Montag, 15. April 2019

All die schönen Erinnerungen

Mein Vater, der zwei Weltkriege er- und sie mit nur einem Oberschenkel-Durchschuss überlebte, vertrat die These, dass der Mensch generell Traumata überwinden könne. Und zwar weil sein Gehirn so eingerichtet sei, dass Schönes doppelt so intensiv gespeichert werde wie Schlimmes, das ihm wiederführe.
Zu jeder Erinnerung bei den vielen Reisen
gab es mindestens ein Dia, und
mein Vater hielt mit ihnen auch Vorträge

Auch meine Mutter schwelgte gerne in Erinnerungen. Sie verlor dann - nachdem mein Vater gestorben war und sie die  Erlebnisse mit ihm gemeinsam nicht mehr aufrufen konnte - Tag für Tag ihre einst unglaubliche Dynamik. Aber sie hatte alles was ihr das Leben an Schönem bescherte unauslöschlich bis zum buchstäblich letzten Atemzug gespeichert. So schwärmte sie immer noch von einem Weihnachten im Krieg, bei dem mein Vater auf Front-Urlaub für seine kleine Familie (meine zwei Schwestern waren da ja schon geboren) irgendwie einen Weihnachtsbaum besorgt hatte. Der aber war viel zu groß für das auf halbem Weg angemietete Zimmerchen gewesen, in dem sie zusammen feiern wollten. Also wurde der Baum oben und unten gekürzt und hatte eigentlich nur eine Etage, die mit den wenigen Notfall-Kerzen und Folien aus Zigaretten-Packungen geschmückt wurde. Für meine Mutter war die Erinnerung an jene Weihnachten schöner als alle späteren in Gesundheit, Frieden und wieder erworbenem Wohlstand gefeierten.

Es gab in einem Album ein Foto von diesem Baum, der ohne diese Geschichte einen trostlosen, eigentlich lächerlichen Anblick bot.

Reisen mit den Eltern hieß jeden Tag
das Zelt an einem anderen
Ort aufzustellen. Ohne die vielen
Weltklasse-Restaurants, die ich später
besuchen "musste", sähe
meine Figur vielleicht heute noch so aus
Ich schäme mich gelegentlich, weil ich spontan solche prägenden Erinnerungen nicht gewichten könnte. - Wenn ich von der Geburt meiner Kinder und Schlüssel-Momenten in ihren Leben zum erwachsen Werden einmal absehe. Dabei bin ich doch immer schon sentimentaler als mir gut tut.

Wie oft bin ich gefragt worden, welche Reise-Erlebnisse die schönsten Erinnerungen gezeitigt hätten. Ich bin aber nicht in der Lage dazu, weil über diesen Erinnerungen die jeweils ungebremst erlebte Veränderung der Welt lagert.

Gestern fand der Tausendste Formel 1-Grandprix in Shanghai statt. Ausgerechnet in der Stadt, in der ich 1986 als Symbol für Chinas Öffnung zur Welt einen Führerschein machen und mit dem jungen, gleichaltrigen Bürgermeister, der später Erster Vorsitzender wurde, auf Brüderschaft trinken durfte. Damals war Shanghai ein "Dorf" mit historischem Zentrum und auf der Nanking-Road fuhren überwiegend Radfahrer. Heute ist Shanghai Utopia und im Vergleich zu früher nicht mehr wieder zu erkennen.
Die Naking-Road 1986
Foto: Claus Deutelmoser
Der Bulle bei den "Bullen"
zur Führerschein-Prüfung
Foto:Gerold Jung

Tatsächlich sind es die unschuldigen Reise-Erlebnisse der Kindheit, die bei mir als schöne Erinnerungen heute am ehesten präsent sind. Die paar Dramen in meinem Leben sind gemessen an dem, was andere durchmachen oder durchmachen mussten, nicht der Erwähnung wert. Also kann ich die These meines Vaters in  Ermangelung  solcher (dem Schicksal sei Dank) auch nicht recht nachvollziehen.
Nanking-Road 2019
Fußgänger-Zone und
Mega-Shopping-Mall
Foto: Trip Advisor

Wie wird es bei meinem Enkel sein, der in der Ära des Smart-Phones mit all den elektronischen Fotos und Videos zum am besten dokumentierten Familien-Mitglied werden wird? Wird er das Abenteuer des Blätterns im Album überhaupt kennen lernen?

Wieder geht ein München-Aufenthalt mit vielen Veränderungen zu ende. Vermutlich ist es das Alter, das mich zunehmend Veränderungen fürchten, das aber auch die Sehnsucht nach dem Burgberg in Ligurien von Tag zu Tag wachsen lässt...

Es ist daher Zeit für den Blogger, Abstand zu gewinnen und den Oster-Urlaub anzutreten.

So die Macht des Schicksals es will, erhaltet ihr - liebe Leserinnen und Leser - ab dem 6. Mai wieder Briefe von der Burg. Bleibt mir bitte gewogen.

Freitag, 12. April 2019

Wir wollen Whistleblower...

...aber wir wertschätzen sie nicht genug, um sie in Schutz zu nehmen oder auf ihre Enthüllungen entsprechend nachhaltig zu reagieren.

Zugegeben! Nun ist der eitle, sich stets in den Mittelpunkt spielende Julian Assange nicht gerade ein Sympathie-Träger. Aber vielleicht ist ja der aktuelle und der Umgang mit ihm in seiner Vergangenheit  gerade deshalb so exemplarisch. Denn er soll davon ablenken, dass die Jagd nach Whistleblowern nur dazu dient, vom allgemeinen schurkenstaatlichen Verbrechertum abzulenken.

Sitzt einer von den US-Agenten, die Angela Merkels Handy gehackt haben? Hat der Missbrauch von "geleakten" Daten seiner Gegenkandidatin, Hillary Clinton,  Donald Trump an der Wahl zum US-Präsidenten gehindert? Die Täter sind weniger spektakulär:

Blasse, "nerdige" junge Menschen entdecken bei ihrer speziellen Daten-Arbeit, dass an dem Staat, dem sie sich aus Patriotismus verpflichtet haben, nichts Ehrenvolles ist.  In ihm ist etwas faul, weil er auch im Inneren gegen wichtige Prinzipien seiner Verfassung verstößt. Sie wissen - wie Edward Snowden und Chelsea Manning - dass ihr Leben gelaufen ist, wenn sie die Welt auf die Ungeheuerlichkeiten ihres Arbeitgebers aufmerksam machen. Aber sie tun es unter Todesangst dennoch. Aus Geltungsdrang geschah das gewiss nicht.

Aber will die Saubermann-Nation sich wirklich den Bildern stellen, die beweisen, dass sie unter dem Deckmantel "Terror-Bekämpfung" längst Todesurteile vollstreckt? Ohne Verhandlung und Vorlage von Beweisen, aber unter Inkaufnahme sogenannter Kollateralschäden "ziviler" Unbeteiligter!

Aber besser aufhören, die Weltmacht anzuklagen! Im Prinzip kocht ja auch bei anderen Nationen unmittelbar unter der glatten Oberfläche die zynische Gier und Machtfülle des kriminellen Kapitals.

Dass davon die berühmten Schweizer Banken besonders betroffen sein könnten, war nur eine Ahnung bei all dem Gold das in den Nazi-Jahren in ihren Tresoren verschwunden ist.

Als gestern der schmächtige Assange vor den Augen der ganzen Welt der Länge nach von zehn Leuten aus der Londoner Botschaft Ecuadors gezerrt wurde, fand fast lautlos der Prozess gegen einen Anwalt statt. Einem, dem ein Whistleblower die Machenschaften seiner Bank beim massiven Steuerbetrug zum Schaden des Deutschen Fiskus anvertraut hatte. Dass er das "geleakt" hat, führte jetzt zu einer Anklage: Nicht wegen Whistleblowing, sondern wegen des Verrats am ehernen Schweizer Bankgeheimnis.
Das Schweizer Bankgeheimnis
pfeift durch seine Goldzähne auf alles!
Collage:CD

Dass die saubere Schweizer Legislative im Zusammenhang mit den Cum-Ex-Schiebereien der Sarasin Bank sich nicht  dermaßen schämt, dass das "Crusch Alba" aus der Fahne verschwindet. Nein, sie verklagt die Whistleblower wegen Wirstchafts-Spionage.

Nur die Opposition im Deutschen Bundestag sieht darin einen Grund, massive Sanktionen gegen die Schweiz zu verhängen. Und obendrein - wegen der zurück erlangten Steuer-Millionen - den "Delinquenten" das Bundes-Verdienstkreuz zu verleihen.

