Sonntag, 30. November 2014

Nächstenliebe

1. Advent


"Liebe Deinen Nächsten wie dich selbst!" Das wäre eine der tragenden Säulen des christlichen Glaubens, wenn der Mensch tatsächlich so gut sein könnte, wie er sich das vielleicht vornimmt. Aber wie das mit Vorsätzen nun einmal ist, werden sie nur selten eingehalten. Dafür gibt es dann die Weihnachtszeit. In ihr wird das mit Spenden-Marathons aufgeholt, was übers Jahr versäumt oder vergessen wurde.

Es ist ja nicht so, dass der Mensch nicht rührselig und mitfühlend ist, aber seine Wut  und sein Zorn überwiegen eben gern. Da ähnelt er seiner Vorstellung von Gott. Der ist ja auch zwiespältig: Gottes Güte und der Zorn Gottes sind allgegenwärtig.

Zu den absurdesten Vorstellungen, Seelenheil zu erlangen und gottgefällig zu sein, gehörte ja der Ablasshandel aus dem Mittelalter, der Martin Luther so wütend machte. Du zahlst, und bist auf einen Schlag alle Sünden los. Das erschien so praktisch, dass die Sünder gar nicht erst darüber nachdachten, an wen das Geld ging. Geld verbrennt ja nur selten als sündig auf einem Scheiterhaufen und verschwindet dadurch. Das Geld der meisten Menschlein geht denen zwar verloren, aber es wird nur umverteilt und landet auf den Konten weniger. Immerhin die Zahl der Milliardäre weltweit hat eine höher Zuwachsrate als die ihrer Investments.

Da scheint es zunächst sinnfremd, dass sich immer mehr junge Menschen zu Weihnachten Geld wünschen. Aber tatsächlich ist das für die "Generation Praktika und Nebenjobs" die einzige Möglichkeit einmal eine Summe echt und gezielt zu konsumieren, statt irgendein sinnloses Geschenk ungenutzt an die Tiefen eines Schrankes zu verlieren.

Neben den ganzen schrecklichen Kriegen dieses Seuchenjahres entbrennt  gerade ein weihnachtlicher Rabatt-Krieg zwischen dem Einzelhandel und den Online-Versendern. Ein Krieg, in dem - wenn es nach letzeren geht - vielleicht  auch bald Drohnen eingesetzt werden...

Gut, wer da eine "Zweitbeste" hat, die ihr "Weihnachtsfeeling" bis an die Zähne mit Kränzen, Kalenden, Lichterketten und Kerzen bewaffnet verteidigt: Seit heute wird aus dem Glashaus zurück geglitzert.

Freitag, 28. November 2014

Nachtsitzung auf dem Gehweg

Mitunter ist es nachts an unserer lauten Kreuzung so leise, dass man jedes Wort hört, dass unten auf der Straße gesprochen wird. Aber eine derartige Sitzung hat es bislang noch nicht gegeben.

Gegen drei Uhr früh wurden die "Zweitbeste" und ich von resoluten männlichen Stimmen geweckt. Mal sprachen alle auf einmal, mal schien einer allein zu predigen. Je nachdem gab es Gelächter aber auch Weinerliches. Nachdem das mehr als eine halbe Stunde andauerte, stand ich auf und blickte auf die Straße hinunter. Aber ich konnte nichts entdecken.

Also öffnete ich das Fenster, um zu schauen, woher die Gesprächsfetzen herauf drangen. Schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite saßen sich außerhalb des Lichtkegels der Straßenbeleuchtung drei Männer gegenüber und ließen im Dreieck offenbar eine Flasche kreisen. Das Lamento beziehungsweise die Euphorie wurde jeweils in einer Sprache vorgetragen, die schwer zu zu ordnen war. Mir kam sie slawisch vor.

Das Leuchtband des Taxi-Unternehmens jenseits der Kreuzung zeigte zwei Grad an. Die drei Männer hatten nichts, worauf sie isoliert sitzen konnten. Aber ganz offenbar waren sie keine Stadtstreicher oder Obdachlose. Dazu waren sie viel zu gut gekleidet - wenn auch viel zu leicht.

Ich schloss das Fenster und legte mich wieder hin. Aber sobald die "Zweitbeste" mal aus ihrem Schlaf geholt wird, erwacht auch ihre Neugier. Also stand sie immer mal wieder auf und schaute aus dem Küchen-Erker.

Am nächsten Morgen erzählte sie mir, dass die Drei ausgehalten hätten, bis der Straßenverkehr  so gegen sechs Uhr zu laut geworden wäre, um weiter zu ratschen. Steif und schwankend hätten sie sich gegenseitig aufgeholfen und ließen nur ein Rinnsal zurück, das in die Gasse floss.

Seither rätseln wir, ob das Heimweh oder unendliche Familiengeschichten waren, die die Drei so lange haben aushalten lassen. Vielleicht war es aber auch so, dass sie sich in diesem, Zustand nach der Sperrstunde zunächst nicht nach Hause zu ihren Frauen getraut haben...

Dienstag, 25. November 2014

Der reiche, kranke Mann am Bosporus

"Der kranke Mann am Bosporus": Zar Nikolaus I prägte diesen Begriff  1855 angesichts des Verfalls des Groß-Osmanischen Reiches, und die Presse sowie ihre Karikaturisten wetzten damals ihre Kreativität an diesem Bild. Wir haben übrigens diese wenig schmeichelhafte Bezeichnung noch im Geschichtsunterricht gelernt.

Aber dieser Tage scheint sich kein Journalist mehr dieser Metapher bedienen zu wollen. Dabei muss man doch davon ausgehen, dass der türkische Präsident  Recep Tanyyip Erdogan vor lauter Selbstgefälligkeit zunehmend einem pathologischem Narzissmus verfällt. Hat da die jüngste Verfolgung von Schöpfern persiflierender Darstellungen schon gefruchtet?

In der vergangenen Woche hat er die Entdeckung Amerikas noch den Osmanen zugeschrieben. In dieser Woche referiert er ausgerechnet vor dem Türkischen Frauenverband, dass Frauen eigentlich nicht für die Arbeit geschaffen seien, sondern daheim an den Herd gehörten und reichlich Kinder gebären sollten. Was natürlich eine Verklitterung historischer Fakten wäre. Noch als ich in meiner Kindheit durch die Türkei reiste, sah man ausschließlich Frauen auf den Feldern schuften, während die Herren der Schöpfung im Schatten beim Tee saßen

Haben wir von einer Zwangseinweisung gehört? Gab es Proteste, als er meinte, die Gleichberechtigung von Mann und Frau sei unnatürlich? Wieso kann sich dieser kranke, reiche Mann am Bosporus solche Sprüche leisten?

Das hat nicht allein den Ursprung in aktueller, wirtschaftlicher Stärke. Einerseits funktioniert das, weil die männliche Landbevölkerung, aus der Erdogan seine Mehrheiten generiert, seit Ata Türk eine panische Angst vor gebildeten und zunehmend emanzipierten Türkinnen hat und andererseits, weil die westliche Welt mal wieder hilflos auf die Entwicklung einer Diktatur schaut, in der die eigentliche Saat des IS aufgeht,

Die Schwächung und Unterordnung der Frauen spielt in diesem Kreuzzug-Konzept eine wesentliche Rolle, Also transportiert Erdogan dieses Gedankengut, bei dem der Gründer der modernen Türkei eigentlich wie ein Torpedo aus seinem über Ankara liegenden Mausoleum schießen müsste. Erst bestritt Erdogan mit seiner nur noch verhüllt auftretenden Frau eine Art Marketing für seine krausen Ideen,  dann hob er flugs das Kopftuch-Verbot bei öffentlichen Ämtern und offiziellen Anlässen auf. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, wann er das Wahlrecht für Frauen abschafft, und die aufmüpfigen Weibsbilder seiner Nation wieder auf  Volksschul-Niveau reduziert.

Bei der bereits angedeuteten Gewaltbereitschaft während der Proteste am Taksim-Platz ist es natürlich klar, dass es sich die türkischen Frauen vor Ort  zweimal überlegen, auf die Straße zu gehen. Aber wo bleiben die im Ausland lebenden Türkinnen? Wieso begehren die nicht auf?

Es wird höchste Zeit, sie zu unterstützen. Sonst wird aus dem Außenposten der NATO womöglich bald ein Vorposten für die Muslime aus dem Mittelalter.

Einige Militär-Experten befürchten sogar, dass der Größenwahnsinnige neben den in seinem Land positionierten US-Nuklearwaffen, an der Entwicklung eigener Atom-Raketen arbeiten lässt...

Donnerstag, 20. November 2014

Kaum noch Spielraum für Toleranz

In einer Zeit, da in Folge von religiöser Intoleranz,  Machtentfaltung, Hass und Rassismus überall auf der Welt nicht nur lokale Gewalt herrscht, sondern Kriege geführt werden, ist es von den Sende-Anstalten der ARD sicherlich gut gemeint, die Toleranz zum Wochen-Thema zu machen.

Nach einigen Tagen Reinhören und Fernsehen bin ich mir aber nicht mehr so sicher, ob das tatsächlich etwas bezweckt. Moderatoren mit salbungsvollen Stimmen weiten den Begriff dermaßen aus, dass ich mich schwer tue, deren Meinungen zu tolerieren,

Es entsteht der generelle Eindruck, dass die Toleranten die Guten und die Intoleranten die Bösen sind, Dabei ist das wie mit dem taoistischen Yin und Yang. Beide werden gar nicht erst zum Thema, so lange sie sich die Waage halten. Das Leben und das leben Lassen hat der Mensch aber Zeit seiner Existenz nicht in den Griff bekommen.

