Montag, 30. November 2020

Nix mehr da!

 Für einen Diabetiker - wie ich einer bin - sind der Advent und die anschließenden Feiertage eher dazu geeignet, das Lied vom Tod mit den endlosen Mundharmonika-Sequenzen einmal mehr extrem zu verkürzen: All die süßen Leckereien, an denen man gedanklich lüstern nicht vorbeikommt! Und dann noch die Werbung. Jedes mal, wenn ich unschuldig und nicht zur Sünde bereit, nur Nachrichten gucken will, flimmern Schoko-Weihnachtsmänner, leicht bekleidet Mädchen die sich genüsslich Kugeln zwischen die Lippen schieben und Pralinen im Miniformat vor meinen ungeschützten Augen auf. Anschließend lobt eine schicke Blondine ihre Tropfen gegen Verstopfung und dann legt die Werbung noch  mit einem Spot nach, der gezielt auf meine Vergesslichkeit abhebt.

Nö! Hab ich nichts mit zu tun! Aber dann sehe ich in meiner Phantasie die fürsorglichste aller Ehefrauen, wie sie für den Nikolaus geeignete Säcke prall gefüllt an geheimen Ecken verstaut. Wenn ich sie jedoch frage, ob sie mir vielleicht mal ein Marzipan-Kartöffelchen oder den mit Nougat gefüllten von Bitter-Schoko umhüllten Weihnachtsbaum-Schmuck in Goldpapier mitbringen könnte, ist die Antwort immer die selbe:

"Wovon träumst du! Seit wir aus Italien zurück sind, war von dem Weihnachtszeug nix mehr da! Ich bin froh, dass ich für die Kids noch etwas ergattern konnte. Du darfst doch sowieso nichts davon. Seit Ende Oktober ist offenbar wegen Corona alles leer geräubert."

Ich verstehe die Welt nicht mehr. Sind all die Werbe-Disponenten denn vollkommen bescheuert? Da schalten die gestern noch teure Werbung für Schoko-Adventskalender, die gar nicht mehr zu haben sind. Und auch die Weihnachtsmänner soll es nicht mehr geben, obwohl noch 24 Tage bis Heiligabend Zeit wäre?

Die Frau die mehr als 50 Jahre - davon die Hälfte nicht diabetisch- - ohne Ausnahme Weihnachten mit mir verbringt, will mich wohl vor krankmachenden Exzessen schützen?  - Wie lieb von ihr!

Also heute in der Früh - bevor sie ihr zauberhaftes - neuerdings lockiges Kurzhaar-Köpfchen vom Kissen wuchtete, war ich schon mit Maske in dreien der unmittelbar in unserer Nähe befindlichen Supermärkte. Und siehe da: Weihnachten war tatsächlich bei denen bereits ausverkauft...

Da bin ich flugs zum "Tunesier" rüber. Da gab es reichlich Auswahl an mit Schokolade ummantelten Datteln, Tunesischem Nougat, der bei uns fälschlicher Weise als "Türkischer Honig" bezeichnet wird und vor allem Mandelschiffchen gefüllt mit Marzipan.

Die haben vielleicht geguckt, als ich  begeistert "Alhamdullilah, und alles auch noch halal!" ausrief.

Hört mal ihr  da oben! Ob Dreifaltigkeit oder Allah! Marzipan-Kartoffeln oder Kaabar Luz - wie die auch immer heißen, ist mir als  zuckerkranker Agnostiker piep egal. Hauptsache süße Sünde zum Advent! Dann spritze ich mir einfach mal eine Portion Insulin zusätzlich!...


Und damit ihr mich nicht für einen Weihnachts-Leugner mit  "queeren" Gedanken haltet, gibt es ab morgen meinen ultimativen

Lockdown-Kalender 2020



Freitag, 27. November 2020

Das mutierte Advents-Gen

 Alle Jahre wieder kommt das Grübeln darüber, ob nicht Teile der Menschheit von einer genetischen Mutation zu ihrem Verhalten im Advent angetrieben werden: Zwar ein jegliches nach seiner Fasson, aber insgesamt doch in einer Art Schwarmverhalten vereint. Mit adventus domini, der Ankunft des Herrn, hat das im Endeffekt der Weihnacht letztendlich nur noch wenig zu tun. Über Jahrhunderte bereits schieben sich Attribute in den Vordergrund, die ja mit der Geburt des lieben Jesulein rein gar nichts mehr zu tun haben:

Offenbar eine Cola mit Schuss
zu viel - der vom Nikolaus
entlehnte Werbe-Weihnachtsmann

Da fliegen Rentier-Schlitten mit einem älteren Herren im roten Kapuzen-Mantel an den Zügeln durch den schneienden Abendhimmel. Christkindl, die von weiblichen Teenagern dargestellt werden, eröffnen Konglomerate von Jahrmarktsbuden, die als Weihnachtmarkt bezeichnet werden. Es wird verzweifelt nach einem passenden, eigens gezüchteten Bäumchen gesucht, das dann mit allerhand Glitzerwerk und Kerzen bestückt wird. Aber vor allem wird eine Unmenge an Geld für Geschenke ausgegeben. Die Zusammenfassung all dessen wird Weihnachtsgeschäft genannt. Dessen Milliarden-Volumen ist längst zu einem wichtigen Faktor der Weltwirtschaft geworden, der oft noch schlechte Bilanzen retten soll.

Mit Vollgas-Werbung in ein optisch vorgeprägtes Weihnachtsgeschäft





Aber nun das: Statt Rentier-Schlitten fliegt unsichtbar eine kaum zu zügelnde Masse bisweilen tödlicher Viren durch die Winterwelt und legt quasi vieles lahm, was die "Stade Zeit" so hektisch aber auch mitunter so schön macht...

Die künstlich konditionierte Weihnachts-Romantik, die uns von Kindesbeinen begleitet, steht in diesem Jahr wieder einmal ernsthaft auf dem Prüfstand. Aber anstatt zu jammern, sollten wir uns auf die innere Suche begeben, um heraus zu finden, was uns im Geiste der vergangenen Weihnachten am meisten berührt und geprägt hat.

Ich hatte längst vergessen, dass ich meinen Kindern von der Einschulung an bis sie Teenager waren, jedes Jahr eine Weihnachtsgeschichte in einer Art besinnlicher Science Fiction geschrieben habe. In denen kamen sie auch selbst - aber eben in einem anderen Lebensalter vor.
Wohl aus beruflichen Gründen hat sich mein Sohn am vergangenen Wochenende mit so einer "Virtual Reality Brille" beschäftigt, deren Effekte er seine 41jährige Schwester ausprobieren ließ:
"Pappi! Das war ja genau wie in einer der Geschichten, die du früher für uns geschrieben hast!" beschrieb sie ihr virtuelles Erlebnis...

Deutsche Poesie und Lyrik
wurde besonders von der
Biedermeier-Weihnacht
geprägt
Auf einmal waren sie wieder da, die Erinnerungen an Advents-Tage, in denen ich im "geheimen" Werkstatt-Keller Puppenstuben und Kasperle-Theater gebastelt oder für sie Geschichten erfunden hatte.

Richtig schön ist die Erwartung im Advent eigentlich nur in der Gemeinschaft von Kindern und Eltern und zwar unabhängig von teuren Geschenken oder religiösem Hintergrund. Da sollte kein Virus einen Keil hinein treiben. Sich im "Lockdown" friedlich daheim besinnen. Was spräche dagegen?...



Mittwoch, 25. November 2020

Wenn impulsiv zu explosiv wird

 Rentner wie ich einer bin, haben es leicht, zuhause zu bleiben. Abgesehen davon, dass die Radien im Alter ohnehin enger werden, können wir ja auch Impulsen nicht mehr wie einst im aktiven Leben spontan folgen. Zwar werden wir gerade jetzt virologisch als Risikogruppe eingestuft, aber das liegt ja nicht daran, dass wir von Kneipe zu Kneipe hetzen oder uns ohne Party zu machen, einfach nicht lebendig fühlen.

Natürlich hocken jetzt einige von uns mehr vor der Glotze als noch vor Corona oder haben sich gar zum Computer-Nerd zurück entwickelt. Das macht uns eindeutig empfänglicher für sich wiederholende Botschaften in den Medien. Aber deshalb ohne Maske protestierend auf die Straße zu gehen?

Mich überraschen die aus der amerikanischen TV-Praxis entlehnten "Originaltöne von Straßeninterviews", die sich immer häufiger zwischen die Fakten der Nachrichten-Sendungen oder Dokumentationen drängen. Da pöbeln Leute meines Alters, die es eigentlich von ihren Lebenslinien her besser wissen müssten in die Mikrofone und vermitteln so den Eindruck, als seien sie ein Teil dieses manipulierten Ganzen. Dabei haben sie mit der Gewalt, in der sie dahin wogen, doch eher nichts zu tun. Aber sie sind eindeutig Reaktionsbeschleuniger.

Rentner als Staffage

Klar kann jemand mit widersprüchlichen Shutdowns, Masken-Verordnungen und willkürlichen Versammlungsverboten nicht einverstanden sein. Aber durch Mitlaufen Radikalen Schutz im Schwarm zu geben und deren Umsturz-Phantasien zu befeuern, ist fatal. Da wird impulsiv leicht zu explosiv.

Die täglichen Fallzahlen und Sterberaten verraten ja nicht, ob da auch Querdenker, Impfgegner oder Masken-Verweigerer betroffen waren. Aber immerhin wäre es doch interessant zu wissen, wie sich Zugehörige jener Gruppen für den Fall verhalten, wenn sie selbst ernsthaft mit Covid-19 infiziert wurden. Ist dann wieder der Staat schuld, wenn zu wenig Intensiv-Betten bereit stehen?

Montag, 23. November 2020

Harte Weihnacht?

Jeder profiliert sich auf seine Weise - der eine laut der andere leise: Seit Armin Laschet ahnt, dass er in der K-Frage wohl auf einem abgeschlagenen vierten Platz landen könnte, gibt der ansonsten eher weichlich anmutende Ministerpräsident von NRW den harten Burschen. Vergessen sein Herumeiern im Kampf gegen Covid-19! Nun macht er einen  auf Nostradamus, indem er "die härtesten Weihnachten" prophezeit, die "die Nachkriegsgenerationen je erlebt haben".

Weissagungen des Nostralaschet:
So hart wird Weihnachten 2020! Da
tanzen die Skelette auf dem Gabentisch

Was treibt den Mann, so etwas zu sagen? Er ist gerade mal 59, 1961 mitten im Wirtschaftswunder geboren. Die Nachkriegsjahre hat er doch gar nicht erlebt, sondern nur die Weihnachten, die im Kaufrausch und einem Übermaß an Genuss immer mehr zum dem bunten Rummel wurden, den  die Christkindl-Märkte noch derart überkitscht befeuern. Dabei ist dem Advent jegliche Ruhe abhanden gekommen. In Bezug auf  den reinen Geist der Weihnacht stünde doch einem Christlichsozialen eher die Lobpreisung der Einfachheit zu Gesicht.

Er hätte sagen können: Liebe Mitbürger nutzt diese Corona-Weihnacht im kleinen Kreis zur Rückbesinnung auf die wahren Werte der Botschaft. Aber als Politiker geht es ihm vermutlich mehr um die Warenwerte. Klar, auf manchen Geschäftszweigen brennen heuer im sogenannten Weihnachtsgeschäft keine hellen Kerzen. Es wird Pleiten geben, weil die Ausgleichszahlungen des Staates nicht bei allen rechtzeitig ankommen. Vor allem nicht bei den Branchen, die nur eine schwache Lobby haben,..

Ich wage es kaum als Pazifist, in diesen Zeiten Heraklit zu  zitieren, der bekanntlich den "Krieg als Vater aller Dinge" sah. Aber sollte die Menschheit im Krieg gegen das Virus obsiegen, jedoch keine nachhaltigen Lehren daraus gewinnen, wäre sie ohnehin nicht mehr zu retten.

Meine Mutter war ein veritabler Genuss-Mensch. Sie bereitete uns unter jedem Aspekt ein üppiges Weihnachten. Aber wenn man sie nach ihren schönsten Weihnachten befragte, nannte sie ohne nachzudenken, die Zeit vom letzten Kriegsjahr bis zur Währungsreform. Es gab nichts an Weihnachten als das Zusammenrücken der Familie und die Freude über einen echten Kaffee mit Schmalzbroten und selbst gebackenen Keksen...

Gestern hatte mein Sohn Geburtstag, und die Rest-Familie musste ihn gemäß der Zweihaushalte-Regel nacheinander besuchen, um ihm persönlich gratulieren zu dürfen. Er nähme es sehr genau, gab er zu Bedenken und meinte dann, wenn nur alle sich an die einfachen Regeln der Vernunft hielten, gäbe es diesen  obskuren Regel-Wirrwarr nicht.

Freitag, 20. November 2020

Hauptstadt der Abwärts-Bewegung

Berlin paradox! Was hat diese Stadt nur für ein Omen? Vor 101 Jahren das Ende des Kaiserreiches und der nur kurze Aufbruch in eine wilde Phase der Demokratie!  Der Kriegsbeginn ist 81 Jahre her. 71 Jahre nachdem die eingekesselte Stadt nur noch durch die Luftbrücke der Alliierten überlebte, "schaut die Welt" wieder mal besorgt "auf diese Stadt" (Ernst Reuter siehe Bild).

Ernst Reuter 1889-1953,
Erster gewählter Berliner
Bürgermeister nach
dem Krieg hielt 1948
die historische Rede
gegen Stalins Blockade

Vor 31 Jahren schlugen  die befreiten Bürger der untergegangen DDR die ersten Stücke aus der Mauer. Wohl alles vergessen! Vorgestern dann das: 21 Jahre nachdem der Bundestag in das umgestaltete ehemalige Reichstagsgebäude einzog, drangen wieder pöbelnde Anti-Demokraten in unser Parlament. Begleitet von verbotener Weise im Plenum von AfD-Abgeordneten ausgerollten Protest-Bannern gegen die Verabschiedung des Infektionsschutz-Gesetzes.

Hitler nannte das Parlament eine "Quatschbude". Seine  Epigonen im Geiste entehrten es vorgestern wieder einmal, indem sie sich mit Besucher-Ausweisen demonstrierend Zugang zum Gebäude verschafften und in die Arbeitsräume von Parlamentariern einbrachen. Die Saht der QAnon scheint immer heftiger zu keimen. Die sogenannten "Querdenker" attackierten aber nicht nur Abgeordnete sondern auch Finanzminister Peter Altmaier. Unverhohlen war das ein strafbarer Angriff auf unsere Demokratie!

Altmaier versucht sachlich zu bleiben,
während die Demonstrantin ihre Tirade auch noch filmt
Quelle: instagram
https://www.n-tv.de/mediathek/videos/politik/Von-AfD-eingeschleuste-Demonstrantin-bedraengt-Altmaier-article22178654.html




Was von den Verschwörungstheoretikern in unserem Land als "Ermächtigungsgesetz" verunglimpft wurde, war dabei aber doch eigentlich im Sinne ihrer Klagen gegen die Bevormundung des Bürgers durch den Staat bei den bereits ergriffenen Maßnahmen und Verordnungen gzum Schutz vor Covid-19. Die waren nämlich bislang ohne Gesetzes-Grundlage gewesen. Ein Umstand, der durch die in Eile gebotene Verabschiedung nicht nur behoben wurde, sondern auch Alleingänge des Kabinetts und der Länderchefs ohne parlamentarische Zustimmung erschwert.

Jetzt werdet ihr - liebe Leserinnen und Leser - ja sagen, dass ihr das ja alles schon gelesen habt. Ich verstehe mich aber eben in meinen Blogs auch als persönlicher Chronist gegen mein Vergessen. - Also wartet mal ab, wie das aufgearbeitet wird! Lediglich, dass sich der Ältesten-Rat mit den Vorfällen beschäftigt hat. wurde berichtet.  Der  aber hat keine strafrechtliche Kompetenz. Da müsste, um etwas nachhaltig zu bewirken, schon eher  die Generalstaatsanwaltschaft zügig Anklage wegen Nötigung und unzulässige und damit strafbare Einflussnahme auf Staatsorgane erheben.

In der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933
brannte der Reichstag in Berlin.
CD-paint-Collage
Haltet mich nicht für eine Art Cassandra, aber die Mechanik dieser Zerstörungen von einst stabilen Demokratien weltweit ist gerade jetzt historisch immanent:

Erst wird verunglimpft, dann wird im Plenum gepöbelt oder gar geprügelt, und wenn die anders denkenden Parlamentarier dadurch auf Dauer noch nicht eingeschüchtert sind, brennt wieder mal ein Reichs(Bundes)tag...

Herr Gauland weint zwar Krokodilstränen wegen des "Vorfalls" - aber das waren seine Parteigenossen.


Wehret den Anfängen!



Mittwoch, 18. November 2020

Über das Herumeiern

Die meisten kennen das bestimmt. Du stolperst über etwas, was dich stört, aber aus irgendeinem Grund beseitigst du es nicht: Weil du gerade keine Lust hast? Weil du etwas Wichtigeres zu erledigen hast? Ausreden gibt es immer genug, sich nicht doch endlich ans Werk zu machen. Aber dann wären da noch die Faktoren Bequemlichkeit oder weil man sich einfach nicht auseinandersetzten möchte. Dieses Hadern ist übrigens nicht allein eine Frage des Alters. Diese Unlust entfalten bereits Kinder mit großer Nervigkeit...

So langsam begreife ich den Erfolg, den Donald Trump bei seinen Fans hat. Er erscheint ihnen als einer, der solches Zögern nicht kennt. Er walzt über alles hinweg, zündet überall Feuer an, damit andere sie löschen müssen, und die so angerichteten Schäden sind dann Fake-News. Ihn schert weder Moral noch Wahrheit, weil das etwas für "Loser" ist. Wählen den eigentlich auch Kriegsveteranen? Wo er doch auch gefallene Soldaten so bezeichnet.

Im Inneren wären viele seiner Zeit- und Gesinnungsgenossen wohl gerne wie er. Sie bewundern ihn dafür, dass er - wie sie ihn selbst noch kennen - keinen inneren Schweinhund hat, der ihn ausbremst. Was er aus seiner Perspektive nämlich für Recht und Ordnung ansieht, ist die Rücksichtslosigkeit, die möglicherweise in jedem Menschen schlummert.

Weil viele im Leben oft nur ohne Ziel herum eiern, erwacht durch Populismus immer wieder die Sehnsucht nach dem "starken Mann". Sie wollen einen Führer, der sie in eine Richtung führt - egal, ob das die richtige oder der Weg in den Untergang ist. Starke Typen, die sich dann mitten im Chaos, das sie angerichtet haben, in einen Bunker oder in einen zur Festung umfunktionierten Palast zurückziehen, um dann als letzten Ausweg den Suizid zu suchen, verzeichnet die Geschichte ja einige. Aber Donald Trump verschafft sich selbst im Niedergang einen Abgang der bislang einzigartig ist. Er verschanzt sich hinter frisch installierten Zäunen als Vernichter der Demokratie in einem Gebäude, das der Welt zeit seines Bestehens ein Symbol der Freiheit ist, dem "Weißen Haus".

