Samstag, 30. November 2019

Rosa Parks

Das Glashaus-Glossar als alternativer Adventskalender:



Am 1. Dezember 1955 wird in Montgomery Alabama die Bürgerrechtlerin Rosa Parks festgenommen, weil sie im Bus einem Weißen nicht ihren Sitzplatz überlassen will. 382 Tage dauerte daraufhin der legendäre Busboykott von Montgomery, der letztendlich zur Aufhebung der Rassentrennung in den USA führte...
Rosa Parks 1913 -2005
Quelle: Wikipedia

Der Bus ist heute zwar ein Museums-Stück, aber noch immer werden Afroamerikaner und US-Bürger anderer Ethnien eher Opfer von Polizeigewalt und werden mit vergleichbar höheren Strafen belegt.

Freitag, 29. November 2019

Diese dummen, dummen Chefs!

Alter Schwede! Das habe ich nicht gewusst. Bei den nordischneutralen, königstreuen Demokraten organisieren sich sogar die Führungskräfte in einer Gewerkschaft. Führungskräfte und Gewerkschaft? Bei uns ginge das nicht. Vermutlich brauchen wir deshalb eben in Vorständen die verordnete Frauen-Quote...
Eben diese 100 000 Mitglieder umfassende, schwedische Elite-Gewerkschaft - so las ich gestern - hat eine detaillierte Umfrage über prägende Eigenschaften durchgeführt. Das Ergebnis hat mich nicht überrascht: Schwedinnen auf Führungsebene sind demnach die besseren Chefinnen.

Ich habe ja vor bald 50 Jahren eine Chefin geheiratet, als ich noch nicht Chef war. Ihr lag das überwiegend männliche Personal zu Füßen, denn sie schaffte es die willkürlichen Vorgaben des miesen Konzerns mit Motivation umzusetzen, und dabei noch Boni zu verteilen.

Als wir überraschend dann doch noch Eltern wurden, war es gut, dass auch ich inzwischen Chef war, und es für meine Frau trotz aussichtsreicher Karriere dennoch  eine Selbstverständlichkeit, das Zepter des Familien-Unternehmens zu übernehmen.

L. J. Peter
Quelle: Wikipedia
Als ich als Mittzwanziger selbst eine Chef-Rolle übernahm, zitierten in den 1970ern  die, die auch gerne Chef sein wollten, aber es irgendwie dann doch nicht schafften, gerne das nach Laurence J. Peter benannte Prinzip. In seiner 1969 in den USA als Buch veröffentlichen These, die auch das "Unfähigkeitsprinzip" genannt wurde, kam er zu der Ansicht, dass in jeder gefestigten Betriebs-Hierarchie jeder Angestellte bis zu einer Stufe aufsteigen könne, auf der er dann aber von seiner Unfähigkeit eingeholt würde.
Der falsche Umkehrschluss seiner Epigonen war aber der, dass auf der Führungsebene demnach schließlich nur Deppen herrschten.
Quelle: Karrierebibel.de

Wer würde denn Donald Trump, Boris Johnson oder Recep Tayyip Erdogan unterstellen, sie hätten  mit der Präsidentschaft auch die Kompetenz-Schwelle erreicht? Nein! In der Kalkulation von Peter hat von Anfang an das unerbittliche Machtstreben dieser nur scheinbar Unfähigen gefehlt.

Mancher ist vielleicht geneigt, das "schwedische Ergebnis" durch unsere Dauer-Kanzlerin bestärkt zu sehen. Aber die Geschichte ist voll von unbarmherzigen Herrscherinnen, die auch schon gerne bei (weiblicher) Konkurrenz das Henker-Beil schwingen ließen. Merkel "is killing softly" oder sie schickt "Schwestern" auf Posten, auf denen sie ganz gewiss ihre Inkompetenz offenbaren müssen...

Achtung!Ab Sonntag läuft auf diesem Blog das Glashaus-Glossar als Alternative zu den ganzen Adventskalendern.
Statt Kerzenschein und Tannenglitzern gibt es von 1 bis 24 historische Anmerkungen zu den Tagen  der   sogenannten "staden Zeit"


Mittwoch, 27. November 2019

Tote Punkte

Was haben wir uns über unsere Mutter lustig gemacht, wenn sie ausgerechnet bei einer Sendung, die sie unbedingt zu ende sehen wollte, immer wieder einschlief:
"Mutti gehe doch ins Bett! Du kriegst ja gar nichts mehr mit."
" Nö, ich will ja unbedingt wissen, wie das jetzt ausgeht."
Dann war sie wieder weg, und wir mussten dann später erzählen, wie es ausgegangen ist...

War ja klar, dass ich als Appendix dieser Diabetiker-Sippe noch härter von den typischen "toten Punkten" heimgesucht werde: mehrfach am Tag ohne Vorwarnung, von einer Sekunde auf die andere. Deshalb fahre ich nur noch in Notfällen Auto, und das Radfahren habe ich nach einem solchen Blackout auch aufgegeben. Nicht wegen Angst um mich, sondern aus Fürsorge für meine Mitmenschen, denen ich durch solche Aussetzer nicht schaden will.
Der frühe Vogel fängt den Wurm - statistisch belegt

Also bei mir ist es Fürsorge, aber wie wird in dieser Welt mit all den hinzu gekommenen "toten Punkten" umgegangen?

Ursprünglich war der Break-Even-Point, der ja salopp als "toter Punkt" eingedeutscht wurde, ein reiner Wirtschafts-Begriff. Die Situation eines Betriebs, in der er die Verlustzone verlässt, aber noch keinen Gewinn macht. Dann kamen begrifflich der Sport, die persönlichen Tiefs und die Sackgassen bei diffiziler Forschung hinzu.

Richtig heftig wird das herum Eiern, wenn die Politik nicht mehr weiter weiß und den "toten Punkt" auf dem sie kämpferisch zu lange ausharrte, in beide Richtungen mystifiziert.

Gerade ist ja im Bundestag die Debatte um den Haushalt für das kommende Jahr entbrannt. Über dem steht dennoch auch in den nächsten Jahren die ominöse, unverrückbare "Schwarze Null". Der Begriff ist ja wirklich lächerlich, denn nur weil keine weiteren Schulden aufgenommen werden, die Staatsverchuldung ja nicht wirklich kleiner wird. Immerhin investiert die Bundesrepublik aus laufenden Einnahmen rund 43 Milliarden. Was ja kein Pappen-Stiel ist, aber der Opposition natürlich nicht genug.

Die Alternative zum Null-Wachstum wäre immer die Plus-Schrumpfung, die uns die Automobilkonzerne gerade ankündigen. Wegen der Aufdeckung ihrer Diesel-Abgas-Schurkereien rächen sie sich nun am Arbeitsmarkt, indem sie derzeit Beschäftigte demnächst im Quantum einer Großstadt freisetzen...

Gibt es im Versand gar schon!
Die weibliche Macht bei Amazon
Weil Trump so auf die NATO prügelt, ist für den Geschmack eines Pazifisten - wie ich einer bin - die krasse Erhöhung des Wehr-Etats zu Gunsten der Kanzler-Kandidatin in spe und jetzigen Verteidigungsministerin AKK der einzige Dorn im Auge. Das zusätzliche K in ihrem Kürzel macht ja aus der Phrasendrescherin noch keine Kalaschnikow, die den"toten Punkt" der Bundeswehr verschieben könnte. Dass sie nicht "wehrbereit" ist, hätte ja allemal den Vorteil, dass sie von den Desperados unter den Bündnis-Partnern nicht wirklich effektiv in deren Abenteuer hinein gezogen werden könnte.

Man wünschte der Politik manchmal, sie könne durch Doping - wie das im Sport gemacht wird - "tote Punkte" überwinden. Die weltweiten Patt-Situationen wie in den USA, Großbritannien oder dem Gefährdungs-Konglomerat Naher Osten zeigen jedoch: Solche "toten Punkte" töten ohne Sinn und Verstand weiter  Menschen oder vertreiben sie aus zerstörter Heimat.

Montag, 25. November 2019

In Frieden leben

Vor bald vierzig Jahren trällerte das deutsche Schlager-Sternchen Nicole ihren Song "Ein bisschen Frieden" zum Grandprix-Sieg. Da war die Welt noch in Blöcke geteilt, und es starben Menschen beim Fluchtversuch über die Deutsch-deutsche Grenze. https://www.youtube.com › watch

Damals merkten Kritiker bereits an, dass - auch wenn schon mal dem Wunsch nach "Totalem Krieg" in unserem Land zugejubelt worden wäre - die Sehnsucht nach einem Frieden in Portiönchen wohl eher paradox sei: Ein bisschen Frieden könne es genau so wenig geben, wie Frauen eben nicht nur ein wenig schwanger wären.
Gold-Texter Dr. Bernd Meinunger
Quelle: FAZ
Der Texter, Doktor Bernd Meinunger, war eigentlich Wirtschafts-Wissenschaftler, der über die Problematik bei der Stabilisierung der Weizenmärkte promoviert hatte. Seine eigentliche Lebensleistung resultierte jedoch daraus, dass er punktgenau für beinahe alle damaligen Stars der Deutschen Unterhaltungsmusik Schlager betexten konnte, die dem Volk ins Herz zielten.

Warum grabe ich heute die ollen Kamellen aus? Weil ich geneigt bin, wegen der damaligen Sprach-Klitterei Abbitte zu leisten. Das Lied sprach ja Sehnsüchte an, die angesichts der Verhältnisse auf der Welt nur allzu verständlich waren. Wer ahnte denn - bei der wachsenden atomaren Bedrohung - dass die Welt gegen Ende des selben Jahrzehnts eine andere zu werden versprach?
Quelle: Mercedes Benz

Nun, da wir bald 2020 schreiben, muss ich ernüchtert feststellen, dass Weltfrieden eine Illusion ist, und dass individuell erreichte Ruhe in unserem Land eben tatsächlich nur ein bisschen isolierten Frieden vorgaukelt.

Die Herde des Unfriedens in den Ereignissen nur des vergangenen Wochenendes:

Der Papst verteufelt in Japan - wo sie bislang einmalig kriegerisch eingesetzt wurden - die Existenz von Atomwaffen als Perversion der Menschheit. Sie schafften seine Ansicht nach keinen Frieden auf Erden. Da hat er recht, irrt aber auch global betrachtet. Denn es kann gut sein, dass Historiker in ein, zwei Jahrhunderten angesichts dieser Epoche ohne Weltkrieg von der Zeit des "Atom-Friedens" sprächen. Wohl gemerkt, wenn die Erde überhaupt all die anderen Gefährdungen für ihre Existenz überlebt.

Nun sind in nahezu allen südamerikanischen Ländern die Völker gewaltbereit zu Hunderttausenden auf den Straßen gegen ihre Regierungen unterwegs.

In Hongkong obsiegen zwar bei den Kommunalwahlen die demokratischen Kräfte, die sich Monate lang gegen die chinesische Vormundschaft gewehrt haben. Ob das überhaupt etwas nützt, wird angesichts der systematischen Unterdrückungsmaßnahmen, die einer der wichtigsten Handelspartner der Bundesrepublik Deutschland  seit Jahrzehnten gegen die muslimische Minderheit der Uiguren ergreift, fraglich.

Es ist auch generell die Frage, ob  uns nicht das Pulverfass "Naher Osten" einschließlich Arabien mit seinen vielen Brandlöchern und Kriegstreibern irgendwann als neuer Weltkrieg um die Ohren fliegt.

Also Sorry, wenn ich dankbar die vergangenen 70 Jahre Frieden hier ohne Gewissenbisse genossen habe. Und vielleicht bleibt uns ja das "bisschen Frieden" noch eine Zeit lang erhalten. Viel tun, dass es so bleibt, können wir Alten sowieso nicht mehr...

Freitag, 22. November 2019

Aus Mangel an Moral

Alles ist schlechter geworden, nur eines ist besser geworden, die Moral ist schlechter geworden.
Billy Wilder Quelle: Wiki.org


Diese Volksweisheit ist eine Verkürzung des Aphorismus von Billy Wilder (1906 bis 2002), der so köstliche Filme wie "Manche mögens heiß" gemacht hat. Auch lustig in seiner Version, aber natürlich Unsinn. Denn moralische Standards sind leider nicht fest geschrieben, sondern verändern sich immer wieder unter dem Einfluss der Mächtigen.

Bestes Beispiel: "Die Zehn Gebote". Hielte sich jeder an sie, bräuchte es im Prinzip ja keine Erlösung von dem Übel. Eine schlechter werdende Moral kann daher nur im Denken und Handeln eines Individuums zur Wirkung kommen. Wenn aber die Moral so aussieht, dass alles bei Reue von einer höheren Macht vergeben wird, kann es in den Hirnen Religion praktizierender Menschen (gemerkt wie ich der Geschlechter-Zuordnung ausgewichen bin?) zu dem Kurzschluss kommen, dass Schützlinge ruhig sexuell missbraucht werden können. Die Staatsmacht zudem kann in Form von Todesstrafen oder kriegerischen Handlungen ohne weiteres gegen das Prinzip "du sollst nicht töten" verstoßen und dabei die jeweils infrage kommende Gottheit anrufen. Jüngst glauben das ja die Jünger Allahs immer stärker, dass ihr Islam - von seiner Niederschrift in den Suren eigentlich eher friedlich ausgelegt - allein nur mit Gewalt unter die Völker gebracht werden kann.

Au weia! Aber da gibt es Suniten, Shiiten, Hamiten, Taliban, Mudjaheddin und Salafisten, und sie alle legen den Koran derart unterschiedlich aus, dass sie das zum Anlass nehmen, sich gegenseitig die Köpfe abzuschlagen. Wenn wir in die jüngste Geschichte der Menschen-Schlachterei eindringen, dann lässt sich das auf eine Essenz zurück führen: Erdöl.

Mein dennoch geschätzter Kollege und Ski-Kamerad Hansi Tross - damals Chefredakteur des ultrarechten "Münchner Merkur" und Paladin von Franz Josef Strauß  -schrieb am 27. Juni 1979 angesichts der ersten Rohstoff-Verknappung und daraus folgender Fahrverbote einen Leitartikel, in dem er schwarz auf weiß formulierte, die Supermächte sollten alle Ölfelder des nahen Osten gewaltsam besetzen. Historisch faktisch betrachtet war das natürlich ein undenkbarer Gedanke - vor allem in der sozial-liberal regierten Bundesrepublik, aber angesichts seiner Predigten zu einem "Islamischen Staat" und der gegenterroristischen Machtübernahme des Ayatollah Khomeini wurde im Januar 1979 bereits der Keim für die unendliche Greul in den Wüstenboden gepflanzt.
Obwohl der US-Geheimdienst genau wusste, was
der Ayatollah vorhatte, ließ man
den Ur-Feind zurück nach Teheran
Quelle: The Gurdian 

Der Hansi war halt ein recht aufrechter Rechter. Hätte er seherischer und philosophischer geschrieben und weniger mit dem Säbel gerasselt,  und wäre der "Kalte Krieg" eher beendet worden - wer weiß, ob seine Idee nicht Fuß gefasst hätte?...