Bei käuflichen Dingen oder Industriegütern ist der Begriff Toleranz Bestandteil von Verträgen oder Regeln: In diesem Spielraum muss gefertigt werden, sonst wird die Ware weder abgenommen noch bezahlt. Politiker verwenden daher jetzt immer häufiger bei menschlichen Auseinandersetzungen den Begriff  "Null-Toleranz", wenn sie das Gefühl haben, dass sie gegen Intolerante vorgehen müssen, die die Toleranz der Anderen überstrapazieren. Aber wer, wann eine Grenze überschreitet, ist eben parteiliche Betrachtungsweise.

Also wenn man den Begriff auf das Menschliche allzu Menschliche fixiert, passiert doch folgendes:
Toleranz - also die Fähigkeit, etwas zuzulassen, was einem fremd, ungewohnt oder störend erscheint - wird ja nicht gleich zur Intoleranz - also der Unfähigkeit, das Störende am eigenen Tun, Aussehen oder Denken für Andere zu erkennen, ohne sich entsprechend anzupassen...

Diese Aktion und Reaktion unterliegt neben der Emotionalität auch einem Zeit-Faktor. Wie lange kann ich das Andere tolerieren oder ertragen? Oder im umgekehrten Fall: Wie lange kann ich den Anderen durch mein anders Sein oder -Verhalten provozieren? Denn auch bei Toleranz und Intoleranz geht es im Großen wie im Kleinen in der Endkonsequenz um Macht-Ausübung, -Erhaltung oder -Erweiterung.

Toleranz sei eine Erziehungsfrage sagen die Pädagogen. Die Parameter der Erziehung können aber so unschuldig sein wie auf einer Montessori-Schule oder so hasserfüllt wie in der Hitler-Jugend.

Es muss doch einen Grund haben, wieso junge Menschen, die unter unseren heutigen Erziehungsprinzipien aufgewachsen sind, für den IS-Terror ihr Leben lassen wollen?

Mit dem Willen aber, der Intoleranz durch Nachsicht zu widerstehen, sind ja nicht nur die Quaker, sondern auch der große Gandhi gescheitert.

Also erhebt sich mit Fug und Recht die Frage, ob  wir unsere eigenen Werte im eigenen Land nicht durch unsere zu lange Toleranz nachhaltig geschädigt haben? Eine Moral von der Geschicht' jedoch gibt es nicht. Höchstens die allgegenwärtige Warnung:

Wenn wir es zulassen,, dass der Terrorismus uns zwingt, das Fundament unserer Rechtsstaatlichkeit zu untergraben, hat die Toleranz keinen Spielraum mehr. Gewalt folgt dann Gegengewalt und so weiter und so fort...

Montag, 17. November 2014

Macht Satire noch Sinn bei soviel Irrsinn?

Für Freunde des politischen Kabaretts herrscht gerade mal wieder Hochkonjunktur. Aber das Gelächter bleibt einem zunehmend in der Kehle klemmen, wenn man in der Vergangenheit diese Zeiten des Erfolges mit den historischen Auslösern vergleicht. Denn immer wenn die Kabarettisten am besten in Form waren, zog bald darauf eine Katastrophe auf - wenn sie nicht schon begonnen hatte...

Verhindern kann Kabarett eh nichts, weil die, die es lieben, ja meist gegen das Böse nicht gewappnet sind oder mit den Künstlern in "staatlichen Einrichtungen" verschwinden, wenn sie mit jenen nicht rechtzeitig ins Exil gehen.

Im Moment sind die Epigonen der "Lach- und Schieß-Gesellschaft" in Hochform und machen dem kürzlich verstorbenen Hohepriester der humoristischen Irrsinnsbekämpfung, Dieter Hildebrand, alle Ehre. Doch gestern passierte etwas, das ich für ein Menetekel des Unheils halte. Claus Kleber wusste in seinem seriösen "Heute"-Format den irrsinnigen Auswüchsen des türkischen Präsidenten Recep Tanyyip Erdogan nicht anders beizukommen als mit Satire.

Die Nachricht war, dass Recep Tanyyip der Große als baldiger Osmanen-Führer eigener Gnaden die Entdeckung Amerikas kurzer Hand den Muselmanen zusprach. Was selbst bei fanatischen "Followern" einige Verwirrung auslöste. Das ganze war unterlegt mit Bildern vom monströsen Bau einer Moschee zu Ehren Sinans in Istanbul und der Ansicht seines sprachlos machenden, bald fertig gestellten präsidialen Palastes mit 1000 Zimmern.

Also aus meiner Sicht gehört der Irrsinn in einer Nachrichten-Sendung unverschlüsselt angeprangert und der Verursacher klar beim Namen genannt. Geschieht dies nicht, muss der satirisch unempfindsame Gläubige von wahrer Größe ausgehen. Das erklärte dann das IS-Phänomen.

Als ich mit meinen Eltern zum ersten Mal umfangreich die Türkei bereiste, lag das, was Hitlers Größenwahn angerichtet hatte, noch nicht einmal anderthalb Jahrzehnte zurück. Ich aber war schon in einem Alter, in dem ich gelernt hatte, den Namen des Obernazis vorsichtig und distanziert auszusprechen. Um so überraschter war ich, als meine Familie bei Einladungen von türkischen Gastgebern der damals schon (oder immer noch?) Deutsch sprechenden Oberschicht mit Meinungen konfrontiert wurden, was Hitler doch für ein großer Herrscher gewesen sei und als wie tragisch sein Scheitern empfunden wurde.

Natürlich war ich wie vor den Kopf gestoßen - auch weil mein Vater gegen solche Einlassungen nur mit sehr sanften Korrekturen vorgegangen war. Ahnte ich doch aus Familien-Diskussionen wie arg man ihm im sogenannten "Dritten Reich" zugesetzt hatte.

Sind also die Türken wieder auf dem Trip, sich nach osmanischer Größe zu sehnen? Bei über fünfzig prozentiger Zustimmung für Erdogan  muss man davon ausgehen, und die weltweite Unruhe spielt der Türkei als Außenposten der Nato und Erdogan als Oberbefehlshaber mit dem größten, stehenden Heer des Verteidigungsbündnisses die entsprechenden Trümpfe zu.

Sich in Nachrichten über ihn lustig zu machen, hilft da nicht viel. Dort müssen klare Fakten und umfangreiche Aufklärung über die verzwickten Verhältnisse auf den Bildschirm (und nicht zum Nachlesen ins Internet).

Am 15. Oktober 1940 bei seiner Premiere stellte Charly Chaplin in seinem Film "Der große Diktator" Hitler so dar, wie er heute in alten Filmdokumenten auf uns wirkt; als vermeintliche Witzfigur Da war  aber der Zweite Weltkrieg schon ein Jahr in vollem Gange.

Freitag, 14. November 2014

E-Oldies

Die europäische  Großbank, deren Kunden wir auch in Italien sind, macht uns die beiden für uns zuständigen Filialen dicht. Das sieht uns natürlich in erster Linie für jene Mitarbeiter betroffen, die uns zum Teil Jahrzehnte betreut hatten. Als wir auf den letzten Drücker die Schließfach-Verlagerung vornahmen, wurden wir Zeugen herzzerreißender Abschiede.

Wir hatten auch davon geträumt, im weiter fortgeschrittenen Alter, alle Bank-Geschäfte die paar Schritte weit entfernt in unserer Straße erledigen zu können. Pustekuchen! Da die älteren Bankangestellten dort wohl über kurz oder lang mit Vorruhestandsregelungen ebenfalls entsorgt werden, sind wir vermutlich bald mit der permanenten  Forderung konfrontiert, unsere Dinge online zu regeln.

Aber so Computer-affin ich bin, das werde ich nach all der Hackerei von offiziellen und verbrecherischen Organisationen bestimmt nicht machen. Da bleibe ich stur, weil ich einfach nicht mehr mitkomme bei dem, was alles geht und was nicht. Dabei war ich vor ein paar Jahren noch ein Vorreiter der elektronischen Kommunikation. Aber dieses Tempo schafft in unserem Alter doch keiner mehr.

Nehmen wir mein E-Book der ersten Generation, was ja für einen ehemaligen Buchhändler eh schon eine frevelhafte Anschaffung war. Ich nütze es ausschließlich, um über eine Studien-Plattform befreit von Rechten amerikanische und englische Literatur im Original zu lesen. Dafür musste es nicht viel können. Deshalb habe ich auch die Entwicklung verpasst, wieso bei einem Online-Versender die neueste Version dieser Pionier-Marke, die in Farbe und blendfrei funktioniert, nur noch die Hälfte von meinem Altgerät kostet.

Über meine Mühe mit Smartphones habe ich ja auch schon oft genug geschrieben, aber glauben wollte ich es nicht, dass ich mir damit jetzt auch komplette Bücher herunterladen und die nur mit Onetouch durch Querstellen auf  alterslesegerechte Buchstabengröße hoch streicheln kann.

Als Rentner kommen bei mir natürlich moralische Bedenken und Romantik wegen des Niedergangs der haptisch zu konsumierenden Bücher nicht mehr auf. Auch der Einzelhandel ist mir Schnurz, wenn ich für Schuhe, Pullover, einen Fahrrad-Helm sowie einem Bademantel nicht nur 50 Prozent im Vergleich spare, sondern das alles auch noch frei Haus geliefert bekomme.