Ich persönlich rufe auf zum Boykott an Schweizer Armee-Messern  und Schweizer Käse. Als zweiten Schritt behalte ich mir allerdings auch als Diabetiker den Verzicht bei Schweizer Schokolade vor.

Mittwoch, 10. April 2019

Heulsusen

Der mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Professor in unserem Freundeskreis hatte es nicht leicht. Als unsere Kinder klein waren, und etwas war nicht in Ordnung, hieß es  immer gleich: "Ich ruf mal den Ronny an."

Jetzt ist er eremitiert, aber hat immer noch keine Ruhe vor uns, denn die nachrückende Generation konsultiert ihn immer noch zu jeder Tages- und Nachtzeit. Er ist für mich deshalb ein Vorbild an Geduld, Ruhe und Nervenstärke. Allein schon, wenn ich mir vorstelle, welche komplizierten chirurgischen Eingriffe er mit bahnbrechendem Erfolg im Laufe seines Wirkens durchgeführt hat.

Aus Respekt habe ich über meine Problememit ihm nie  gesprochen, aber wenn man sich über 50 Jahre kennt, fällt einem erfahrenen Diagnostiker so einiges am einstigen Sport-Kameraden auf. Jetzt sind wir beide alt. Er aber ist erheblich agiler und abenteuerlustiger als ich.

Neulich bei einem Essen in einem Restaurant mit enormen Lärm-Pegel fragte ich ihn, ob ich vielleicht in eine tiefe psychische Krise hinein rutschte:
"Ich breche beim größten Kitsch in Tränen aus. Ich kann kaum mehr substanziell frei Reden, was eine  Stärke von mir war. Wichtige Dinge, die ich mitteilen will, werden vor lautere Rührseligkeit verschluckt."
"Komisch", antwortet mein Fels in der Brandung, "aber mir geht es ganz genauso. Ich bin froh, dass ich keine Vorlesungen mehr habe oder Vorträge halten muss."
Im Alter schwillt das Meer der
Tränen bei uns Männern
drastisch an.
Illu: CD

Auf meiner anschließenden Suche nach Erklärungen, bin ich zwar fündig geworden, dass das Vergießen von Tränen längst ein Gegenstand weltweiter Forschungen geworden ist, aber an die Heulerei älter werdender Männer hat man sich noch nicht so ultimativ heran gewagt.

Angeblich heulen Deutsche pro Jahr 40 Badewannen voll, was dieses aktuelle Meer an Tränen ja auch nicht erklärt. Frauen heulen 17mal mehr als Männer. Die größten Heulsusen Europas leben in meinem Gastgeber-Land Italien. Deutschland liegt bei beiden Geschlechtern auf Platz 3. Was mich wiederum daran erinnert, dass einer der größten Deutschen Menschen-Schlächter aller Zeiten, nämlich Heinrich Himmler, geschichtlich zur Heulsuse wurde. Als er nämlich an einem Tag, an dem er erwiesener Maßen Tausende in Gaskammern schickte, über den Verlust seines Schäferhundes derart in Tränen ausbrach, dass er nicht zu trösten war.

Dass Tränen nicht die Läuterung bringen, war also schon damals klar. Auch war Himmler da noch nicht so alt. Viel älter - damit ihn die Heulerei vor seinen SS-Schergen gerechtfertigt hätte - wurde er durch seinen Selbstmord mit 45 dann ja auch nicht. Den Verlust von Testosteronen, die beim Mann im hohen Pegel für Tränen-Hemmung sorgen, konnte er also sowieso nicht anführen, weil das als Ursache eben noch nicht  erforscht war.

Tatsache ist heute: Je weniger Testosterone ein Mann im Alter aufweist, desto mehr wird er zur Heulsuse. Da hilft auch kein Viagra.

Also heißt die Devise für uns alte Männer:

Dann heul doch!