So kam es in der Folge zunächst zum  unvorstellbar brutalen Bruderkrieg Iran-Irak, bei dem der Ayatollah sogar Knaben in die Fronten schickte, um Minen für die nachrückende Infantrie loszutreten. Die USA stand dabei wegen der Geschäfts-Interessen der Bush-Family ( siehe auch Michael Moore-Doku) zunächst Saddam Hussein bei, um ihm dann nach drei weiteren Öl-Kriegen den Garaus zu machen: "Mission accomplished!?"

Nein! Seit dem 9. November 2001 mutierte unser Planet zum Schlachtfeld des islamischen Terrorismus. Die Errungenschaften der EU, die Auflösung der Blöcke - alles fiel diesem Vielfronten-Krieg zum Opfer. Letztlich auch die politische Moral - sofern es die jemals gegeben hätte.

Nicht enden wollende Flüchtlingsströme
Quelle: Wikipedia.org
Fremdenfeindlichkeit angesichts der anhaltenden Flüchtlingsströme, Abschottungs-Nationalismus und Separatismus traten gegen Vereinigungs-Humanismus an. Die One-World-Idea war auch von zwei libreraleren US-Präsidenten und einer deutschen Allzeit-Kanzlerin offenbar nicht  mehr zu retten. Seit im weißen Haus dieser Redneck-Rüpel sein verbalinjurisches Zepter schwingt, denken auch andere Staatsmänner, sie könnten in dieser Manier aufeinander einpöbeln. Moral ist nun das, was jene - aus welchen Gründen auch immer - fadenscheinig vorgeben.

Kein Wunder also, dass nun auch unsere sozialen Gefüge zunehmend unmoralisch werden.


Und die Moral von der Geschicht'? Moral - die gibt es eigentlich nicht!

Mittwoch, 20. November 2019

Geister googeln

Das wohl berühmteste Albtraum-Bild
hat Johann Heinrich Füssli gemalt:
Nachtmahr 1802 Quelle: Wikipedia
Lange Zeit habe ich aus therapeutischen Gründen die Träume aufgeschrieben. Das waren zum Teil bizarre Texte, die ich für später gerne gehabt hätte. Aber der Analytiker rückte sie auch nicht heraus, selbst nachdem ich mich fast mit Gewalt von ihm gelöst hatte. Für Träume gibt es kein Urheberrecht, das lernte ich daraus, und in den 1980eren gab es ja keine Smartphones, mit denen man das Geschriebene für sich hätte sichern können.

Aber vielleicht ist das ganz gut so, denn trotz meiner seelischen Verkorkstheit habe ich es ja irgenwie über die Runden geschafft. Und wer weiß: Die alten Träume zu lesen, verursacht vielleicht einen Rücksturz in finstere Zeiten. Natürlich habe ich versucht, die bizarrsten der Träume zu malen. Aber an die bedrohliche Farbigkeit und deren sphärische Stimmung reichten meine Fähigkeiten nicht heran. Ausgerechnet mein langjähriger Artdirector, der überhaupt nichts von meinen Bildern hielt, sicherte sich einen Menschen-Strudel, in dem nackte Menschen verschwanden, die körperlich Ähnlichkeiten mit den Opfern auf Hieronymus Boschs Weltgerichts-Triptychon hatten.
http://www.akademiegalerie.at/de/Sammlung/Das%20Weltgerichts-%20triptychon%20von%20Hieronymus%20Bosch/mehr%20zum%20Altar

Nur eines meiner Albtraum-Bilder
hat überlebt:  L'Absinthe 1986
Oil on Canvas
Das aktuelle Erinnern an Träume hat mich selbst heute nicht verlassen, da ich im Stakkato und rasender Geschwindigkeit von ihnen heimgesucht werde. Immerhin versuche ich nicht mehr, mir über ihre Ursachen und Hintergründe klar zu werden. Aber es bleibt jedes Mal etwas hängen, das mich nach dem Aufstehen nicht nur beschäftigt, sondern regelrecht umtreibt. So unsinnig das ist.

Ein paar Tage im Sommer - ich schrieb schon drüber - suchten mich Refrains von grausigen Deutschen Schlagern heim. Jetzt mit dem schwindenden Licht sind es Orte mit komplizierten Namen oder Menschen mit Einfluss, die ich vor langer Zeit traf. Was gewissermaßen Sehnsucht aber nicht Wehmut erzeugt.

Leserinnen und Lesern, denen es vielleicht genauso geht, kann ich nur empfehlen, sich an den Computer zu setzen und Bruchstücke der Träume begrifflich in die Suchmaschine einzugeben. Das bringt mitunter nicht nur Klarheit, sondern macht Zusammenhänge bei längst Vergessenem deutlich. - Selbst wenn mit den Jahren das Langzeit-Gedächtnis besser funktioniert als das Erinnern an Dinge, die erst vor kurzem geschehen sind... Ich lasse mich dann auf eine regelrechte Geister-Suche ein, die mich immer mehr in ihren Bann zieht und - wie heute - den ganzen Vormittag dauern kann.

Mary Shelley und ihr Monster im Mondschein
Quelle: womenyoushouldknow.net
1816 hatte die 19jährige Mary Shelley nach einer Absinth-Orgie einen Albtraum, dem das Monster aller literarischen Monster entsprang: Frankenstein.

So weit kommt es hoffentlich bei mir nicht. (siehe mein Gemälde oben). Und wenn, werde ich dann solchen  Posts den Satz vorausschicken, den ich einmal in der Horror-Abteilung einer Londoner Buchhandlung über den Regalen gelesen habe;
Remember and beware that you read those Stories at your own risk!
Denkt daran und seid gefasst, dass ihr diese Geschichten auf eigenes Risiko lest!

Montag, 18. November 2019

Freiheit - wie er sie meint

Eine echte Wohltat war das heute früh. Mal keine Headline über Donald Trump auf den Nachrichten-Portalen. Seit Tagen denke ich mir, dass Druck auch nicht mehr das ist, was Physik und Psychologie hergeben. Da muss vielleicht eine neue Definition her. Denn wie kann es sein, dass in den letzten drei Wochen kaum eine Meldung formuliert wurde, die nicht fand, dass sich der Druck auf den Amerikanischen Präsidenten weiter erhöht hat.

Bei soviel Druck müsste der kupferfarbene Redneck doch langsam mal Wirkung zeigen...
Tut er aber nicht. Sein Name kann ja auch Furz bedeuten, was eventuell  ein Hinweis darauf ist, dass ihm so gut wie alles am Arsch vorbei geht. Was an Druck überhaupt bei ihm ankommt, furzt er gewissermaßen wie ein Überdruck-Ventil gleich wieder raus, und dabei hilft dem Aalglatten Twitter.
Hat einen ganz eigenen Antrieb,
um zum Höhenflug
anzusetzen:
Von mir veränderter ClipArt-Cartoon

Muss man sich nun vorstellen,  dass POTUS selbst mit flinken Daumen seinen Unflat ins Netz sendet? Nein, da hilft ihm schon seine willfährige Entourage. Denn multitasking ist er nicht. Und er hat ja auch behauptet, er habe gar keine Zeit, sich die öffentlichen Übertragungen der Anhörungen anzusehen.