Sie ist sehr Zwiespältig die Welt der E-Oldies: Einerseits macht einem die totale Vernetzung zunehmend angst, andererseits offenbart sie nach dem Erstversuchs-Stress derartige Erleichterungen, dass man immer weniger hinterfragt. Ich glaube, darin liegt die eigentliche Gefahr. Die Bequemlichkeit wird derart selbstverständlich, dass wir gar nicht mehr merken, wann der "Rubikon überschritten" wird, wie das ein ehemaliger Kurzzeit-Bundespräsident treffend formuliert hätte.

Seit gestern muss ich mich auch nicht mehr in die Schuhschachtel großen Zellen von Multiple-Kinos zwängen, sondern kann gehüllt in meinen neuen Bademantel und dank meines Sohnes als von ihm hinzugefügtes Familien-Mitglied an meinem Computer Filme gucken.

Gut, dass es dann bei all der mit dem großen  E verbundenen Technologie doch noch Momente der Ernüchterung gibt:

Da stehe ich mit meinem Rad an einer Ampel in der Ludwigsstraße neben einer sehr attraktiven Radlerin,, und weil der Radweg dort sehr schmal ist, versuche ich sie bei grün gleich hinter mir zu lassen, Aber dann beschleunigt sie wie ein Ferrari am Ende der Boxen-Gasse. Mit einem Sssssssszzt ist sie auf und davon. So eine Unverschämtheit.

E-Bikes sind doch  die reinste Wettbewerbsverzerrung!!!


Dienstag, 11. November 2014

Mehr zuhören, kaum noch verstehen, gar nichts mehr begreifen

In den bemerkenswerten, vergangenen Tagen der Erinnerung ist mir aufgefallen, dass wir bei all dem, was wir zu hören bekommen, nicht nur unser Verständnis vorgekaut bekommen, sondern dass uns das Begreifen auch noch von einem Berufsstand abgenommen wird, dem ich leider auch einmal  selbst mit aller Eitelkeit und Besserwisserei angehört habe.

Erstes Beispiel Joachim Gauck Auch wenn er Bundespräsident ist, muss ein Mann, der zu den Betroffenen gehört hat und mit Bewältigung als Leiter einer Behörde betraut war, Zweifel daran äußern dürfen, ob eine der im Bundestag vertretenen, gewählten Parteien nicht doch noch das Gedankengut der untergegangenen DDR personell eingelagert hat. Joachim Gaucks Einlassung dazu war zwar pastoral getragen, aber derart präzise formuliert, dass man ihm "Parteilichkeit" nur schwer vorwerfen konnte. Der Journalismus hat es dennoch beinahe unisono geschafft, seine Meinung als Einmischung darzustellen und damit den "Shitstorm" der Linken noch zu unterstützen. Einer Partei, die sich in aller Öffentlichkeit außer Stande sieht, die DDR als Unrechtsstaat aufzuarbeiten.

Zweites Beispiel Wolf Biermann: Trotz seiner Verdienste als politischer Künstler war es einfach schlechtes Benehmen, die Feierstunde im Bundestag zu einer überholten Polemik gegen die alten Feinde zu missbrauchen. Der übertragende und kolportierenden Journalismus hat die Zurechtweisung vom Bundestagspräsidenten Dr. Norbert Lammert aber so zurecht geschnitten, dass daraus fast die Lachnummer geworden ist, die man uns vermitteln wollte.
Nur das sichtbar wütende Grummeln des sonst immer wortgewaltigen Gregor Gysi wurde kurz dazwischen geschnitten, aber nicht ein gesungener Ton Biermanns.

Drittes Beispiel Michail Gorbatschow: Da muss erst ein 83jähriger in seiner Eigenschaft als Friedensnobelpreisträger und Wegbereiter der Deutschen Einheit kommen, um die Argumente nachdrücklich zu wiederholen, die im lauten Dauerfeuer auf Vladimir Putins Niedertracht im Ukraine-Konflikt nicht nur unerhört blieben, sondern in der prowestlichen Berichterstattung gezielt versenkt wurden: Die USA, die sich als Sieger der "Kalten Krieges" fühlten, keine vertraglichen Abmachungen hielten und zudem Kriege als Außenpolitik anzettelten. Jetzt erst wird darüber diskutiert und nicht schon längst seit dem ruchbar gewordenen, arroganten Abhören befreundeter Staats-Administrationen.

