bayern, der seine aus allen Kontinenten zusammen gewürfelte Söldner-Truppe gnadenlos in die vom Sponsor bereit gestellte ,jedes Jahr neu gestaltete Trachten-Mode steckt.

Hört sich das alles an, als sei ich ein Wies'n-Muffel? Bin ich nicht! Ich liebe das Oktoberfest nach wie vor, aber in kleinen Portionen und zu einer Zeit, in der ich mit meinem Enkel ohne beängstigendes Gedrängel um die frühe Mittagszeit an den Fahrgeschäften und Buden vorbei flanieren kann. Wer bin ich, dass ich dem Kleinen, diese Duft-Melange und das bunte Treiben vorenthalten würde? Und schon gar nicht die Enten-Keule, an der er beim Ammer mittags nagt...
Besucher der ersten zehn Oktoberfeste nach 1810 würden bei einer Zeitreise zur heutigen Wies'n auch aus diesem kindlichen Staunen nicht herauskommen. Vielleicht hätten sie ja sogar Spaß daran, dass Bedienungen zum Dirndl heute leuchtende Sportschuhe tragen.

Montag, 25. September 2017

Vom Rausch der Großstadt

Wegfahren ist schwerer als Ankommen. Vor allem dann, wenn die Kinder samt Tante uns mit einer blitzblank geputzten Wohnung und einem vollen Kühlschrank willkommen heißen...
Nach der unheimlichen Stille im Burgfrieden umrauscht uns jetzt wieder der Münchner Alltag. Und, stört uns der Tag und Nacht durch die Häuserschlucht strömende Verkehrsstrom? Keineswegs! Es ist das Kontrastprogramm, dem wir uns verschrieben haben. Das pure Leben mit seinen steten Veränderungen:

Dem gescheiterten Bäcker von Gegenüber ist innerhalb von acht Wochen zunächst eine weiterer Bäcker gefolgt, nun ist es ein Kebab-Laden. Unsere Pizzeria im Haus hat neue kroatische Pächter, und das Riesen-Bauvorhaben hundert Meter weiter ist erwartungsgemäß noch nicht fertig.


Der Garten des Anwesens ist endlich prächtig eingewachsen und liefert uns den Herbst frei Haus. Mit einem Gläschen Bordeaux (!?) und ein paar frischen Schälnüssen lässt sich das bei prächtigem Herbstwetter sehr gut an. Da braucht es erstmal kein Oktoberfest, und wie verheerend dieses Bundestags-Wahlergebnis sich auf eine mögliche neue "Weimarer Republik" auswirken wird, bleibt eben zunächst auch ohne Panik abzuwarten.

Die Themen für die erste Woche im Glashaus sind dadurch quasi vorgegeben. Am Mittwoch geht es um die Oktoberfest-Verkleidungen...

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