Typisches Beispiel für seine Lügen-Taktik:
Synchron mit der Aussage der früheren US-Botschafterin in der Ukraine  twittert er - dabei sogar das Podium störend - was die für eine unfähige Person sei. Doch der Lebenslauf der Karriere-Diplomatin Marie Yovanovitch spricht eindeutig gegen die fadenscheinigen Gründe, mit denen sie Trump von ihrem Posten abberufen hat. Unde es hat ja mittlerweile fast etwas von einer Belobigung, von Trump gefeuert zu werden...Als Journalisten ihn wenig später auf diese Diskrepanz und den einmaligen Tabu-Bruch, bei der Anhörung ansprechen, konterte er zynisch: Auch ein Präsident habe eben das Recht auf eine freie Meinungsäußerung.

pixabay-pinocchio
Lügen, Verunglimpfung, Täuschung, falsche Anschuldigungen und sogar persönliche Beleidigungen gegenüber jedem, der nicht seiner Meinung ist, das ist die Freiheit, die sich dieser Präsident wie keiner seiner Vorgänger nimmt. Und er kommt damit durch, weil die einstige "silent Majority" netzfit längst ihre eigene Rüpelhaftigkeit bestätigend bei dem von ihr gewählten Präsidenten widergespiegelt sieht.

Wo der im vergleich harmlose, fiktive Präsident Frank Underwood aus der Streaming-Serie "House of Cards" komplizierte Ränke schmieden musste, wird Donald Trump in seiner Rolle als "Raging Bull" nicht nur die aussichtslosen, ihnen selbst eher schadenden Impeachment-Versuche der Demokraten weg boxen, sondern auch seine Wiederwahl schaffen. Notfalls eben wieder als Manipulator.

Freitag, 15. November 2019

Visavis

Gestern fragte mich mein Freund Franz, wo ich denn immer die Steine finde, um sie aus dem Glashaus zu werfen. Der vielfach ausgezeichnete Kameramann, der mit den Größten der Deutschen Filmbranche drehte, dürfte mit seinen 87 Jahren der wohl älteste - mir bekannte - Leser meiner Blogs sein.

Ich gestand ihm, dass ich gewissermaßen über sie stolpere - im physischen wie im übertragenen Sinne. Ich müsse nur aufpassen, dass sie nicht zu groß seien, damit sie nicht wirklich Schaden anrichten. Oft sei es auch so, dass ich durch die Gegend trottele und überhaupt keinen fände, was zu großer Seelen-Verstopfung führe...

So war es mal wieder vorgestern Abend. Meine Frau war früh zu Bett gegangen, weil sie ihre innere Uhr immer noch nicht auf die Winterzeit eingestellt hat. Ich saß hinter der Panorama-Scheibe des abgedunkelten Wohnzimmers und dachte darüber nach, dass so eine Glashaus-Fassaden-Gestaltung eigentlich dem klassischen Voyeurismus enorm Vorschub leiste. Als hätte der moderne Mensch nicht schon genug Gelegenheit zum neugierig Beobachten. Jetzt gibt es sogar schon einen "Hashtag: #Gaffen geht gar nicht!" Weil Polizei, Feuerwehr und Notärzte es immer schwerer haben, wegen der sich stauenden Schaulustigen rettend zu den Opfern vorzudringen.

Es ist eine der Ursünden, dass der homo sapiens seine neugierigen Augen nicht vom Tun anderer abwenden kann.  Bei panem et circenses in den antiken Arenen war das öffentliche  Gladiatoren-Schlachten sogar ein gezieltes Politikum. Der Begriff "Schlachtenbummler" wurde ja auch nicht erst für den Sport erfunden, sondern bezeichnete hochgestellte Herrschaften, die mit Entourage zur Belustigung dorthin fuhren, wo Heere einst diszipliniert in "Block-Abfertigung" hin geschlachtet wurden. Sogar im später ausufernden amerikanischen Civil-War war das noch der Fall.

Da könnten wir in der Jetztzeit leicht auf den Gedanken kommen, dass in die Fenster anderer zu gucken, schon eher eine lässliche Sünde sei.:
Da unsere Wohnung über den meisten anderen in der Nachbarschaft liegt, verzichten wir seit einigen Jahren auf Vorhänge. In unserem Alter und mit unseren verlotterten Körpern sind wir ganz sicher kein Anreiz mehr für voyeuristische Verrenkungen. Aus unseren Fenstern ist es jedoch genau umgekehrt. Wir bekommen das Leben der anderen gewissermaßen beim entspannten Sitzen aufgedrängt. Da fällt es schwer, weg zu schauen. Meine Frau weiß genau, wo Umzüge stattfinden, renoviert wird oder Kinder auf die Welt kommen. Sie registriert aber auch jede soziale Veränderung, weil sie ja den Rundum-Blick hat.

Ich starre nur nächtens auf die Luxus sanierten Wohnungen gegenüber. Visavis wohnen nun viele gut verdienende Singles in Appartements, die ihnen womöglich der Arbeitgeber zur Verfügung stellt. Der Umgang mit den vier Wänden ist bei denen viel rücksichtsvoller als der der Bewohner früher. Wer nicht vom Rauchen lassen kann, geht auf seinen Balkon hinaus, der durch Schiebe-Scheiben auch als Wintergarten dienen könnte. Jetzt an den langen Abenden sehe ich also gegenüber permanent aus der Dunkelheit rote Punkte aufglimmen.

Allerdings hat auch bei Tageslicht ein Bewohner meine besondere Aufmerksamkeit erregt. Ein rundlicher, kleiner Herr, vielleicht Endfünfziger mit Halbglatze vollführt sein Kettenrauchen mit mechanischer Präzision. Deshalb habe ich ihn Dampf-Lok getauft.

Ich selbst habe mal nicht zu wenig geraucht, konnte aber auf Kommando sofort damit aufhören. Als die Rauchverbote um sich griffen, musste ich daher nicht leiden. Deshalb konnte ich schon bald all diejenigen nicht mehr verstehen, die sogar bei Eiseskälte und Schneefall die Gemütlichkeit eines Restaurants verließen.  -  Um sich dann anschließend  - umhüllt mit dem ekelhaften Geruch kalten Rauches - wieder an den Tisch zu setzten.
Macht es Sinn, den Wolken nachzuschauen,
die man selbst erzeugt?
verfälschtes Foto: t-online

Dampf-Lok würde bei seinem Rhythmus vermutlich lieber auf das Essen verzichten: Sein Bewegungsablauf ist komplett getaktet. Er betritt den Balkon, greift mit der Rechten in die Brusttasche mit den Zigaretten, holt mit der Linken das Feuerzeug aus der Hosentasche und zündet sie an. Dann kauert er sich mit breit gewinkelten Ellenbogen auf die Balustrade vom Balkon und zieht im Abstand der Zeit, die er für den Blick straßauf und straßab braucht, an seinem Glimm-
Stängel. Nach genau sieben tiefen Zügen drückt er ihn aus und verschwindet in seinem Zimmer. Nach noch nicht einmal zehn Minuten ist er wieder draußen. An Wochenenden mit mäßigem Wetter hält er das ohne merkliche Essens-Pause derart gnadenlos durch, dass ich ihm gerne von meinen Infarkten rüber schreien möchte.

Aber das wäre ja wohl das Ende der Privacy...

Mittwoch, 13. November 2019

Dicht an dicht

Einbringung der Kleinodien 1424 von Paul Ritter 1883
Quelle: Nürnberger Museen
"Stadtluft macht frei nach Jahr und Tag."
Nach diesem Rechts-Prinzip konnten Leibeigene und ihre Angehörigen ab dem 11. Jahrhundert der Sklaverei entkommen - wenn es ihnen gelang, hinter die Mauern freier Reichsstädte zu gelangen.  Wer dort ein Jahr verbrachte, ohne auffällig zu werden, war dann vor dem Zugriff seiner einstigen Herren nach Gesetz gefeit und ein freier Mann. Auch Straftäter, die aufgrund des Banns oder der Acht, die nur durch König oder Kaiser verhängt werden konnten, also als vogelfrei galten, hatten guten Grund in dem Gewusel der mittelalterlichen Städte unterzutauchen.  Wohl zu dieser Zeit wurde daher auch der Beruf des Kopfgeld-Jägers erfunden. Denn ausgebeutete Gratis-Arbeitskräfte, die sich womöglich durch Geburten auch noch selbst reproduzierten, lohnten den Aufwand sie zu jagen und aufzustöbern...

In die Stadt zu fliehen, machte also Sinn; für die Betroffenen aber auch für die Städte. Denn je mehr Einwohner, desto mehr wuchs auch ihr BSP und damit  ihre Wehrhaftigkeit als Machtfaktor. Das gilt auch heute noch: Wer die Städte hat, hat die Macht. Und die Mächtigen waren schlau genug, auf Wachstum außerhalb der Enge innerhalb der Stadtmauern zu setzen. Sie erwarben Ländereien jenseits der sogenannten Bannmeile. Wissend, dass sie sich bei dem enormen Zuzug und der bald anhaltenden Landflucht im Wert vervielfachen würden. Am französischen banlieu lässt sich ablesen, wie die Bannmeile sinngemäß zu Randgebiet und in der Gegenwart zu "Vorort" wurde.

Mit der verfeinerten Kriegstechnik und dann mit der Industrialisierung wurden Stadtmauern nicht nur überflüssig, sondern es dauerte auch seine Zeit, bis die nicht zerstörten zu romantisierten Schmuckstücken in den Innenstädten wurden. Dass die Industrie an den Stadtrand zog, entlastete aber die Innenstädte nicht lange, denn beim permanenten Wirtschaftswachstum mussten natürlich auch die Leute möglichst nah angesiedelt werden, die es befeuerten. Zerstörerische Flieger-Bomben sorgten da kaum für eine Zäsur in der Entwicklung von städtischen Strukturen.

Münchner Altstadt aus der Luft
Quelle: luftbild.de
siehe auch die Links
 am Ende des Textes
Am Beispiel München ist das aus der Luft gut nach zu vollziehen. Da wurde zwar früh mit der Umsiedlung der Betriebe in Randlagen begonnen, aber die Planung wurde vom wachsenden Bedarf nach Wohnraum schier eingeschlossen. Wo Siemens einst Werkswohnungen errichtete, sind südlich drumherum heute Luxus-Lagen entstanden. Im Nordosten hingegen breiteten sich sogenannte Arbeiter-Stadtteile aus, die besser Wohnende diskriminierend als "Glasscherben-Viertel" stigmatisierten. Die kleinbürgerlichen Wohnquartiere in Innenstadt-Nähe fallen nun Stadtteil um Stadtteil dem Phänomen der "Gentrifizierung" anheim. Einstige Mietwohnungen werden "upmarket" gemacht und an vorwiegend auch ausheimische Investoren zu Phantasie-Preisen verschachert. Dadurch werden die Mieten für ortsansässige Normal-Verdiener immer unerschwinglicher.

Immobilien-Fuzzis reiben sich die Hände bis sie schmerzen und setzten bereits auf "tokioter" Verhältnisse. Münchner "Stadtluft" macht längst nicht mehr frei. Das ist an dem Feinstaub abzulesen, der sich absetzt, wenn einer hier nur kurz die Fenster öffnet. Dennoch ist vor kurzem im "Glashaus" eine Gewerbe-Immobilie zu einem Appartement umgestaltet worden, das sofort zu einem Preis gekauft wurde, für den man vor ein paar Jahren noch eine Villa in den grünen Vororten erstanden hätte... In der über 100 Quadratmeter großen Wohnung wohnt nun eine Studien-Anfängerin; die Tochter der neuen Eigentümer aus dem Norden.

Was wollen die alle hier? In der mit 4668/qukm Einwohnern am dichtesten besiedelten Gemeinde der Bundesrepublik?

Es wird so lange weiter boomen, bis die Stadt wirklich an ihre Grenzen stößt oder der Markt komplett kolabiert.

Auf den kleinen Flieger links oben am Stadtplan für die aktuellen Luftbilder klicken:
 http://www.muenchen.de/rathaus/stadtplan.html

oder gleich 75 Jahre München aus der Luft
https://www.br.de/nachricht/thementag/landesluftbildarchiv-zeitreihen-100.html

Montag, 11. November 2019

Nur - ein paar Einwürfe des Einheits-Muffels

Vermutlich gehörte ich in den vergangenen Tagen eher zu einer Minderheit von TV-Zusehern die beim Weg-Zappen von dem ganzen Mauerfall-Gedöns einen wunden Daumen bekommen haben. Vom Tatort bis zu Herz-Kino - kein Sender wollte offenbar auf das Thematisieren der alten Ost-West-Vergangenheit verzichten. Selbst übergreifende "Sokos" aus Wien und Leipzig mussten in DDR-Schurkereien ermitteln,. Ganz zu schweigen von den neuen Ermittlern im Erzgebirge. Jah geht's noch? Und dann als Krönung noch die Gala am Brandenburger Tor! Vom Ton schlecht erfasst und von Moderatoren zu Tode gequatscht. Ich bin wirklich ein großer Fan von den vielfältigen Talenten der Anna Loos. Aber musste sie als Spät-Teenie tatsächlich zu mäßigen Songs als Springteufelchen vor dem Millionen-Publikum herumhüpfen? Das stand natürlich im krassen Gegensatz zu dem hebräischen Spruch der dazu irreführend live eingeblendet wurde: "Schluss mit der Besatzung!"

Immerhin lenkte dieser Fauxpas im Jubeltaumel auch noch einmal zusätzlich auf ein mindestens genauso einschneidendes Ereignis Deutscher Horrorgeschichte. Denn den 30 Jahren Mauerfall stehen ja auch die nun 71 Jahre des November-Progroms entgegen, die von Zynikern immer noch "Reichskristallnacht genannt" wird: Die Nacht vom 10. November 1938.

In diesem Zusammenhang stellt sich mir doch die Frage, ob die Einheit wirklich nur Grund zum Feiern bietet?

Nur - weil die DDR sich antifaschistisch gab, und so tat, als hätten ihre Deutschen nichts mit den Nazis zu tun gehabt, wurde auch dort der böse Keim eben nicht erstickt. Sonst hätten die Nazi-Opas aus dem Westen mit ihren blauäugigen Adepten und strammen Altblond-Nymphen doch nicht soviel Erfolg im Osten. Soviel Erfolg, der die regierenden Altparteien ja jetzt schon ganz wuschig macht.

Nur - weil Helmut Kohl "blühende Landschaften" versprochen hat, darf  doch nicht übersehen werden, dass er im Taumel seineer Eitelkeiten den Startschuss für den Ausverkauf der "volkseigenen" Industrie, der Unternehmertums und des Wissenschaft gegeben hat. Das Blühende sind alenfalls spekulativ gehübschte Dioramen historischer Innenstädte, zwischen denen aber Plattenbauten vor sich hin bröckeln und ganze Landstriche veröden.

Nur - weil sich die westdeutschen Sportverbände reichlich beim hoch dekorierten und hoch gedopten DDR-Trainer- und -Athleten-Buffet bedienten, konnte der BRD-Sport zu den "Siegermächten" aufschließen. Und auch weil der alte Missbrauch nur geahndet wurde, wenn ehemalige Sieg-Athleten diese Methoden mit Belegen anprangerten. Dann allerdings war die Empörung groß!

Nur - weil wir seit drei Jahrzehnten wiedervereint sind, heißt das nicht, dass Einheit erreicht ist, Das zeigen die jüngsten Umfragen, die sich erschreckend "undankbar" zeigen.