Viertes Beispiel Daniel Barrenboim: Dieser Völker verbindende Gutmensch scheut sich nicht Beethovens sehr Deutsche "Ode an die Freiheit" am Gedenktag des Mauerfalls vor dem Brandenburger Tor zu dirigieren. Aber dürfen wir das dann auch hören? Wichtigtuerische, ins eigene Wort verliebte Moderatoren unterbrechen diese einmalige Darbietung immer wieder mit belanglosen Interviews. Ich bin wirklich ein großer Fan des Historikers Heinrich August Winkler, aber da war er in kommentierender Form und nicht  wie sonst als Quellen sammelnder Chronist, der falsche Mann am falschen Ort zur falschen Stunde mit falschen Themen.. Ja, auch die sogenannte "Reichskristallnacht" musste unbedingt an diesem Tag thematisiert werden. Aber nicht in einem Augenblick, in dem Deutsche auch mal kurz stolz auf sich sein durften.

Fünftes Beispiel Claus Weselsky: In der Tat ist der GDL-Führer ein Unsympath ersten Ranges, weil er sich selbst ohne kritischen Abstand zur eigenen Wirkungsweise so darstellt. Sein Gegenspieler, Bahn-Vorstand Ulrich Weber schwimmt auch nicht gerade auf der Woge der Sympathie, aber ist öffentlich  taktisch eindeutig besser geschult. Auf zehn Weselsky-Darstellungen traf allenfalls einmal die kurz eingeblendete Physiognomie Webers. Das hat dazu geführt, dass erstmals einheitlich ein Streik-Anlass von der Presse so dargestellt wurde, dass fast die gesamte Bevölkerung nur das Feindbild GDL sah. Die Ungeheuerlichkeit der BahnAG, den verfassungskonformen gewerkschaftlichen Pluralismus auszuhebeln, ging bei der Berichterstattung fast völlig unter. Das vorherrschende Bild: Eine erpresserische Klein-Gewerkschaft mit einem narzisstischen Streikführer sorgt für Millionenschäden an der Deutschen Wirtschaft. Was sogleich den Bundestag - ausgerechnet unter Federführung der SPD - zu einer entsprechenden  Gesetzesänderung mobilisierte.

Mein Fazit: Trotz der Medienfülle müssen wir Konsumenten von Nachrichten und kolportierten Meinungen vorsichtig sein, dass wir nicht von einem Mainstreem-Journalismus mitgerissen werden, der durch den Überlebenskampf einiger traditioneller Medien geprägt wird.

Ein paar tausend Journalisten werden in diesen Wochen entlassen. "Eggheads", also angestellte Autoren, die immer ein Qualitätsmerkmal für guten Journalismus darstellten. werden reihenweise gekündigt. Was gar nichts damit zu tun hat, wie gut sie waren, sondern eher damit, dass sie teuer und unproduktiv sind.

Nicht, dass es bei uns bald wieder zu einer Situation kommt, in der dann ein altes Sprichwort abgewandelt werden müsste:

"Wes Brot ich ess', des Lied ich schreib!"

Samstag, 8. November 2014

Durch Dick und Dünn

In einem der nicht nur legendären, sondern historisch belegten Dialoge zwischen dem dicken Wikinger-Häuptling Hägar, der den Beinamen "der Schreckliche" trug, und seinem zaundürren Adjutanten Sven Glückspilz kam es nach einem mehrtägigen Gelage zu folgender Erkenntnis:

Hägar: "Sag mal Sven - wie ist es eigentlich, so dünn zu sein?
Sven: "Ich denk mal, genauso wie dick - nur dünner!"

Einfach gestrickte Ernährungs-Historiker leiteten daraus ab,  dass dick zu sein, Schreckliches impliziert, während dem Dünnen permanent das Glück hold ist.

Es wäre schön, wenn die Ökotrophologen von heute, bei dieser simplen Erkenntnis geblieben wären. Stattdessen treiben sie eigentlich immerzu neue "Säue" wissenschaftlicher Errungenschaften durch die Dörfer der Wohlgenährten., denn dies sichert ihnen ja ihren Wohlstand.

Seit dieser Woche weiß ich dank der Münchner Abendzeitung, dass ich als Bayer einer von 60 Prozent gefährdeter, männlicher Übergewichtiger bin. Dabei hatte ich mich gerade noch satt zurück gelehnt, weil die selbe Gazette in der Woche zuvor noch verkündet hatte, dass Dicke überraschend länger leben, als bisher angenommen, weil sie sich frühzeitiger in ärztliche Obhut begeben und deutlich mehr bewegen, als ihre übergewichtigen Vorfahren.

Dummer Weise habe ich mir weder Hägar noch meinen Spitznamen-Geber Obelix zum Vorbild genommen. Comic-Figuren haben ja auch den Vorteil, dass sie keinem figürlichen Wandel unterlegen sind, wie jemand der über ernährungstechnische Dinge schreibt, und im Laufe seines Lebens dennoch von einer Anzug-Größe in die andere wuchs. Zudem war und ist ein Freund aus Kindertagen einer dieser angesagten Ernährungsberater, die einen ständig heiß auf neue Tricks zum Abnehmen machen.