Montag, 8. April 2019

Wenn Sonntag Alltag ist

Als wir Kinder am Samstag noch Schule hatten, und unsere Eltern  da noch halbtags arbeiten mussten, war der Sonntag auch bei Familien ohne Kirchgänger etwas besonderes. Noch immer - wenn ich oben im Glashaus die verschiedenen Glocken-Stimmen unseres Viertels zu den 10Uhr-Gottesdiensten im vermischten Vielklang höre, durchrieselt mich ein feierliches Gefühl, das mich als Agnostiker verunsichert.
Die Glocken unserer Pfarrkirche in Aktion
Quelle: Gemeinde-Brief

Gestern habe ich seit langer Zeit wieder einmal besonders über den Sonntag nachgedacht, weil das monatliche Familien-Frühstück bei uns stattfand. Mein Schwiegersohn ist Hindu, und als Koch muss er an den meisten Sonntagen arbeiten, die nur wegen Frau und Kind eine soziale Bedeutung für ihn haben. Die KITA ist ja geschlossen. Meine Tochter hat zum Wieder-Einstieg  in ihren alten Job ein Halbtags-Arrangement getroffen, das ihr als Grafik-Designerin auch "Homeoffice"-Tage einräumt. Als Freelancer heiligt mein Sohn zwar den Sonntag, aber wenn Abgabe-Termine anstehen, arbeitet er auch an Wochen-Enden.

Bis die Kinder kamen, gab es in meinem ersten Berufs-Jahrzehnt auch kaum freie Wochen-Enden, was die junge Beziehung zu meiner Frau nicht arg belastete, weil ihre, zu managenden Läden ja auch Samstags bisweilen ganztags offen hatten.

Mit der Geburt der Kinder allerdings habe ich - außer wenn Reportage-Reisen anstanden - strikte Familien-Arrangements eingehalten. Vor allem weil ich ansonsten ja doch sehr häufig länger fort war. Wenn wir uns gut verstanden, und wir einiges unternahmen, hieß es bei den Kids: "Ach wäre doch immer Sonntag." Mein Enkel ist nun drei, und ich denke, er bekommt langsam eine Zuordnung für Sonntage, aber es ist eben doch noch nur eine Ahnung. In einer gemischt religiösen Familie mit stark agnostischer Ausprägung wird ihm sein  - einer hohen Prediger-Kaste angehörender - Vater beim Schul-Eintritt einiges zu erklären haben.

Das haben wir mit unseren Kindern zwar auch so gehalten, aber auch die freie Wahl im Glauben veranlasste sie zu keiner Konfession.

"Ach wär doch immer Sonntag!" Die kindliche Vorstellung gewinnt in unserem Alter ein anderes Gewicht, denn unser Ruhestand-Leben verläuft nach so festgelegten Ritualen, dass wir oft auf die Zeitung schauen müssen, um uns zu vergegenwärtigen, welchen Tag und welches Datum wir haben.
Was für eine schreckliche Vorstellung, man fragte uns im Rahmen einer Ermittlung, nach einem präzisen Alibi. Oder wir wären kurz weggetreten, und Ärzte fragen uns, welcher Tag denn sei. So etwas passiert, - Fluch oder Segen? - wenn alle Tage Sonntag ist.

Gut, dass es fast nur noch Krimis im Fernsehen gibt. Da weiß man, was man zu sagen hat:
"Ich kann mich wirklich nicht erinnern, aber ich war's nicht. Das müssen Sie mir glauben!

"Ach jetzt fällt es mir wieder ein... Gestern war Sonntag gewesen?!"

Freitag, 5. April 2019

Bewegungen

Wo wäre die Menschheit heute, wenn sich den Ideen Einzelner nicht immer welche angeschlossen hätten, um sie zu einer Bewegung zu machen?

Bewegungen haben die Welt seit den Völkerwanderungen verändert. Manche führten zu Irrwegen, andere brachten uns voran. Das galt vor allem für religiöse Bewegungen, die wie von selbst zu politischen wurden. Revolutionen haben die Welt aber nur kurze Zeit vom Weg abgebracht, um sie dann wieder in alte Verhaltensmuster zurück fallen zu lassen.

Die digitale Kommunikation und die sogenannten sozialen Netzwerke lassen heute schneller denn je überraschende Bewegungen enstehen. Es ist angeraten, die Nachahmer genauso scharf zu beobachten wie die Kritiker, damit aus dem Anliegen Weniger nicht auf einmal auch ein Nachteil Aller wird.

Gerade in der jüngeren Geschichte haben wir dafür Beispiele: Die Gelbwesten-Bewegung in Frankreich war solange für Außenstehende verständlich, wie sie nicht von zerstörerischer Gewalt unterwandert wurde. Die Freitags-Demos in der DDR haben zu ihrem Untergang beigetragen, aber wurden später von der PEGIDA  wieder aufgenommen, um die Gesellschaft, die sich aus dem Untergang des real existiert habenden Sozialismus gebildet hatte, erneut infrage zu stellen. Wir sind das Volk, aber wer ist das Volk - aus einem anderen Winkel betrachtet - wirklich? Darüber sind wir wieder Vereinigten uneins.

Andererseits schafft es eine Petition zur Verbesserung der Lebensbedingungen unserer Bienen, ausgerechnet im Bundesland Bayern, dass die Politik diese Forderungen flugs zur Gesetzesvorlage macht.

Wieso tut sich die Welt da so schwer, das globale Anliegen einer kleinen, vom Asperger-Syndrom betroffenen Schwedin ohne ehrabschneiderische Zweifel zu akzeptieren.

Greta Thunberg in Berlin. Quelle DA-Netz
Ich habe mich in den letzten Tagen gefragt, ob Greta Thunberg mit ihrer Bewegung nicht ein  Jeanne-d'Arc-Schicksal erleiden könnte. Immerhin sägt die 16jährige auch mit ihrer geschliffenen Dialektik in Englisch an den Säulen unserer Industrie-Gesellschaften. Da lässt sich die mehr als berechtigte Forderung nach einer sauberen Welt für kommende Generationen, schon zwanghaft als Hexenwerk verteufeln. Oder verunglimpfen das Mädchen als zombiehafte Marionette von "Öko"-Terroristen. Also setzen unsere Populistik-Politiker dort an, wo diese Bewegung gegen Gesetze oder unsere geheiligte Ordnung verstößt:

Schule zu schwänzen, geht ja wohl gar nicht! Es kann doch nicht angehen, dass diese Generation ohne disziplinären Lernstoff in ihren Untergang zieht!

Mittwoch, 3. April 2019

Amseln erdrosseln

Die frühe Stadt-Amsel fängt den Wurm
Quelle: Pixabay
So sehr ich ihren Gesang liebe, so sehr geht er mir zur Zeit auf den Geist. Sie nehmen natürlich keine Rücksicht auf die blöde Sommerzeit der Menschen. Sie singen nach ihrem eigenen Rhythmus innig von Liebe und Paarung.
Vollstes Verständnis - aber warum muss das so laut sein? Rund um unseren Burghof in Ligurien singen sie auch: leiser, frei und ohne Angst - seit sie dort oben niemand mehr auf  Spiedini zum Grillen steckt.

Aber klar doch! Die Ornithologie hat das mit der Lautstärke erforscht, und auch, wieso die Vögel mitten im lautesten Verkehr auf Brautschau gehen und ihre Nester bauen.
Wie es Stadtmenschen gibt - so gibt es Stadtvögel. Sie brüten am und rund ums Glashaus, weil sie von dort einen guten Blick auf all die Gärten und Grünflächen haben, die sommers wie winters reichlich gedeckten Tisch für für sie bereit halten. Auch weil der Mensch in der kalten Jahreszeit kräftig zufüttert.

Übrigens werden sie - wie ich jetzt nachgelesen habe - nicht lauter. Sie müssen sich gar nicht anstrengen, um in eine höhere, weiter tragende Stimmlage zu wechseln. Deshalb fangen sie auch,  ohne nachzudenken, bereits um vier mit dem Singen an, da der Verkehr quasi noch ruht; der Blogger aber leider auch. Er kann das mit der Frequenz durchaus bestätigen, weil der jubilierende Amsel-Gesang über dem Schlafzimmer mühelos durch die Schall schluckenden Fenster dringt.

Hätte ich die Amseln ansonsten nicht so gerne, könnte ich sie regelrecht erdrosseln. Aber dann - wenn sich Elstern und Krähen wegen der zu erwartenden Jungvögel vermehrt auf den umliegenden Antennen versammeln - registriere ich ihr Verstummen mit aufkommendem Mitleid.
So ist es mit dem erbarmungslosen Kampf der Natur in der Stadt...

Montag, 1. April 2019

Mauern dauern, aber sie überdauern nur selten

"Was ist ein Stück resistenter als der unfehlbare Oberste Brückenbauer? Ich bin es, der oberste und alles wissende Mauer-Bauer!"
Murifex Maximus - so wie ich ihn sehe...
Vielleicht komme ich so mal nach Guantanamo. Orange steht mir!
 Collage:CD
"Der Papst ist nicht nur ein Sozialist. Er ist ein Kommunist. Gut, dass ich Presbytarian bin. Denn wir wissen, dass die Gnade der Vor-Geburt uns Amerikanern den Weg weist. Ich bin nämlich noch vor der Vorsehung geboren! Glaubt nichts, es sei denn an mich oder an die Fake-News, die ich gerade twitter! Die Mauer muss her, sonst überschütten uns die Chilli fressenden Katholiken-Schweine aus Mexiko mit noch mehr von ihrem Chilli con Carne!"