Nur - weil das gesamte Deutsche Volk dank Solis und brachialen Subventionen aber auch durch Fleiß und geschicktes Handeln diese unglaubliche volkswirtschaftliche Leistung gestemmt hat und sich damit Führungsansprüche in der EU gesichert hat, heißt das nicht, dass wir von Europa durch unsere ewigen Anmahnungen auch geliebt werden,

Wohlgemerkt: Ich habe beim Mauerfall genauso geheult wie die meisten. Ich finde, dass die Wiedervereinigung uns großartig gelungen ist. Aber ob die Freiheit, die die DDR-Generationen damals erwartet haben, dauerhaft Bestand hat, können nur die Jungen bestimmen, indem sie der AfD nicht auf den Leim gehen...

Freitag, 8. November 2019

Verleihung der "Goldenen Teflon-Weste" 2019

Oft habe ich mich in meinem Leben gefragt, wie ich falsche Anschuldigungen, Gefangenschaft, Folter und Beraubung meiner Selbstachtung gegebenen Falles überstehen würde? Da ich ein Weich-Ei bin, weiß ich nur zu gut, dass ich ziemlich schnell zusammen bräche. Zwar kann ich Schmerzen und Entbehrungen halbwegs verkraften, aber bei Willkür und Ungerechtigkeit würde mich meine ungezügelte Wut direkt noch tiefer in die ausweglose Hilflosigkeit treiben. Da bin ich froh, dass mir solche Situationen - obwohl ich ein paar mal nah dran war - erspart blieben.

Vor ein paar Tagen nun ist der türkische Schriftsteller und Journalist Ahmet Altan, der wegen angeblicher Unterstützung des Terrorismus in der Türkei zu zehn Jahren verknackt worden ist, nach drei Jahren Gefängnis unter merkwürdigen Umständen frei gekommen. Es wurden Haft-Entschädigungen gezahlt. Das Urteil jedoch wurde aber nicht aufgehoben. Als er im ersten Interview nach seiner Entlassung gefragt wurde, wie er mit all dem klar gekommen sei, antwortete er glaubhaft, dass jegliche Maßnahme, ihn zu beugen, an ihm abgeglitten sei, wie bei einer Teflon-Pfanne.

Da hat es in meinem zunehmend mit Unsinn gefüllten Hirn knack gemacht. Bei den meisten Menschen, die einer vom Staat getragenen, juristischen Willkür ausgesetzt sind, bleiben für den Rest ihres Lebens mit Sicherheit posttraumatische Schäden zurück. Weil eben mit noch mehr Teflon beschichtete, alle humanistischen Regeln missachtende Macht-Politiker sich um das Schicksal des Volkes kaum sorgen und  um das des Individuums schon gar nicht kümmern. Sie verfolgen unbeirrt ihre eigenen egomanischen Ziele. Das war in der Geschichte leider schon immer so.

Was es aber bislang nicht gab, ist eine Auszeichnung für Tyrannen, eine Anerkennung ihrer inhumanen Skrupellosigkeit. Das möchte ich hier und heute ändern.
Sie soll von jetzt an
alljährlich für besonders
rüpelhafte Machtpolitik in Einheit
mit Menschenverachtung,
Kriegstreiberei und
Korruptheit an diejenigen Spitzenpolitiker
vergeben werden, die mit Erfolg
demokratische Spielregeln
aushebeln und sich dadurch
selbst erhöhen.
Doch Vorsicht! Die Weste
ist zwar glitschig und glatt,
aber sie ist nicht kugelsicher...

Gegen Ende eines Jahres werden ja allenthalben  Preise en masse verliehen. Da muss meiner Ansicht  nach endlich auch eine Anerkennung für diejenigen her, die den Weltfrieden permanent stören und unser scheinbar viel zu ruhiges Leben mit Angst und Schrecken erfüllen...

Hier ist sie in Form:                           

                    Der Goldenen Teflon-Weste




Und hier folgt nun auch 

gleich die "Short-List" der

Kandidaten 2019 

in alphabetischer Reihenfolge:

al-Assad, Baschar, Diktator Syriens

Bombt Jahrtausende Kultur und sein eigenes Volk mit Unterstützung der Russen in Schutt und Asche, um wieder einmal in der traurigen Geschichte Syriens einer korrupten Klicke die Macht zu erhalten.
Über die scheinbare Bekämpfung des Popanzes "Islamischer Staat", mit dem er allein nicht fertig wurde, riskiert er den Weltenbrand aus niederen, Menschen verachtenden Motiven.
Obendrein ist er ein Feigling, der sich erst wieder in der Öffentlichkeit sehen ließ, als die Russen und Amis die Drecksarbeit für ihn erledigt hatten. Er braucht mehr als eine Teflon-Weste, eher eine goldene Bomben-Schürze,

Möglicher Laudator - wenn auch aus dem Jenseits: Saddam Hussein.

Jair Messias Bolsonaro, Staatspräsident Brasiliens

Lügt und Twittert wie Trump und überlässt die "Lunge der Welt" den Viehzüchtern und Farmern, die den Urwald durch Brandrodungen dezimieren. Verunglimpft die eigenen Wissenschaftler und ihre Warnungen vor der Umwelt-Katastrophe. Alles andere als ein "Messias".

Mögliche Laudatoren: Die "Waldwächter" vom Amazonas, von denen gerade einer der prominenten Vertreter umgebracht wurde...








Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei

Alle, die nicht seiner Meinung sind, werden als Terroristen von seiner gleichgeschalteten Justiz verfolgt. Ließ Angela Merkel wie eine Puppe tanzen und pfeift als Bündnispartner auf die NATO. Im Gegenteil: 
Riskierte durch die Annexion von Teilen Syriens einen Konflikt zwischen  den schwächelnden Supermächten. Mit seiner pro-islamischen Politik verstößt er gegen den seit Ata Türk verfassungsmäßigen Laizismus.

Möglicher Laudator per Video aus seinem US-Exil : Fethulla Gülen.

Boris Johnson, Premier des noch Vereinigten Königreichs

Ist seitdem er als Bürgermeister von London Gastgeber der Olympischen Spiele war gold- und geltungssüchtig. Belügt Parlament und seine Königin über die Motive für sein Europa-Bashing und seine persönlichen Brexit-Vorteile. Wird von Donald Trump gelobt, was ihn ja allein schon zum Kandidaten für die Teflon-Weste macht,
Lebte Edgar Wallace noch, gäbe es  bestimmt einen Krimi mit dem Titel "Neues vom Trickser"...

Mögliche Laudatorin: Vorgängerin Theresa May.







Wladimir Wladimirowitsch Putin, alias Zar Wladimir I

Aus Mütterchen Russland macht er Vater Kreml. Mit milder Miene machtbesessen, streut er überall auf der Welt Propaganda-Sand ins Getriebe. Steckt vermutlich nicht nur hinter dem Brexit-Boom, sondern noch ärger, hat - KGB geschult - Donald Trump in den Präsidenten-Sattel geholfen. Die Annexion der Krim hat ihm genau so wenig geschadet wie der Bürgerkrieg in der Ukraine. Er ist bereits am ganzen Körper mit Teflon beschichtet und bräuchte die Anerkennung durch die Weste nicht, zumal sie ja keine kugelsichere Kevlar-Verbindung aufweist.
Die Russische Revolution, Stalinismus, Tauwetter und Gorbatschow - alles vergebens, denn nun herrscht Zar Wladimir durch Tricksen mit der Verfassung auf Lebenszeit.

Laudator: Michail Gorbatschow, wenn er in seinem Alter nur noch die richtigen Worte fände...