Also zusammengefasst:
Ich bin Marathons gelaufen, habe Trennkost nach Atkins praktiziert, habe den Ananas-Markt durch exzessives Anwenden der Hollywood-Star-Diät gepuscht, habe Pro-Eiweiß durch Pro-Fett ersetzt und angeblich Fett zehrendes Hochfrequenz-Training mit geringen Gewichten betrieben. Ja sogar die von Dauerkanzler Kohl praktizierte Trockenbrötchen-Methode habe ich probiert. Allerdings habe ich dadurch nie diese gemütliche Birnen-Figur bekommen. Als der grüne Außenminister Joschka Fischer mit ähnlichen Torturen anfing und in seinem Stresemann vorübergehend schlotterte, war mir daher längst klar, dass er danach noch dicker sein würde als zuvor.

Rein statistisch habe ich in den sechs Jahrzehnten meines Lebens zweimal mein Körpergewicht abgenommen, das immer noch viel zu hoch ist, dass sich aber auch nicht mehr verändert, seit ich vor zehn Jahrer aufgegeben habe, ständig auf die Waage zu steigen. Die zweimalige Kontrolle pro Jahr durch den Arzt reicht mir. Ich habe all die mir prognostizierten Schädigungen und Erkrankungen bekommen, aber auch ein gutes Dutzend all jener, befreundeter Altersgenossen überlebt, die mich ständig mit Ratschlägen zum Abnehmen gepiesackt haben.

Klar wäre ich gerne so schlank wie Sven Glückspilz, dann fiele mir das Bücken leichter, aber wäre ich dann auch der Charakter, der meinen Körper so gestaltet hat, wie er nun einmal ist.

Gut möglich, dass ich nachher vom Radel kippe, aber ein Problem hätten damit nur diejenigen, die mich fort tragen müssten...

Donnerstag, 6. November 2014

Hilflos

Als einer, der keinen Krieg mit erlebt hat, werde ich in letzter Zeit immer begieriger, etwas über die Alltagsstimmung der Menschen angesichts der blutigen Katastrophen heraus zu finden, an denen sie nicht unmittelbar beteiligt waren.

Das Gros ist wohl in der Lage, Anzeichen entweder nicht wahrzunehmen oder kann es schlichtweg ausblenden, indem es sich noch exzessiver lebend ablenkt. Das ist ein gesunder Mechanismus, der aber wohl vor allem sensorischen Künstlern fehlt.

"Muss ich denn sterben, um zu leben?", singt Hans Hölzel aus voller Kehle seines narzisstischen  alter egos Falco. Der Expressionist Georg Heym bestimmte mit Mitte zwanzig -im Jahre 1912, was auf seinem Grabstein zu stehen habe und dichtet über den Krieg, der sich da anbahnte: "Aufgestanden ist er, welcher lange schlief. Aufgestanden unten aus Gewölben tief. In der Dämmrung steht er groß und unerkannt. Und den Mond zerdrückt er mit der schwarzen Hand..." Beide - Heym und Falco - starben unvollendet und zu jung bei merkwürdigen Unfällen.

Dem Journalisten Florian Illies ist es mit seinem Buch "1913" gelungen den "Vorabend der Katastrophe" des Ersten Weltkrieges anhand von Momentaufnahmen aus Künstler-Biographien erst recht unbegreiflich zu machen... Seine Protagonisten sonnten sich in einer bis dahin unerreichten Hochkultur, um dann vereinzelt doch ihr Leben im "Stahlgewitter" zu lassen

Jetzt lese ich beinahe täglich von jungen Menschen die aus einer Region "beinahe ewigen Friedens" in den Osten ziehen, um ihr Leben einem unbegreiflichen religiösen Mythos zu opfern. Sie stammen dabei meist noch nicht einmal aus Familien, in denen es für ruhmreich und ehrenvoll gehalten wird, für das Vaterland zu sterben. Es ist ja auch kein Vaterland, für das sie kämpfen.

Nach 100 Jahren steht die Welt unmittelbar vor der nächsten Katastrophe, die derart vielschichtige Vorzeichen hat, dass jene eigentlich nicht zu übersehen sind.

Einzelne - offenkundig pathologische Narzissten - plustern ihre Egos zur Großmanns-Sucht auf, als sei nur ihre Sichtweise der Dinge die richtige. Und wieder gibt es jede Menge Dappen, die ihnen wie einem Messias  oder Schein-Erlöser folgen.

Und diesmal gilt Dank TV, Internet,Twitter und Facebook keine Ausrede: "Wir haben doch von all dem nichts gewusst!"

Wenn es einen Gott gibt, dann scheint er genauso hilflos, wie der voreilig zum Erlöser ausgerufene US-Präsident Barak Obama.

