Montag, 17. November 2014

Macht Satire noch Sinn bei soviel Irrsinn?

Für Freunde des politischen Kabaretts herrscht gerade mal wieder Hochkonjunktur. Aber das Gelächter bleibt einem zunehmend in der Kehle klemmen, wenn man in der Vergangenheit diese Zeiten des Erfolges mit den historischen Auslösern vergleicht. Denn immer wenn die Kabarettisten am besten in Form waren, zog bald darauf eine Katastrophe auf - wenn sie nicht schon begonnen hatte...

Verhindern kann Kabarett eh nichts, weil die, die es lieben, ja meist gegen das Böse nicht gewappnet sind oder mit den Künstlern in "staatlichen Einrichtungen" verschwinden, wenn sie mit jenen nicht rechtzeitig ins Exil gehen.

Im Moment sind die Epigonen der "Lach- und Schieß-Gesellschaft" in Hochform und machen dem kürzlich verstorbenen Hohepriester der humoristischen Irrsinnsbekämpfung, Dieter Hildebrand, alle Ehre. Doch gestern passierte etwas, das ich für ein Menetekel des Unheils halte. Claus Kleber wusste in seinem seriösen "Heute"-Format den irrsinnigen Auswüchsen des türkischen Präsidenten Recep Tanyyip Erdogan nicht anders beizukommen als mit Satire.

Die Nachricht war, dass Recep Tanyyip der Große als baldiger Osmanen-Führer eigener Gnaden die Entdeckung Amerikas kurzer Hand den Muselmanen zusprach. Was selbst bei fanatischen "Followern" einige Verwirrung auslöste. Das ganze war unterlegt mit Bildern vom monströsen Bau einer Moschee zu Ehren Sinans in Istanbul und der Ansicht seines sprachlos machenden, bald fertig gestellten präsidialen Palastes mit 1000 Zimmern.

Also aus meiner Sicht gehört der Irrsinn in einer Nachrichten-Sendung unverschlüsselt angeprangert und der Verursacher klar beim Namen genannt. Geschieht dies nicht, muss der satirisch unempfindsame Gläubige von wahrer Größe ausgehen. Das erklärte dann das IS-Phänomen.

Als ich mit meinen Eltern zum ersten Mal umfangreich die Türkei bereiste, lag das, was Hitlers Größenwahn angerichtet hatte, noch nicht einmal anderthalb Jahrzehnte zurück. Ich aber war schon in einem Alter, in dem ich gelernt hatte, den Namen des Obernazis vorsichtig und distanziert auszusprechen. Um so überraschter war ich, als meine Familie bei Einladungen von türkischen Gastgebern der damals schon (oder immer noch?) Deutsch sprechenden Oberschicht mit Meinungen konfrontiert wurden, was Hitler doch für ein großer Herrscher gewesen sei und als wie tragisch sein Scheitern empfunden wurde.

Natürlich war ich wie vor den Kopf gestoßen - auch weil mein Vater gegen solche Einlassungen nur mit sehr sanften Korrekturen vorgegangen war. Ahnte ich doch aus Familien-Diskussionen wie arg man ihm im sogenannten "Dritten Reich" zugesetzt hatte.

Sind also die Türken wieder auf dem Trip, sich nach osmanischer Größe zu sehnen? Bei über fünfzig prozentiger Zustimmung für Erdogan  muss man davon ausgehen, und die weltweite Unruhe spielt der Türkei als Außenposten der Nato und Erdogan als Oberbefehlshaber mit dem größten, stehenden Heer des Verteidigungsbündnisses die entsprechenden Trümpfe zu.

Sich in Nachrichten über ihn lustig zu machen, hilft da nicht viel. Dort müssen klare Fakten und umfangreiche Aufklärung über die verzwickten Verhältnisse auf den Bildschirm (und nicht zum Nachlesen ins Internet).

Am 15. Oktober 1940 bei seiner Premiere stellte Charly Chaplin in seinem Film "Der große Diktator" Hitler so dar, wie er heute in alten Filmdokumenten auf uns wirkt; als vermeintliche Witzfigur Da war  aber der Zweite Weltkrieg schon ein Jahr in vollem Gange.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen