Montag, 21. Dezember 2015

Heiß und kalt

Ich erinnere mich gerne, wie einem als Kind im Lesebuch auf simple Weise Physik nahe gebracht wurde. Die Geschichte hieß "Warm und kalt aus einem Munde":
Ein Wald-Kobold beobachtet eines Wintertages einen Holzfäller, der immer wieder die Axt zur Seite legt, um in seine hohl vor den Mund gehaltenen Hände zu hauchen.
"Was machst du da?" fragt ihn der Kobold.
"Ich wärme mir die Hände mit meinem Atem", antwortet der etwas überraschte Holzfäller.

Gegen Mittagszeit holt der Holzfäller einen Suppen-Topf vom Feuer und schüttet davon in einen Blechnapf. Als er die erste Löffelspitze probiert, beginnt er heftig über die Suppe zu pusten.
"Was machst du denn jetzt schon wieder mit deinem Atem?" Der Kobold ist aus dem Nichts direkt vor dem Holzfäller aufgetaucht.
"Ich blase über meine Suppe, damit sie kühler wird."
"Komisch ihr Menschen. Warm und kalt aus einem Munde?"

Komisch wir Menschen! Obwohl das Atmen lebenswichtig ist, tun wir kaum etwas, um frei davon Gebrauch zu machen. Jahrzehnte haben wir im Kalten Krieg den Atem vor allfälligen atomaren Drohgebärden angehalten. Dann haben wir erleichtert aufgeatmet, als mit der Mauer auch der Eiserne Vorhang fiel und atomar abgerüstet wurde.

Als - wie auf ein geheimes Signal hin - überall auf der Welt kleine, heiße Kriege entflammten, fand sich niemand, der cool genug war, sie sofort aus zu blasen. Genau das Gegenteil passierte. Die mit dem ganz großen Atem pusteten sogar noch hinein, bis sie  erst richtig aufloderten: Balkan, Tschetschenien, Golf, Arabien, Ukraine, Kurdistan. Aus heißen Unterstützern wurden kalte Killer. Auf heiße Diskussionen folgte kaltes Macht-Kalkül.

Aber im Feuer des Verrats wurden zwangsweise auch Allianzen mit Tyrannen geschmiedet, bei denen es einem heiß und kalt den Rücken herunter läuft.

Wenn ein ganz offensichtlich durchgeknallter Milliardär und möglicher Präsidentschaftskandidat in Reichweite der Lunte käme und ein größenwahnsinniger Zwerg mit zaristischen Attitüden auch noch von ihm gelobt wird. Dann wird es schnell mal ganz heiß auf der Welt - und dann folgt der ewige Winter...

Helfen können nur solche, die einen warmen Charakter haben und bei kühlem Verstand bleiben.

Damit wünsche ich jedem, der etwas zu feiern hat, noch schöne Tage im alten Jahr und Glück, Gesundheit sowie Hoffnung für ein besseres 2016.

Ich verabschiede mich bis zum 6. Januar in die gesetzlich für Erst-Großväter als Schonzeit vorgeschriebene Blogger-Abstinenz.

Donnerstag, 17. Dezember 2015

Krähen

Spätestens seit Alf  Hitchcocks Film "Die Vögel" ist das Image dieser Unterart der Raben-Vögel endgültig versaut. Die Krähe ist ein Singvogel, aber keiner käme auf die Idee, ihr im Winter Futterstellen einzurichten wie den Meisen, Amseln und Pfaffen.

Die Krähen pfeifen auf jegliche menschliche Hilfe, und wer mag schon sagen, dass ihre hungrigen, krächzenden Schreie kein Gesang sind. Joe Cocker immerhin hat es damit zu einer Welt-Karriere gebracht.

Meine von Kindesbeinen bestehende Empathie für Außenseiter und Minderheiten hat schon Krähen eingeschlossen, als sie in Kinder-Erzählungen noch allein als Unglücksbringer und Totenschänder diskriminiert wurden...

Inzwischen weiß die Forschung, dass die Intelligenz der Krähen in manchen Bereichen sogar die der niedlich hochgelobten Delphine übertrifft - und zwar ohne, dass sie eigens auf gewisse Reaktionen dressiert werden müssten. Heute gehen manche Ornithologen sogar davon aus, dass gewisse Unterarten intelligenter sind als Primaten - weil sie kombinieren und Probleme lösen können.