Seine bis an die Zähne bewaffneten Fanatiker, Freischärler, die Fenians, die "Proud Boys" - und wie sie alle heißen - finden das natürlich heldenhaft und great, weil sie selbst davon träumen, im Scheitern "heroisch" genauso zu enden. Narzissmus. pathologische Selbstüberschätzung und Eitelkeit enden gerne in solch überhöhter  Dramatik.

Das Problem ist nur: Der Patient und Noch-Präsident hat bis zum regulären Ende seiner Amtszeit noch die Hand am "Buzzer": Zu einer Zeit, da die Welt unter den protzig ausgebreiteten Schwingen des "White headed Sea Eagle" mehr als ein halbes Dutzend Klein-Imperatoren generiert hat. Und er dachte sogar noch über einen Blitzkrieg gegen den Iran nach, wie die "New York Times" verlautete...

Und mittendrin unsere in vielen Schlachten erprobte "Mutti", die es umringt von politischen Jungspunden richten soll. Auf der Brücke des havarierenden Schiffes "Europa" soll sie - zeitlich gnadenlos begrenzt - einen Kurs setzen, der dem Herumeiern der EU ein Ende macht. Kann sie das (noch) schaffen?

Seit der hehere Wunsch nach einem geeinten Europa konkret geworden ist, waren die Schwächen dieses Konglomerates evident. Allerdings wurden als störend empfundene Stolpersteine nicht aus dem Weg geräumt, klare Rechen-Vorgaben nicht zu ende kalkuliert und allenthalben auf Machtworte verzichtet.

Das "Ei des Kolumbus" hat ja auch
nur funktioniert, weil es
hart gekocht war und es der Entdecker 
- der Legende nach - an der
Unterseite "gekickt" hatte
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Jetzt ist die Zeit für Moderation abgelaufen. Was hat die Bundeskanzlerin noch zu verlieren? Sie ist die unbestrittene und konstante Führungskraft dieses Jahrhunderts. Sie kann das schaffen - gerade weil sie nicht mehr auf die Ewigkeit schielen muss. Wenn das vom Zerfall bedrohte Europa zwischen den quetschenden Machtblöcken der Welt nicht nur bestehen, sondern auch einen angemessenen Ton angeben will, muss es sofort in die Chirurgie geschickt werden. Und zwar ehe es im Schraubstock nationaler Interessen vom Keim des antirechtstaatlichen Populismus gefährlicher infiziert wird, als Covid-!9 dies vermag.

Klare, harte und gegebenen Falles schmerzhafte Schnitte müssen durchgeführt werden. Denn nach wie vor gibt es eben gegen machtgeile Populisten keinen wirkungsvollen Impfstoff...

Montag, 16. November 2020

Team-Spirit

 Den besten Eindruck von dem, was tatsächlich in einer Mannschaft steckt, erhält der Trainer, wenn diese mit dem Rücken zur Wand steh, eine Niederlage abwendet und sie sogar noch in einen Sieg verwandelt.

Keine Bange! Elf oder wieviel Freunde auch immer müsst ihr sein...  - So sentimental bin ich nach all den Jahren, die ich im Sport mit Teams zu tun hatte nicht mehr. Aber ich entdecke immer wieder Parallelen zu politischen Situationen, in denen der reine Kampfgeist nicht mehr hilft, sondern die, die am Spielfeldrand Verantwortung tragen, nur noch durch regide Maßnahmen den Bestand des Teams schützen können.

Im Profisport - wenn es auch noch um Bares für den Rest des Teams geht - ist das evident: Wenn ein rechter Verteidiger nur noch vom Glauben getrieben wird, und der Rechtsaußen fürs ständiges Faulspielen und Leistungsverweigerung auch noch bezahlt wird sowie obendrein für alte, längst vergangene Leistungen und Meriten immer mehr fordert, als er nun zu leisten bereit ist, braucht es harte Strafen.

Wenn eine Verbannung auf die Ersatzbank nicht hilft, müssen die beiden bei empfindlicher Einbuße von Zahlungen aus dem Kader gestrichen werden. Aber bei einer derartigen Renitenz und Uneinsichtigkeit sollten die, die sich nicht an die Regeln halten, besser sofort wieder auf den Transfer- Markt. Gerade jetzt gibt es ja einige, die solche Spieler in ein altes System einbinden wollen, in dem Team-Spirit gerne unterdrückt wird und Fairplay als falsche Taktik gilt.

Möge der noch Schlechtere verlieren:
Die Mean-Player Kaschinski und Orban
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Übertragen auf das Team "Europäische Gemeinschaft", das zur fraglichen Bewältigung der Corona-Krise ohnehin schon beim ausgebremsten, gemeinsamen Finanzierungsplan mit dem Rücken an der Wand steht, muss deshalb endlich eine Regelverschärfung her. Allein die einfache Mehrheit der Mannschaftskameraden sollte dann entscheiden, ob Ungarn und Polen erst auf die Strafbank kommen oder gleich in die Relegation geschickt werden.

Der russische Team-Manager Putin holt sie sich doch mit Kusshand wieder in seine "Länder-Auswahl", oder sollte ich besser sagen "in den Kader zurück.



Freitag, 13. November 2020

Der Uhr-Mensch

 Bevor ich dem Neandertaler  in mir ein paar Zeilen widmen will, möchte ich zum besseren Verständnis zwei Zitate unterbringen:

Dr. Paul Bertololy
1892 - 1972
Quelle: Wikipedia
Der deutsche Landarzt und Schriftsteller Dr. Paul Bertololy meinte:
"Die Zeit ist eine Erfindung der Unrast, der Erfüllte kennt sie nicht."

Albert Einstein relativierte:
Zeit ist das, was wir von der Uhr ablesen.

Seit geraumer Zeit verbringen alles meine Uhren - seltene wie wertvolle - ihre Zeit im Bank-Safe. Wenn ich unbedingt wissen will, wie spät es ist, schaue ich auf mein Smart-Phone. Durch Zeitzonen reise ich ja schon lange nicht mehr. Deshalb ist auch meine Unrast verschwunden. Vielleicht fühle ich mich deshalb auch so erfüllt. Und Einstein muss ich in Bezug auf das Ablesen zumindest, was mich betrifft, widersprechen. Möglicher Weise installiert sich mit der Zunahme an Lebensjahren ein spezifisches Zeitgefühl, Altersgenossen berichten oft von ähnlichen Erfahrungen. Wahrscheinlicher ist aber, dass das Zeitgefühl zunehmend medikamentös stimuliert wird. Ich schlucke im Tagesverlauf  nach Zeitplan mittlerweile 14 Pillen und muss mir viermal diverses Insuline spritzen. Sicher kann man da mal was vergessen, aber tatsächlich erinnern mich erst die Sinne und dann mein Körper daran.

Das waren noch Zeiten, als der Kaiser Uhren verschenkte.
Die von mir bajuwarisch mit Charivari aufgehübschte
Gebr. Eppner-Uhr  meines Großvaters von 1896

Früher brauchte ich einen Wecker, um aus den Federn zu kommen, heute erinnern mich nachlassende Wirkungen. Deshalb ist die Umstellung von Sommer- auf Winterzeit für meine innere Uhr weniger ein Problem. Das jeweilige Gefühl meldet sich nach der tatsächlich Zeit gemessen nun pünktlich eine Stunde später. Im Sommer gehe ich gegen zwölf ins Bett im Winter erst um ein Uhr nachts. Habe ich mich beim Einstellen des Diabetes verrechnet, melden sich pünktlich vor dem Koma um zwei beziehungsweise dann um  drei Uhr nachts Symptome einer sich anbahnenden Unterzuckerung. Mit Abweichungen im Minutenbereich überrascht mich meine innere Uhr  immer wieder aufs neue. Hoffentlich macht sie das auch wenn mein letztes Stündlein schlägt...

Interessant ist auch, dass diese innere Uhr bei der "Fürsorglichsten Ehefrau von allen" genau um zwei Stunden anders tickt - also sie mit allem zwei Stunden früher dran ist als ich. Nur die nächtlichen Schlaf-Löcher füllen wir parallel mit kurzem Quatschen über unendlich Unsinniges.

So entspann sich in der Nacht zum vergangenen Montag folgender Dialog:

Die Fürsorglichste: "Mist! Ist schon wieder Montag"
Ich: "Worauf kommt es denn in unserem Leben noch an, welchen Wochentag wir haben?"
Sie: "Mich lässt eben das Montagsgefühl von früher immer noch nicht los!"

Gegen den Montag-Blues
hilft auch der Stärkste
Kaffee nur selten




Mittwoch, 11. November 2020

Mega! Bombe!

Habe das wirklich ich gestern ins telegram an meine Tochter getippt? Töchterchen hatte uns ein Stück Rinderfilet überlassen, dessen Reifungsprozess ihr suspekt vorkam. Es habe beim Öffnen so einen starken Blutgeruch gehabt, monierte sie. Am Abend dann hat die Fürsorglichste das Fleisch einfach abgewaschen und gründlich trocken getupft, kurz auf allen Seiten scharf angebraten, um es dann in abklingender Resttemperatur ruhen zu lassen. Das Fleisch schmeckte göttlich, ließ sich medium rear mit der Zunge am Gaumen zerdrücken und ging mit einem "Gröstl" aus in Würfel geschnittener Sellerieknolle, frischer Roter Beete und Kartoffel zu gleichen Teilen, angegossen mit einem Schuss Sahne als absoluter Gourmet-Schmaus durchs Ziel.

Aber musste ich deshalb wirklich schreiben, dass das Fleisch "Bombe" gewesen sei. Letztlich ertappte ich mich sogar dabei, wie ich Bekannten erzählte, dass ich etwas "mega" gefunden hätte. Verliere ich langsam meine stets behütete Sprach-Linie, um eine Art Generationen-Anpassung nachzuholen?

Meine Tochter ist bereits 40 und mein Sohn ist es bald. Da wäre es doch eher heischend, mich ihren Sprachgewohnheiten anpassen zu wollen... Als sich in ihrer Entourage unser damals sehr geräumiges Haus stets mit Heranwachsenden in Teamstärke füllte, war das Phänomen einer eigenen Jugendsprache noch nicht so markant. Die Kids stammten alle aus Familien und besuchten Schulen, wo noch sehr auf die Umgangssprache geachtet wurde. Allenfalls fanden außergewöhnliche amerikanische Redewendungen in ihre Alltagssprache, weil sie ja in diversen Bands ihre Songs ausschließlich in Englisch texteten. Hätte mein Sohn sein Linguistik-Studium abgeschlossen, könnte er mir bestimmt erklären, wieso kaum einer in dem jetzt mitten im Leben stehenden Freundeskreis auf seinen Taufnahmen hört.

Solche Namen wie Bente, Boba, Pand, Stoffel und so weiter kann ich noch von früher zuordnen, aber wer mit neuen "Pseudonymen" hinzukommt, ist nur noch durch Nachfrage zu identifizieren. Dabei sind deren Kinder alle noch so klein, dass man allenfalls mit Elementen einer Baby-Sprache rechnet. Das ist irgendwie awesome im Sinne von befremdlich!

Genau an dieser heute in jener Altersgruppe so beliebten Bekundung von Begeisterung kann ich aber den stetigen Wandel der Begrifflichkeit gut nachvollziehen. Als ich jung war, bedeutete awesome schlicht genial, heute reicht es von "Spitze!" bis "abgefahren" im Ernstfall ist es auch mit "fremdartig" oder "schrecklich" negativ belegt.

Droht uns bald eine Allerwelts-Sprache
wie in Bladerunner? 

Klar, Konversation färbt ab, dass weiß ich von der Sozialisierung mit unserer Schweizer Freundin auf der Burg. Irgendwie aber bin ich doch beruhigt, dass es bislang noch zu keinem "Cityspeak" wie im Film "Bladerunner" gekommen ist. Denn welchen Einfluss Rollenbilder aus TV- oder Streaming-Serien auf die nun Heranwachsenden haben, erlebe ich an manchen Abenden lautstark unter meinem Fenster bei der Klientel der Streetworker, die an der Ecke ihr Büro haben. Befeuert von den  kruden Texten deutscher "Gangsta-Rapper" kommen die Buben mit rollenden Schultern gutturale Laute ausstoßend daher und "mandeln" sich auf, wie man früher in diesem Stadtteil zu sagen pflegte.

Aber wer bin ich, mich darüber aufzuregen, wenn ich alter Depp Dinge "mega" oder Bombe" finde?

Eine empfehlenswerte
Lektüre für Leute,
die das Unverständliche
begreifen wollen


Sonntag, 8. November 2020

Wenn quer zu denken, eher queer ist

                                                                Q

Noch verspüre ich keine Erleichterung, dass der schrecklichste aller amerikanischen Präsidenten nun wohl doch abgewählt worden ist. Denn auch wenn mit der Amtsübergabe alles reibungslos liefe, blieben ja die Langzeit-Folgen im  geduldeten und teils auch hofierten, radikalen Bodensatz seiner Anhänger nachhaltig zurück...