Donald Trump, POTUS

Seit er nur noch Sterne sieht, verändert sein Politik-Stil die Umgangsformen zwischen den souveränen Staaten. Es scheint, zu viele folgen seinem schlechten Beispiel: 
Diplomatie per Twitter. Lügen verbreiten, bis man sie nicht mehr einholen kann. Hire and fire in seiner Administration wie früher in seiner Fernseh-Show. Nichts, auch keine kläglichen Impeachment-Versuche, werden, die Wiederwahl dieses US-Präsidenten verhindern. Teflon braucht der nicht, denn er hat das Tarnkappen-Trumplon erfunden.

Beste Laudatorin: Hillary Clinton.





Mittwoch, 6. November 2019

Über das Können

Ach was wurde nicht von großen Denkern über das Können schwadroniert:
Johan Nestroy meinte: Kunst kommt von Können, und wenn man's kann, ist's keine Kunst mehr!
Dem widersprach Friedrich Nietzsche später. Der Philosoph, dessen Aphorismen ich ansonsten gerne folge, irrte meiner Ansicht nach unmenschlich, indem er Nestroys Gedanken in  etwas verächtlicher Form verkürzte: Kunst kommt von Können. Käme es von Wollen, hieße es Wulst.
Das "Stoßgebet" älterer Männer hört man ja Dank Viagra nicht mehr so häufig: Herr, Du hast mir das Können genommen, nun nimm mir bitte auch das Wollen!

Ich bin eher der Meinung, dass Können all das ist, was der Mensch erreicht, wenn er es probiert.
Das impliziert aber nicht, dass der Mensch - nur weil er es kann - auch alles tun sollte.

Vielleicht glaubt mir das keiner, aber ich habe mit dem Malen angefangen, weil ich trotz meiner ja beruflich unter Beweis gestellten Fähigkeit zu formulieren, manches nicht in Worte kleiden konnte oder keine Plattform dafür hatte. Jetzt mit meinen Blogs ist das anders. Da kann ich schreiben, malen und publizieren, ohne jemanden groß um Erlaubnis zu fragen. Und das geschieht auch nicht unbedingt aus Eitelkeit, sondern eher nach dem nietzscheschen Grundsatz, etwas für sich selbst zu schaffen, um später einmal daran Gefallen zu finden - oder auch nicht.

Gemessen an großer Kunst mag mein malerisches Nicht-Können Dilettantismus sein, dennoch bleibt es eine Möglichkeit des persönlichen Ausdrucks und meiner mitunter beinahe seherischen Aussagen.
Das Goldene Buch finden,
aber nicht darin lesen können...
2005 Acryl auf Malkarton

Im letzten Post, in dem ich meine Depression thematisiert habe, stellte ich drei meiner Bilder hinzu, die um oder kurz nach der Jahrtausend-Wende (auch in der Betroffenheit um "Nine Eleven") entstanden sind: "Die letzte Frucht am Baum der Erkenntnis" stellt den Umgang mit unserer Welt und ihren Ressourcen schon zu einer Zeit dar, als Greta Thumberg noch gar nicht geboren war, und  auf der Leinwand "Was macht der traurige Fischer am Strand von der Insel der Glückseligkeit?" sollte klar werden, dass sein Beruf dem Untergang entgegen sieht und er wegen der Verschmutzung von Flüssen und Meeren womöglich Vegetarier werden muss...

An der Quelle des Lebens sitzen,
aber nicht aus ihr trinken können...
2006 Aquarell auf Büttenpapier
Das sollte aber außer mir keiner verstehen, denn nur gut drei Dutzend meiner Bilder hängen andernorts bei Freunden und Verwandten. Der Rest hängt zuhause, wo der Platz an den Wänden knapp wird. Deshalb ordne ich die Gemälde jetzt für die Cloud der Blogs, ehe sie später auf dem Müll landen.

Nach dem letzten Post wurde ich gefragt, was denn die "Können"-Serie sei. Das möchte ich mit dem heutigen Post und zwei weiteren Bildern dokumentieren. Besser kann ich es eben nicht, aber der gute Wille sollte für die Aussage sprechen: Mittlerweile ist die Serie auf zwölf gewachsen, aber den Rest erspare ich dem Publikum.

Montag, 4. November 2019

Depperte Depressionen

Der Mann, der literarisch auf Schloss Gripsholm "die Seele baumeln ließ", und uns mit "Panter, Tiger & Co" immergrüne Schmonzetten hinterließ: Kurt Tucholsky beging in seinem schwedischen Exil Selbstmord.
Der literarische Macho-Mann, dessen Roman-Protagonisten meist heldenhaft bis zum letzten Bluttropfen dauereregiert ihr Leben ließen: Ernest Hemingway, der Waffennnarr und Jäger starb sicher nicht beim Reinigen seiner Schrotflinte.
Mein Lieblingsdichter Heinrich Heine erkrankte an Deutschland seelisch derart nachhaltig, dass er seine "Matratzengruft" im Pariser Exil kaum noch verließ.
"Die letzte Frucht am Baum der Erkenntnis" 2001
Oil on Canvas

Dass es zwischen der Schreiberei (auch von Songs) und dem Hang zum Suizid eine enge Verbindung gibt, wäre mir nie in den Sinn gekommen, wenn ich mich in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht einer Versuchsgruppe des Max-Plank-Instituts für Psychiatrie angeschlossen hätte.
Ich litt da derart unter Gemütsschwankungen, dass ich oft keinen Ausweg mehr sah. Dass es als Versuchskaninchen noch viel schlimmer wurde, erahnte ich genauso wenig, wie die dramatischen Auswirkungen, die kaum erprobte Medikamente auf mich haben würde. Aus den "Nirvana-Jahren" - wie ich sie nannte - befreite ich mich nach drei weiteren Jahren Freudscher Einzel-Analyse (Siegmund Freud starb vor  80 Jahren!) durch einen radikalen Rundumschlag. Da war der Frontmann der Grunge-Band "Nirvana" gerade erst 20 geworden. Vielleicht hätte ich durch meine Erfahrungen dem multigenialen Kurt Cobain helfen können. Denn gegen Depressionen hilft eigentlich niemand und auch kein noch so umfangreiches Studium, wenn man sich nicht selbst hilft und freimütig - ohne Ratschläge von anderen anzunehmen - darüber spricht.

Das schien heuer in unserer so dramatisch gespaltenen Gesellschaft endlich erreicht zu sein. Kaum eine namhaftes Magazin, das die Depression nicht thematisierte. Auch das Fernsehen zog nach. Klar wurden Betroffene zitiert, aber kommentiert wurde von "Experten", die garantiert selbst keine Depression zu erleiden hatten.

"Das Goldene Tor sehen, aber nicht hindurch können"
Aus der "Können"-Serie 2010 Acryl auf Malkarton
Überhaupt ist die Depression im Singular schon falsch, weil damit ja auch Weltwirtschaftkrisen betitelt wurden. In der sogenannten "Großen Depression" hatten vermutlich nur diejenigen welche, die sie im bewahrten Wohlstand erlebten. Die direkt Betroffenen:  Arbeiter, Bauern und Handwerker zogen auf Suche nach Verdienstmöglichkeiten durch die Lande. Kleinanleger und ihre Berater zogen den Sprung aus dem Fenster vor. Armut erzeugt selten Depressionen, aber Depressionen können auf dem oft gewählten Weg einer Selbstzerstörung nicht nur in die Armut, sondern auch in die Obdachlosigkeit führen.

Mit einem der "Begleiter" aus dem Max-Plank-Institut spielte ich durch Zufall gelegentlich Squash. Im Privaten sprach er dann nicht als Arzt, sondern als Sportkamerad, der ehrlich gestand, dass gegen das "Hemingway-Syndrom" - wie sie es intern im Institut nannten - kein Kraut gewachsen sei.

"Was macht der traurige Fischer am Strand
von der Insel der Glückseligkeit"
Oil on Canvas 2002
Heute  - als Überlebender - weiß ich, dass es nicht nur eine Depression gibt, sondern bedingt nach Typen und Lebensalter eine Vielzahl von Auslösern. Heute ist es leichter über Depressionen mit Dritten (also nicht behandelnden Ärzten oder Therapeuten) zu sprechen, weil psychische Probleme in unserer Gesellschaft nicht mehr derart stigmatisiert werden, wie noch im ausgehenden vergangenen Jahrhundert. Und! Im Gegensatz zu anderen Krankheiten kann sich der Betroffene tatsächlich darauf verlassen, dass der Zustand sich auch wieder auflöst, wenn er sich auf die Symptome - ohne verschleierndes Verhalten - bewusst einlässt. Der stärkste Katalysator der Depression ist die Angst, sie könne nicht mehr aufhören und die führt unweigerlich in die nächste Krise.

Ich war bestimmt einmal mehr privilegiert. Aber als Chef musste ich die Mitarbeiter in meine "depperte" Depression einweihen, wenn der Laden weiter laufen sollte. In meiner jetzigen Lebenssituation bin ich natürlich noch immer vor Depressionen nicht gefeit.  Aber ich muss eben nicht mehr unbedingt funktionieren, wenn mich der Schmerz übermannt. Ich therapiere mich durchs Schreiben und durch das Malen von Bildern in einem jeweils anderen Stil mit unterschiedlichsten Techniken - auch wenn die vermutlich keiner versteht:
"Full Depression" 2019: Acryl auf Malkarton

Freitag, 1. November 2019

Schnee gegen die Kälte des Todes

Foto: katholisch.de
Als ich als Neunjähriger Träger eines urbayerischen Namens wegen der Versetzung meines Vaters von Hamburg nach München  mitten im damals noch nicht parallel geschalteten Schuljahr umgeschult wurde, ereilte mich in mehrfacher Hinsicht ein Kultur-Schock:

Die Volksschule im überwiegend evangelischen Hamburg war vom Unterricht her eher laizistisch geprägt. Beiläufig wurden ein paar Eckpfeiler der Kirchen-Geschichte angesprochen. Immerhin ging meine agnostische Familie an Weihnachten in die Kirche. Aber das war es dann schon mit dem religiösen Einfluss auf meine Kindheit.

In München gab es dann ohne Vorbereitung morgens ein Schul-Gebet, und die Lehrerin, die Fräulein gerufen wurde, war eine "g'standene" Matrone und verheiratet. Von den Fleißbildchen mit religiösen Motiven, die sie an Brave für gute Noten verteilte, bekam ich nie eines. Dafür musst ich mehrfach nachsitzen, weil ich ihr viel zu schnell sprach. Wurde jemand in die Ecke geschickt, stand der oder die (immerhin war die Klasse gemischt) unter einem Kreuz mit entsetzlich leidendem Jesus. Ich kannte weder die Zehn Gebote, noch wusste ich von etwas, das Beichte hieß.
Die blieb mir allerdings ohnehin erspart, weil die paar "Evangelischen" gesonderten "Religionsunterricht" bei einem Vikar der Gemeinde bekamen. Der wurde später ein bedeutender Kirchen-Politiker und war strenger als der Katechismus. Immerhin schaffte der Mann es, dass er mich bis zur Konfirmation, die er höchstselbst dann schon als Pfarrer an mir zelebrierte, richtig für Religion interessierte. Aber das kann man im Blog "Der Burgschreiber" detailliert nachlesen.

Heute an Allerheiligen geht es ja um die Toten, denen wir traditionell gedenken sollen.
Die ersten toten Menschen, die ich in meinem Leben sah, betrachtete ich schockiert in der Heimat-Gemeinde meiner Großeltern. Dort wurden die Verstorbenen noch in der Aussegnungs-Halle bei offenem Sarg aufgebahrt. Als ein Spielkamerad mich mitnahm war es schon dunkel, und die offenen Särge waren für den unvorbereiteten Knaben, der ich noch war, gespenstisch beleuchtet.

Als sei das eine Initialzündung für das Sterben in unserer Familie gewesen, starben von da an beinahe jedes Jahr  nicht nur die Großeltern sondern auch andere nahe Verwandte. Weil meine Eltern ja diese oberbayerische Marktgemeinde ebenfalls für ihren Alterssitz auserkoren hatten, liegen dort mittlerweile alle engeren Verwandten auf dem zugegeben malerischen Friedhof. Agnostik hin oder her - der "Umgängert" des katholischen Pfarrers, der mit einer Art Klobürste Weihwasser auf die frisch dekorierten Gräber verspritzte, wurde ein strenges Ritual in unserer Familie, auf das meine ehemals katholische Mutter quasi diktatorisch wert legte.

Nach meinem Absturz in den Unglauben konnte ich die kalten Füße durch das Herumstehen auf dem Friedhof damals nur deshalb ertragen, weil oft an Allerheiligen schon genügend Schnee lag, und der Lift am Zielhang zur feierlichen Eröffnung der Skisaison seinen Betrieb aufgenommen hatte...

Da ich eine Frau habe, die in einer Familie praktizierender Katholiken und von den "Englischen Fräulein" erzogen wurde, bin ich noch aus Respekt einige Jahre zu dem Grab ihrer Eltern auf dem Münchner Nordfriedhof mitgegangen. Aber mittlerweile flankiert meinen Lebensweg das Hinscheiden derart vieler wertgeschätzter Begleiter, dass ich Friedhöfe meide und auch auf keine Beerdigung mehr ginge, die nicht die unmittelbare Familie beträfe.

Stattdessen warte ich in dem Gasthof, in dem wir uns danach seit jeher treffen, und erinnere mich kontemplativ über ein, zwei Bier. Schließlich muss ich ja meinen Spruch verifizieren, nachdem ich alle Toten, die mir persönlich etwas bedeutet haben, noch immer in meinem Herzen trage. Was schwülstig ist, weil mein marodes Herz ja mit meinem im Langzeit-Modus noch super funktionierenden Hirn nichts zu tun hat.

Ich fange mit der Tennispartnerin meiner Flegeljahre an, die der Krebs innerhalb von Wochen dahin gerafft hat. Dann kommen nach den Großeltern, vor allen Mitschüler, die sich als Führerschein-Neulinge "derrannt" oder bei diversen Sportarten bewusst oder leichtsinnig ihr Leben riskiert haben.
Als Journalist und Chronist kommt man ja auch oft mit Leuten zusammen, mit denen einen über die Jahre hinaus etwas mehr verbindet als berufliches Interesse. Dazu gehören auch alle meine Förderer und Sportkameraden, denen ich dann gedenke.

Foto:youtube
Mittlerweile sind es nach sieben Jahrzehnten so viele, dass der Agnostiker in mir sich fragt, weshalb der heutige Feiertag nicht gegenständlicher "Allertoten" genannt wird. Die allgemeinen Heiligen sind ja für die meisten Menschen unfassbar, während die Toten ja in den Lebenden auch ohne Grabstein weiter leben, wenn sie es verdient haben... In Mexico heißt das bunte Treiben: La Fiesta de los Muertos. Finde ich irgenwie passender, da weniger traurig!
Wer kennt die Kreuze, nennt die Namen?
In Wind und Wetter verblasst.
Für die, die zum Trauern kamen,
Sind sie auf ewig in Stein gefasst...

Digitally-Your's-Serie von Claus Deutelmoser:
Irischer Friedhof
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