Noch weiß man nicht , ob gewisse individuelle und kognitive Fähigkeiten aus einer Art Schwarm-Intelligenz resultieren, aber das scheint mir nahe liegend. Denn ich habe vor bald 50 Jahren gewisse Erfahrungen am Lohrberg bei Frankfurt gemacht, wo ich als Lehrling an der Deutschen Buchhändler-Schule war.

Da ich immer Anlauf-Schwierigkeiten mit neuen Menschengruppen hatte, bin ich oft auf dem weiten Hügel mit den Schreber-Gärten und Wiesen spazieren gegangen, um mich dort auf eine Bank zu setzen.

Meine Einsamkeit wurde mir durch eine einzelne Krähe vertrieben. Sie setzte sich in Reichweite meines Armes auf die Lehne und schaute mich mit schrägem Kopf so lange an, bis ich aus meinen Taschen irgendetwas zu Essen kramte. Dann keckerte sie freundlich, verweilte noch einen Moment und flog davon. Egal auf welche Bank ich mich an anderen Tagen setzte. Sie machte mich ausfindig und wiederholte das Ritual. Es war Frühling. Deshalb hatte ich wenig Möglichkeiten die Leckerli zu verstauen. Mal war es die Hemd- mal die Hosentasche. Erstere links, letztere rechts Hatte ich kein Hemd mit Brusttasche an hopste sie automatisch nach rechts. Sie war leicht an ihren verkrüppelten linken Fuß zu erkennen.

Vierzehn Tage des sechswöchigen Seminars ging das so, dann hatte ich mich in eine Gruppe integriert, der ich das  mit der Krähe zeigen wollte. Aber sie spielte nicht mit. Sie flog mich zwar noch aggressiv an, aber dann dreht sie auf nimmer Wiedersehen ab, und keiner wollte mir die Geschichte glauben.

Jetzt kam sie mir wieder in den Sinn, denn beinahe jeden Morgen sehe ich Krähen im Riesen-Schwarm am Schlafzimmer-Fenster vorbei ziehen. Es sind Hunderte, und zeigen stets das gleiche Flugbild.; Erst ein dichter Pulk, dann eine Gruppe von Nachzüglern und  dann vereinzelte Trödler , die nachhängen. Geradezu wie bei der Tour de France oder beim Schul-Wandertag. Da sie von West nach Ost fliegen, nehme ich an, sie haben ihren "Krähenbaum" im Olympia-Park und steuern den Englischen Garten an.

Sie regen meine Phantasie in diesen Tagen im besonderen Maße an, seit ich weiß, dass ihr Sozial-Verhalten äußerst demokratisch ist. Krähen wollen zwar gelegentlich individuell die Oberhand über einen Gefährten haben, aber der Anspruch dehnt sich nie auf den ganzen Schwarm aus. Fressen wird geteilt und Überschüsse in gemeinsamen Vorräten angelegt. Auch in kargen Zeiten reicht das meist für alle. Einzelgänger, die ich nach dem Schwarmflug gegenüber auf dem Nachbarhaus beobachte, sind vermutlich mit Späher-Aufgaben zur Sicherung beauftragt...

Montag, 14. Dezember 2015

Jahresend-Karte

Liebe Leserinnen und Leser!
Jetzt wird es aber höchste Zeit für die Weihnachtspost.

Was? Angesichts der Weltlage keine Weihnachtsgefühle?
Für alle, denen es genau so geht wie mir, habe ich hier mal eine
Alternative gestaltet: Die Jahresend-Karte zum Ausdrucken.
Sich Hoffnungen auf ein besseres 2016 zu machen, kann bestimmt nicht schaden...



Samstag, 12. Dezember 2015

Advents- oder Weihnachts-Kalender?

Jetzt, da die Hälfte der Türchen geöffnet ist, muss ich es einfach loswerden: In puncto Weihnachts-Deko hat meine liebe Frau nicht mehr alle Tassen im Schrank. Unser kleines Appartement mit den Glasfronten glitzert mit der Nachbarschaft um die Wette, als gäbe es etwas zu gewinnen.

Allenthalben hocken Weihnachtsmänner, Nikoläuse und Engel herum, und kurz nach Dämmerung illuminiert sie dann noch echte und elektronisch flackernde Kerzen. Aber dann noch diese Räuchermännchen. Da riecht es ja wie in einer kanadischen Hasch-Kneipe!