Schlüsselworte der QAnon auf einem Banner bei der Demo in Leipzig
Quelle: tagesspiegel/dpa


Was sich am Samstag bei den Krawallen in Leipzig offenbarte, lässt ahnen, wie tief die USA als Mutterland der Verschwörungstheoretiker auch die primitiven Geister in unserem Land infiziert haben. Was vielleicht einmal als Nerd-Gag von republikanisch angehauchten Internet-Jongleuren ersonnen wurde, hat sich während der Trump-Administration zu einem "Virus" entwickelt, der die Welt länger beschäftigen könnte als Covid-19. Leipzig war bereits ein Vorgeschmack auf mögliche, unheilbare Dauerschäden in unseren Demokratien. Denn die einzelnen Berichte von Beobachtern könnten Beleg dafür sein, dass die administrative Politik deshalb so krass versagt hat, weil ihre Vertreter - wie in den USA -  schon näher am Denken der Demonstranten dran sind, als sie vielleicht selbst wahrhaben wollen.

Christoph Süß
Dabei spielt das Wort quer eine verheerend fehlinterpretierte Rolle. Es ist überhaupt nichts dagegen einzuwenden, wenn quer zum Mainstream gedacht wird. Im stromlinienförmig christlich sozial gelenkten BR-Fernsehen gibt es seit mehr als einem Jahrzehnt unter diesem Titeln mit der Moderation von Christoph Süß eine der besten Sendungen zum quer Denken. 

Falls dann quer aber im begrifflichen Wandel zur Urbedeutung des englischen Wortes queer - also negativ belegtes Abweichen oder gar im Sinne von Abweichlern gegen demokratische Grundordnungen - gedeutet werden muss, herrscht Alarmstufe rot!

Wenn das "Q" sich als Feldzeichen der Verschwörungstheoretiker in der rassistisch pöbelnden Masse mit Alu-Mützen, Reichskriegs-Flaggen und Nazi-Parolen vermengt, hat das ja mit Denken nichts mehr zu tun. Da wird die gequirlte Scheiße des QAnon-Internet-Schemens, von der sich Donald Trump und manche führende Parteifreunde nicht wirklich distanzieren wollten, zu "Deutschem Volksgut". Da wundert es auch nicht, dass einer der QAnon-"Multispreader" sein Unwesen im WWW von Deutschland aus ausübt.

Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

Ich frage mich, wieso § 130 StGB nicht längst verschärft worden ist und damit auch häufiger zur Anwendung kommt. An Ton- und Bild-Beweisen dürfte es ja nicht mangeln; eher an nicht infizierten, couragierten Polizisten und den wegen ihrer Wiederwahl den schwarzen Mob fürchtenden Minister...

Ein Rechtsanwalt als oberster
Verschwörungstheoretiker.
Mafia-Bürgermeister Rudolph Giuliyno
der die Schwächen, was nach
US-Recht justiziabel ist
nur allzu gut kennt
Quelle: Worldpress
Nehmen wir als Beispiel für Volksverhetzung auch die Aufforderung zum "totalen Krieg" die Trump jr. und der Ex-Bürgermeister von New York Guiliani vor laufenden Kameras gebrüllt haben, als die Wahl schon fast entschieden war. Nach Amerikanischem Recht bleibt das - wie auch die Leugnung des Holocausts - ohne strafrechtliche Konsequenzen. Wie dort konterkarierend fast alles mit dem Begriff "Meinungsfreiheit" kaschiert wird. Das erklärt, wieso nie jemand gegen die kriminellen Verunglimpfungen  durch QAnon vorgehen wollte, obwohl die Verursacher längst von den Diensten enttarnt wurden.

Meinungsfreiheit ist zweifellos eines der höchsten Güter, die es in Demokratien zu beschützen gilt. Aber die Verbreitung von Hass, Rassenhetze und längst mannigfaltig widerlegten Verschwörungs-Mythen muss endlich gesetzlich verhindert werden. Schon mal hat eine Generation zu lange auf plumpe Parolen gehört und wurde deshalb in den Untergang geführt. Wehret den Anfängen!

Freitag, 6. November 2020

Der lange Abschied von der Leitkultur

 Als ich 1949 in Hamburg zur Welt kam, war die Hansestadt britisch besetzte Zone. Noch lange vor der Währungsreform war mein Vater aus der Internierung durch die Engländer im ehemaligen KZ Neuengamme (mit 49 Kilo gerade noch lebend Gewicht bei 183cm Länge) zu seiner Frau und seinen beiden Töchtern zurück gekehrt. Er wurde als Folge der Mangel-Ernährung - wie er mir bei späteren Streits oft unter die Nase rieb - von fürchterlichem Gelenk-Rheumatismus geplagt, als er mich zeugte.

Genauso schnell wie sie ihn zunächst weggesperrt hatten, stellten sie ihm dann den sogenannten "Persil-Schein" aus und nötigten ihn als schnell beurkundeten Nicht-Nazi in die Verwaltung des deutschen Wiederaufbaus. Meine Mutter wurde wegen ihrer Englisch-Kenntnisse "Marketenderin" im Casino der britischen Elite-Offiziere, womit die Versorgung der nun fünfköpfigen Familie überproportional für jene Zeit sicher gestellt war.

Ich landete da schon sofort in den Schlagzeilen der spärlichen Presse, weil mein Geburtsgewicht 11,5 Pfund betrug. Später konnte ich nie darüber lachen, wenn sie lästerten, dass ich schon bei der Geburt ein "schwerer Junge" gewesen sei.

Opa sah mich
eher wie den
"kleinen Lord"

Bis ich neun war, und weil mein Großvater aus Köln  mir eine Art angelsächsischen Kleidungs-Stil aufnötigte, wann immer ich unter seiner Obhut war, sah ich die Tommies - wie sie im Volksmund genannt wurden - als Idole an. Das ging so weit, dass ich einmal für einen halben Tag von der Polizei gesucht wurde, weil ich am Geburtstag der Queen mit der Parade zu ihren Ehren mit marschiert war...