Das sind natürlich erfundene Zitate vom Glashaus-Blogger, aber sie könnten durchaus aus dem Hirn von "Donald, The Goblin" stammen. Hätte dieser selbstverliebt geschmacklose US-Präsident auf seinem Weg zum reichen Proll doch mal gelegentlich in die Geschichtsbücher geschaut, wäre sein Gehirn nicht so vermauert.

Mauern dauern, aber sie überdauern nicht. Zumindest was ihren Zweck anging, beim Entschluss sie zu errichten.

Was sie schwächt, hat Philipp von Makedonien, der Vater von Alexander dem Großen, schon vor mehr als 2300 Jahren entlarvt:
Römische Kopie
einer Philipp-Büste

"Es ist keine Mauer so hoch, dass sie nicht ein mit Gold beladener Esel übersteigen könnte..."

Gut möglich, dass er es auch noch versucht hätte mit Posaunen Mauern zum Einsturz zu bringen, wenn er von der Legende um Jericho - etwa 1100 bis 1300 Jahre früher - gewusst hätte. Aber die biblische Schilderung Josua 6,20 war da noch nicht verfasst. Dass die sechsmalige Umrundung der belagerten Festung unter dem Getöse der Posaunen zusammenbrach - wie Jehova das Josua geweissagt hatte, führt die heutige Archeologie bei der Analyse diverser übereinander liegenden Ausgrabungen auf eine Kriegslist zurück. Keine Legende ohne einen Kern wahren Ursprungs...
 Die Posaunen von Jericho: Preußischer
Kulturbesitz
Die Posaunen dienten dazu, die Geräusche der Untergrabung des nur 170 Zentimeter tiefen Mauer-Fundaments zu übertönen. Aber nix Genaues weiß man nicht!

Herbert Poting fotografierte
die zum Teil noch verwahrloste
Mauer 1907: Wickiquote
Auch noch lange vor Philipp - nämlich gut 400 Jahre vor ihm - begannen sie die "Große Mauer" zum Schutz der Chinesen gegen die nomadischen Reitervölker aus dem mongolischen Norden zu bauen. Sie erstreckt sich noch immer über mehr als 20.000 Kilometer Länge. Für ihre 40.000 Türme und Zitadellen wurden pro  Li  (ca. 500 Meter) ihrer Fertigstellung versklavte Arbeiter als Opfer lebendig begraben. Offenbar gab es dort damals bereits genug Menschen verachtende, vom Irrglauben verwirrte Herrscher. Das einzige Bauwerk, das man aus dem Weltraum mit bloßem Auge sehen kann, hat jedoch seinen zugedachten Zweck nie wirklich erfüllt, und schon gar nicht die Mongolen-Herrschaft über das Chinesische Kaiserreich verhindert.


Als ich 1986 einen Teil-Abschnitt auf der Mauer entlang ging, war sie schon von weiteren Heerscharen eingenommen: den touristischen. Die Mauer war nun Symbol für die globale Öffnung der Volksrepublik, die dann auch einen beispiellosen wirtschaftlichen Erfolg zeitigte.
Mehr Menschen sind vermutlich auch in der Vergangenheit
nicht über sie marschiert. Foto: Claus Deutelmoser 1986

Da war der Fall der Mauer, die die Deutschen trennte noch ein scheinbar unerfüllbarer politischer Traum.
So belog Walter Ulbricht dreist die Welt:
"Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten" - Geschichte der Berliner Mauer und des Mauerfalls.

Heute gibt es nur noch Rudimente dieser Mauer in der einst geteilten Stadt, die ich fast ein Jahrzehnt lang vor dem Mauerfall alljährlich besuchte. Was das System der DDR aus welchem Antrieb anrichtete, geht immer noch nicht in meinen Kopf rein. In meiner Erzählung "Ronny" auf dem Burgschreiber-Blog, habe ich versucht, die damalige Stimmungslage eines westdeutschen Teenagers und späteren Journalisten festzuhalten.