Das mit der Alters-Infantilität hatten wir ja schon. Es wäre nett, könnte ich ihre Weihnachts-Wuselei der zuschreiben. Aber dieses exzessive Dekorieren begleitet die Kinder und mich schon unser ganzes Leben.

Es wird nicht weniger, sondern immer mehr, und das absolute Highlight an Kitsch ist der alljährliche Adventskalender. Sie sucht immer solche Belle-Epoque-Motive aus, in denen Damen in großer Robe mit ihren verrüschten Kindern in einer Winterlandschaft Schlittschuh laufen...

Abgesehen davon, dass ich mich kaum noch an einen Advent mit solchen Schneemengen erinnern kann, ist ihr tägliches Meckern, was an Motiven hinter den Türchen ist, absolut nervend.

Dabei müsste sie doch wissen, dass in Hongkong,Taipeh oder Singapur - wo auch immer die Dinger gedruckt werden - alles nur Fassade ist. Dahinter gibt es einen einheitlichen Motiv-Print der zu verschiedensten Stanzungen passt. Aber das sieht sie natürlich nicht ein. Sie findet es eben unpassend, wenn im üppigen Kostüm der Grande Dame nur ein karger Weihnachtsmann mit Karotten-Nase auftaucht.

Ich sag dann immer: "Ruf doch die Hotline an oder geh auf WWW-Weihnachskalender.de und beschwer dich!"
"Du weißt doch, dass ich Computer nicht mag."

Ja, und dann gebe ich ihr - der Katholikin - noch zu bedenken, dass der Adventskalender eine protestantische Erfindung ist und er eigentlich vom 1. Advent  bis zu den Heiligen Drei Königen reichen müsste. All die Teile, die sich nur auf den Dezember beziehen, müssten eigentlich Weihnachts-Kalender heißen...

Ich verzieh mich dann schleunigst in die absolut dekofreie Zone unseres Schlafzimmers.

Mittwoch, 9. Dezember 2015

Imagination

So müssen wir uns diese Menschen vorstellen!
Dazu braucht ihr noch nicht einmal die Augen zu schließen.
Es ist gar nicht schlecht, wenn ihr den ganzen  weihnachtlichen Glitzer-Kram mit einbezieht.
Nicht jeden Schrecken muss einer selbst oder im Fernsehen erlebt haben:

Es ist kalt und regnerisch.
Nachts wird auf der nackten Erde geschlafen.
Nur noch das, was man bei sich hat, ist geblieben.
Die Schuhe sind durchgelaufen.
Alles, was an Besitz da war, liegt in Schutt und Asche.
Viele der Liebsten sind tot.
Der Kampf für die richtige oder falsche Seite hat nichts gebracht außer Blutvergießen
Die Fahrt übers Meer war rau und nass.
Viele haben sie nicht überlebt.
Andere in der Schlange haben solche Verluste nicht erlebt.
Sie wollen nur die Chance auf ein besseres Leben.
Für die Forderung nach diesem Grundrecht  werden  sie angefeindet und diskriminiert.
Wenn euch nur bei einem dieser Sätze schauert, müsst ihr euch dennoch nicht schämen, dass ihr euch hilflos führt, weil ihr nicht helfen könnt oder helfen wollt.


Aber hört auf, nur schwarzweiß zu sehen!!!





















Allein der Steuerüberschuss dieses Landes deckt die Kosten für unsere Gastfreundschaft ab. Richtig angelegt wird sich diese Investition - wie schon immer - auf das Gemeinwohl und die Volkswirtschaft auswirken sowie die Sicherheit eurer Renten erhöhen. Also lasst Farbe in das Bild und seht die aktuelle Wahrheit!

Claus Deutelmoser: "Die Flucht" (Akryl auf Malkarton  9. 12. 2015)























Was wäre  ohne unsere Hilfe?

Die Flucht aus der Hölle in eine finstere Zukunft

Montag, 7. Dezember 2015

Automatismen von Liebe und Mitleid

Vor einigen Tagen entkam im Osten Deutschlands ein Rindvieh auf dem Weg zum Schlachthof und ließ sich nicht wieder einfangen. Das fand ich irgendwie verständlich, obwohl ich leidenschaftlicher Fleisch-Esser bin.

Weniger verständlich fand ich allerdings, dass der Polizei nichts besseres einfiel, als der "finale Rettungsschuss". So ging es wohl auch anwohnenden Bürgern. In den Nachrichten war zu sehen, wie sie auf der Stelle, an der die Kuh nieder gestreckt wurde, Kerzen und Blumen als Zeichen ihrer Anteilnahme hinterlassen hatten. Das Mitleid hat das Rindvieh quasi in den Stand  der "heiligen Kuh" erhoben und in der Art des Gedenkens  auf eine Stufe mit den Opfern der Pariser Terror-Opfer gestellt.

Das fand ich irgendwie paradox, Ein zum Tode verurteiltes Schlachtvieh starb des gewaltsamen Todes, der ihm von Anfang an zugedacht war. Wieso liegen dann nicht vor allen Schlachthöfen dieser Republik Halden von Blumen oder brennen Tausende Kerzen? Und was sind das für Menschen, die im anonymen Gemenge jedesmal hingehen, um ihre Trauer auszudrücken - für Menschen, die sie nicht gekannt haben und die sie im Leben vielleicht gar nicht gemocht hätten?
Ob Lady Di oder die Opfer von Paris - interessant ist die unterschiedliche Bewertung oder Wertigkeit der Opfer:

Unmittelbar vor den Anschlägen in Paris kamen bei einem Bomben-Attentat im Libanon ebenfalls über 100 Menschen um, ohne dass gleich zum heiligen Krieg aufgerufen  wurde oder sich die Weltgemeinde zur gemeinsamen Trauer vereinte. Auf einer Insel im Tschad wurden wenig später Frauen und Kinder auf einem Markt vom Boko Haram in die Luft gejagt.

Die Welt würde eigentlich aus den Trauerzügen nicht mehr heraus kommen, deshalb muss vielleicht selektiert und bei Nationen getrauert werden, die in der Lage sind, spektakuläre, kriegerische Maßnahmen einzuleiten..

Als Pazifist und Nutznießer unserer großartigen Verfassung bin ich in diesen Tagen im permanenten Gewissens-Konflikt, der noch dadurch verstärkt wird, dass ich deswegen an meiner Fähigkeit zu lieben und mit zu leiden zweifle.

Am 19. Dezember soll eine Lichter-Kette als friedliche Demonstration von München nach Berlin führen. Das ist ein großartiges, solidarisches Vorhaben, Aber welche Nachhaltigkeit hätte diese Aktion ?

Giovanni di Lorenzo - heute eloquenter Chefredakteur der ZEIT - war vor 23 Jahren Mitinitiator der ersten Lichter-Kette gegen Fremden-Hass. Hat sie die Nation seit Hoyerswerder nachhaltig erleuchtet?

Die schwarze Seite des Deutschseins zeigt heute als Partei-Bewegung noch viel wirkungsvoller ihre Fratze. Aber damals hätte ich mich noch hoffnungsfroh eingereiht, wenn ich im Lande gewesen wäre. Ich empfing die Botschaft weit weg als TV-Video-Schnipsel noch dazu mit falscher Interpretation.

Dennoch löste das bei mir grundsätzliche  Überlegungen aus, ob unser Verhalten in Liebe und Mitleid nicht Ergebnis einer Manipulation durch PR ist. Die Bilder und Nachrichten lösen einen Reflex aus, der uns motiviert, ein Teil des Ganzen sein zu  wollen. Das Schlimme ist, je nach Reizschwelle treibt es uns in die Lichterkette oder in die Massen der PEGIDA.

Und ist es nicht bei der Liebe genauso? Die Daily Soaps vermitteln uns ein überzogenes romantisches Bild, an der wir die Realität des Ehe-Alltags messen, und die Porno-Industrie suggeriert, dass wir "hopelessly undersexed" sind. Unzufriedenheit führt zum Wunsch nach Veränderung. Der Wunsch nach Veränderung lässt - wenn er in Gewalt ausufert - aber irgendwann keine Rückschlüsse mehr zu, ob er auf einen Mangel an Sex zurückzuführen ist...

In keinem Land der Welt wird das "I love you!" so inflationär missbraucht wie in der Porno-Weltmacht USA. Ist es da dann ein Wunder, dass der tödliche Schusswaffen-Gebrauch fast gleichrangig ist?