"Obama Dich unser!"

Dienstag, 4. November 2014

Menagerie

Giuseppe hat kaum noch Haare, Dennoch geht er mindestens einmal pro Woche zur kroatischen Friseur-Meisterin der Männer-Herzen nebenan. Sich mit ihm zu unterhalten, gestaltet sich schwierig, weil er ein Kauderwelsch aus neapolitanischem Dialekt mit bayrischen Brocken spricht. Aber Giuseppe hat etwas, was ich auch für meinen Leben gerne hätte: Einen schneeweißen Römischen Wolfshund, der vor dem Salon wartet, bis Herrchen sich den Bart oder sonst etwas hat trimmen lassen. Ich kann mich an diesem weißen Riesen einfach nicht satt sehen!

Der Hund ist hervorragend erzogen. Wenn die Zwei durch die Straßen hier stolzieren, wären sie eine Super-Besetzung für einen Film über einen exilierten Mafia-Paten im Ruhestand.

Mit Hunde-Erziehung bin ich leider immer gescheitert, was mich an einer der verkehrsreichsten Kreuzungen Münchens auch wohl nicht rückfällig werden lässt. - Obwohl, wir hätten schon jede Menge Freilauf-Zonen in unmittelbarer Nähe. Aber meine Vorstellung von einem Hundeleben ist eben die raumgreifender Freiheit.

Ich muss mich also mit der Beobachtung urbanisierter Spezies begnügen: Allen voran den Tauben, die jede Nische des gegenüberliegenden Bürgerhauses  mit Türmchen aus der Gründerzeit als Massen-Quartier erwählt haben. Wenn sie der Enge in ihrem Asyl mal entgehen wollen, fliegen sie die paar Meter herüber zu unserem Küchen-Erker, trippeln über unseren Köpfen und gurren uns bei offenen Fenstern die Ohren voll.  - Wenn die "Luftratten" überhaupt noch fliegen. Denn sie marschieren eigentlich mittlerweile mehr. Mutieren quasi zu dickbäuchigen Laufvögeln, weil dank der Pizzeria und eines riesigen, bis in den Dezember hinein Nüsse fallen lassenden  Hasel-Baumes, das Thema Grund-Versorgung eine völlig neue Dimension für sie bekommen hat.

Als ich neulich vor dem Haus auf die "Zweitbeste" gewartet habe, setzte sich doch so ein Täuberich tatsächlich auf meinen Fuß, um nach einem Pizza-Brocken zu schnappen, auf den ich unachtsam gestiegen war. Immerhin sorgt das blinde einsammeln der von Autoreifen geknackten Nüsse hin und wieder für Schwund durch das Durchstarten vor der Ampel. Und auch die paarweise operierenden Elstern sorgen für gelinde Geburtenbegrenzung. Die angeblich verfütterten Antitaubenbaby-Pillen haben wohl bei dem ständigen Täubeln nicht "gefruchtet".

Gleichzeitig mit uns ziehen alljährlich auch die Krähen in großen Schwärmen vom Land in unser Viertel. Laut jüngsten Forschungen gehören sie ja zum intelligentesten Federvieh überhaupt. Tagsüber sieht sie keiner, weil sie sich in den sprichwörtlich kahlen Krähenbäumen aufhalten. Aber morgens und in der Abenddämmerung machen sie die Hitchcock-Nummer und erinnern mich an den Schluss des bewegenden Romans von Mathias Schröder: " Und in der Dämmerung dann hörte ich ihre hungrigen Schreie und sah die Krähen gen Werflo fliegen". Das ist schaurig schön.

Aber damit uns die Düsternis nicht übermannt, hat sich ein Pracht-Exemplar von einem Buntspecht gegen den Verkehrslärm anhämmernd direkt im Baumwipfel vor unserer Nase eine Höhle zum Überwintern erspechtet. Auch er ist derart urbanisiert, dass er sich durch ein Öffnen des Fenster nicht aufscheuchen lässt.

Meine Sehnsucht nach einem Haus(tier)freund scheint eventuell bald gestillt zu sein. Seit einer Woche wartet ein Eichkater am Garten-Eingang auf mich, wenn ich vom Radeln zurück komme. Einmal hätte ich ihn fast überfahren, weil er mich vor lauter Nüsse in die Backen Packen nicht gehört hatte.
Jetzt flitzt er parallel zu mir durch die Hecke und wartet, bis ich mein Schlachtross abgeschlossen habe. Dann turnt er mir keckernd an der nackten Wand gegenüber den Gartenbänken etwas vor:
Gewissermaßen gibt er einen Gecko mit Wuschelschwanz. Vielleicht um mir das Heimweh nach Italien zu nehmen?

Mal sehen, ob ich mich ihm mit Nuss-Schokolade erkenntlich zeigen kann...