Dann wurde mein Vater nach München versetzt, und wir bezogen ein geräumiges Reihenhaus in einer "Housing Area" für Amerikaner, die zu seinem Verwaltungsbereich gehörte. Von Beginn an verband ich daher Amerikanisches mit Luxus und großer Lässigkeit. Erst nach und nach durch den Zuzug anderer deutscher Familien mit Vätern "spezieller Profile", aber auch durch unvorsichtige Tischgespräche meiner Eltern mit den erheblich älteren Schwestern bekam ich so eine Ahnung...

 - Auch durch genehmigungspflichtige  Aufenthalte in "nicht sicheren" Ländern, an denen die Eltern mit ungebrochener aber argwöhnisch  beäugten Reiselust festhielten, kam es mir nicht komisch vor, dass wir voraus geplant bei Konsuln oder ranghohen NATO-Offizieren zu Abendessen in privaten Kreisen geladen wurden. Ich fand das selbst noch als Heranwachsender normal. Ganz im Gegenteil war das eine weitere Bestätigung dafür, dass die Amis auf der ganzen Welt so lässig im Luxus lebten. Die Bewunderung ging sogar so weit, dass ich mitunter traurig war, selbst kein Amerikaner zu sein...

1996 führte ich noch ein Incentive in
Montana durch. Da war "Bonanza" leider schon
Fernseh-Geschichte

Als ich meine erste große Liebe fand, hatte ich die nachbarschaftlichen Verhältnisse aber längst durchschaut. Gloria war die Tochter einer chinesischen "Entschlüsslerin", also Kryptlogin, und eines afroamerikanischen Nachrichten-Offiziers, die in Frankfurt zur Welt gekommen war und daher Deutsch fließend hessisch babbelnd sprach. Die Hochbegabte war da aber schon längst auf dem Radar der Behelfs-Uni in der Münchner Mcgraw-Kaserne und wurde mit Stipendien von US-Elite-Unis regelrecht bombardiert. Kurz; dieses 150 cm kleine und nur etwas über 40 Kilo leichte, puppenhafte  Genie spielte intellektuell in einer ganz anderen Liga als ich, der desperate Schul-Abbrecher. Aber wir vertraten die selben politischen Ansichten - vor allem was den Vietnam-Krieg anbelangte. So schlau sie auch war, konnte sie allerdings nicht begreifen, dass ich sie in ihren Augen nicht genug liebte, um mir ihr - perspektivlos wie ich ja noch war - nach Amerika zu gehen. 

Ein Jahr später stand sie plötzlich noch einmal vor der Tür, aber da war ich nicht nur schon mit meiner heutigen Frau zusammen, sondern auch aktenkundig geworden. Wegen eines "Sit-in" vor dem US-Konsulat drohte mir ein Verfahren wegen "Landfriedensbruch", und ich war auch bereits als renitenter Kriegsdienst-Verweigerer registriert. Zu der Zeit war  übrigens der amtierende General-Konsul noch unser Nachbar, dessen elf Kinder vorzugsweise früher Spielkameraden gewesen waren.

War es ihm zu verdanken, dass das Verfahren nicht aufgerufen wurde und ich sogar nur ein paar Jahre später anstandslos das Journalisten-Visum für die erste meiner rund 30 US-Reisen bekam?

Jedenfalls war diese spezielle Reise durch die verschneiten Rocky Mountains von Diskussionen über die Watergate-Affäre und das drohende Impeachment-Verfahren gegen Richard Nixon geprägt. Aus ihnen lernte ich, wie unversöhnlich sich die politischen Lager dieses Zweiparteien-Systems gegenüber stehen:

Vor allem Amerikaner der ersten Generation sind in ihrem Patriotismus so leidenschaftlich, dass sie der Führung des Staates, der ihnen "The American Way of Life" ermöglicht hat, alles verzeihen - sogar die Einberufung ihrer Söhne in einen keinesfalls vaterländischen Krieg gegen die weltweite kommunistische Bedrohung; My son fights in 'Nam for the freedom of the world!

Poltische Diskussionen fruchteten nur mit wenigen Berufs-Kollegen oder  welterfahrenen Uni-Eliten.

Wehe, du antwortest selbst bei nur kurzem, ersten Aufenthalt auf die Frage "how do you like America?" nicht sofort mit "great". "What's wrong with you?", wird dann gleich nachgehakt...

Willst du einen schönen Abend in Gesellschaft verbringen, vermeide es stets, aktuelle US-Politik zur Sprache zu bringen.

Jetzt bringt mich das aktuelle Verhalten Donald Trumps nach der Wahl zur Entsorgung  der Restbestände meiner einst doch so tief  in mir verankerten Leitkultur.

Fazit meiner 60 Lebensjahre unter dem Einfluss des Amerikanismus:

Selbst unter historischer Einbeziehung der rauen Epoche "When The West Was Won" war die US-Demokratie noch nie so am Arsch wie im Moment.

Es erweist sich, dass Watergate gemessen an der Regentschaft von Donald Trump ein Affärchen gewesen ist, aus dem sich Nixon durch seinen Rücktritt sogar noch mit halbwegs Anstand heraus gezogen hat.

Alle Filme und TV-Serien über die schurkischen Verwicklungen von amerikanischen Politikern werden durch die bizarre Schein-Realitäten-Schau von Donald Trump nicht nur konterkariert, sondern bei weitem und bedrohlich übertroffen.

Weswegen noch durfte Kevin Spacey den skrupellosen Frank Underwood in "House of Cards"  nicht mehr weiterspielen??? Jedoch Pussy-Grabber Trump  durfte als Präsident ungeniert die ganze Welt anhaltend in Atem halten!!! Eine der schlimmsten Eigenschaften im "Land of The Free" ist nämlich die Heuchelei - Hypocrisy...

Vor fast zwei Jahrhunderten dichtete unser hoch verehrter Poet und Politiker noch:

Amerika, du hast es besser
Als unser Kontinent, das alte,
Hast keine verfallene Schlösser
Und keine Basalte.
Dich stört nicht im Innern
Zu lebendiger Zeit
Unnützes Erinnern
Und vergeblicher Streit.

                                               Johann Wolfgang von Goethe

Der hat sich wohl genauso blenden lassen wie ich.

Dienstag, 3. November 2020

Bin ich froh, dass ich kein Wal bin

 Mitten in der US-Wahl lief die Nachricht um die Welt, dass die Marine des Inselstaats Sri Lanka ein massenhaftes Walsterben zu verhindern wusste.

Dabei durchzuckte  mein blasphemisches Hirn folgender Gedanke:
Mal angenommen,  es sei wirklich so, dass bei den Walen Leittiere mit beginnender Demenz die Orientierung verlören. Könnte der Leit-Wal Donald Trump nicht mit all seinen Wählern, die ihm - möglicher Weise verwirrt  - folgen, noch  während der Auszählung der Stimmen auf der Sandbank der Geschichte stranden. Dann könnten nämlich die Retter der Demokratie im nächtlichen Einsatz die orientierungslosen Follower durch physischen Einsatz wieder auf sicheren Kurs bringen. Für den Trump-Wal, der ja immer gerne stur weit voraus prescht, käme dann jegliche Richtungsweisung ohnehin zu spät.

Doch auf den greisen Biden, der natürlich versuchte, mediengerecht - auch vor den laufenden Kameras von Fox&Friends-News - seinen unfairen  Wahl-Rivalen zu retten, käme noch die Sisyphos-Arbeit zu, dieses dreimal so schwere, rotblond gefärbte Wa(h)ldebakel vom Strand ins Meer der Ruhe zu schaffen. Klar, dass diese Anstrengungen seine Kraftreserven aufzehren werden. - Aber die Vereidigung sollte er wohl gerade noch schaffen - der alte Joe.

Danach? Mit Harris hoffentlich back to normal!

Diesen Post veröffentliche ich jetzt lieber noch vor Mitternacht. Wer weiß, ob der beste US-Präsident aller Zeiten nicht doch noch einen neuen Civil War anzettelt...

Wer den Wal hat, gewinnt die Wahl auch ohne Qual

Montag, 2. November 2020

Trick or Treat!

In der Nachbarschaft keine Nachbarn zu haben, ist genau so arg, wie wenn Nachtbars geschlossen sind, und wegen Datenschutz vor der Spreader-Verfolgung in der Nacht bar bezahlt werden muss. Unverständliches Deutsch? Wie soll denn der Bürger ohne Lobby überhaupt noch etwas verstehen? Ab heute gilt bis zum Monatsende wieder ein von Grund auf ungerechter Lockdown, Den würgt sich die Politik in ihrer anhaltenden Umnachtung bezüglich der Bekämpfung von Covid-19 ja doch nur aus reinem Aktivismus ab.

Klar muss bei den Halloween-Horror-Zahlen von neu positiv Getesteten etwas zur Eindämmung der Pandemie unternommen werden. Aber dass Lockdowns nur temporäre Effekte ohne Nachhaltigkeit haben, müsste allen Verantwortlichen schon im vergangenen Sommer klar geworden sein. Selbst ein so blöder Blogger wie ich konnte punktgenau prophezeien, dass diese "Zweite Welle" die Welt noch wuchtiger treffen würde.
So ist das eben in der Spaß-Gesellschaft beim Ausleben der Freizeit. Wer unbedingt das Maximum an Party haben will, möchte so wohl auch ein Maximum an Infektions-Risiko in kauf nehmen.
In Wahrheit ist längst die Unvernunft  des Menschen Himmelreich! Da gilt das Wort von Jakob Wilhelm Heinse schon lange nicht mehr. Wo ein Wille wäre, gäbe es ja auch einen weniger infektiösen Weg... 

Aber der setzt eine generelle Vernunft voraus, die keiner Reglementierung bedürfte. Noch in der Halloween-Nacht zogen hier bei uns um zwei Uhr Jugendliche laut grölend untergehakt und ohne Maske vorbei. Deshalb wage ich eine Prognose: Dieser Monat Lockdown bringt keine nachhaltige Verbesserung der Infektionszahlen, Er treibt die kleinere Gastronomie und den nicht gesponserten Kultur-Betrieb gänzlich in den Ruin. Danach erreicht dann die Pandemie - befeuert durch Weihnachts- und Sylvester-Feiern - aber wieder neue Rekordmarken.

Übrigens, um an den letzten Post anzuknöpfen: Nach vier Tagen Quarantäne waren meine Frau und ich als negativ Getestete wieder frei, aber endlich mal wieder eine  komplette Familien-Zusammenführung scheitert nun an der speziell bayerischen Regelung mit nur zwei separaten Haushalten, die sich treffen dürfen. Immer nur Einzel-Kontakte ermöglichen wohl kaum ein Familien-Leben Herr Söder...

Noch nie habe ich nach unserem turnusgemäßen Standort-Wechsel die Burg mehr vermisst als heuer. Dort hätten wir nämlich tatsächlich auch im Lockdown noch Nachbarn in der Nachbarschaft. Man kümmert sich maskiert und Abstand haltend umeinander und wahrt auch fürsorglich die sozialen Kontakte. Wer einkaufen geht, fragt nicht nur bei den jetzt härteren Maßnahmen, ob er etwas mitbringen soll und hängt das Eingekaufte dann an die Türklinke. Und natürlich kann der Dialog bei schönerem Wetter durchaus auch auf der Piazza mit einem Espresso oder einem Glas Wein stattfinden.

Abstand halten zwischen den Zacken des Piazza-Sterns
Hier im Glashaus treffe ich allenfalls gelegentlich die Eigentümer und Mieter, mit denen ich in meiner Eigenschaft als Verwaltungsbeirat flüchtig zu tun habe. Aber von den 15 Parteien kenne ich sonst eigentlich niemanden, weiß also nichts vom Leben der Anderen oder ihren Vorlieben und Problemen.

Deshalb aber müssen Stadtmenschen unbedingt raus, wollen sie nicht versauern oder vereinsamen. Die Politiker der "Klasse Wichtig" müssen ja auch ständig raus, Sitzungen und vor allem Pressekonferenzen abhalten. Sind die weniger ansteckend oder opfern sie sich nur heldenhaft für ihre bevormundeten Wähler? Wer weiß, wie viele gefährliche Kontakte die stündlich mehr haben als der Vernunft walten lassende Durchschnittsbürger? Der Besonnene, der den ganzen Tag zuhause bleibt,  draußen Abstand einhält und brav - selbst wenn er interviewt wird (!)  - die Maske an behält? -Der muss aber auch nicht demnächst wiedergewählt werden...

"Trick or Treat!" schreien die maskierten Horror-Kids an Halloween normaler Weise vor den Haustüren. Das wird im Deutschen  wegen der Alliteration gerne durch "Süßes oder Saures?" ersetzt. Der Lockdown erleichtert diese Wahl leider nicht. Wenn Türen aus derart unterschiedlichen Gründen geschlossen bleiben müssen, wird es allzu bald vielen eben nur noch sauer aufstoßen... 

Es grüßt mit wenig Anstand,  passendem Abstand, gewissem Notstand - aber noch längst nicht wutentbrannt: 

Euer Masken-Blogger.