Samstag, 5. Dezember 2015

Nikolaus-Erinnerungen


Wieso sich meine Eltern bei der Schreibweise meines Vornamens für das C entschieden haben, war nicht zu klären. Vielleicht haben sie sich gedacht, dass das der Rübe einen Hauch von Besonderheit vermittelte. Richtig hat das eigentlich nichts gebracht,Nur Probleme, wenn in Schriftstücken und Dokumenten das K korrigiert werden musste. Selbst auf meiner Geburtsanzeige wurde mein Vorname falsch geschrieben und nicht korrigiert, weil man in der Währungsreform nach dem 2. Weltkrieg wahrhaft anderes zu tun hatte.

Meine Mutter versuchte mich durch die Namens-Nähe zum Nikolaus zu trösten , wenn meine Klassenkameraden sich - kaum dass sie schreiben konnten - über das C lustig machten. Schließlich war ein Held unserer Kindheit in Hamburg der Pirat Klaus Störtebeker. Hätte ich damals nur gewusst, dass er auch als Nikolaus oder Claas aktenkundig geworden war...

Heute wird man vielleicht sagen, dass ich hyper aktiv war. Deshalb lernte ich überwiegend die Schattenseiten der diversen Legenden-Bildung um den Nikolaus kennen: Er war eine erzieherische Droh-Instanz. Während meine braven Schwestern am 6.!2, schon früh morgens einen Sternen-Teller voll mit Keksen, Marzipan und Früchten bekamen, hing über meinem Bett nur die Rute. - Immerhin von einem roten Schleifchen zusammen gehalten.

Erst wenn ich aus der Schule kam, lenkte mich  meine listige Mutter verspätet auf  einen gründlich versteckten Nikolaus-Teller..

Nach unserem Umzug in die Bayrische Landeshauptstadt wurde das Nikolaus-Thema noch schlimmer. Denn hier kam er ja in Begleitung der Krampusse. Wild prügelnde Gesellen.

Auf der Privat-Schule war unser lieber Musik-Professor - ein Reger-Schüler, der in mich die Hoffnung einer Karriere als Opernsänger setzte - der milde Nikolaus, der versuchte meine Sünden mit der musischen Begabung aufzurechen. Aber da hatte er die Rechnung ohne den Direx und unseren Englisch-Lehrer gemacht, die stets ein ganzes Jahr zu warten schienen, in den Teufels-Masken, schwarzen Strumpfhosen und Zottelpelzen  straffrei auf mich einzuprügeln.

Mit dem erwachsen Werden passierte es, dass ich mich selbst  zu einer Art Nikolaus entwickelte. In Übersee hatte das seine Vorteile - auch das C. Mein langer Nachname bereitete oft Schwierigkeiten. So dass ich immer häufiger sagte "call me Claus, like Santa!" Ich war nicht mehr der "longnameone", sondern eine Art Marke. Noch heute schreiben mich ehemalige Kollegen mit "Dear Santa" an.

Eine Bank hätte ich in einer Weihnachtsmann- oder Nikolaus-Verkleidung nie ausrauben können. Schon bei den Kindern und deren Freundeskreis flog ich auf.

Einmal habe ich mir echt Mühe gegeben. Es hatte geschneit, und im Garten lag eine ordentliche, unberührte Schneedecke. Damit alles schön echt aussah, sprang ich von der Gartenmauer, als käme ich direkt aus dem Himmel, und polterte gegen die Terrassen-Tür. Die Kinder waren starr vor Schrecken. Mit Ausnahme meines damals sechsjährigen Sohnes. Der winkte nur lässig ab:"Das ist ja der Pappi!"

Durch den schweren Umhang und die Glaswollen-Bärte und -Brauen wurde das ganze zur echten Tortur. Nie wieder wollte ich den Nikolaus geben.

Dienstag, 1. Dezember 2015

Das Bärchen ist los

Woody Allen, der heute 80 geworden ist, kennt sich aus, wenn er behauptet: "Es gibt nichts Komisches am Altern - außer für die anderen".

Wir sind ja noch jünger, und deshalb finden wir auch den Spruch, der Mae West zugeschrieben wird passend:"Altern ist nichts für Feiglinge."

Hätte ich doch bloß in jüngeren Jahren nicht all die Witze über das Altern erzählt. Ich hätte ahnen müssen, dass ich dafür bestraft werde. Wir nehmen nämlich bereits jede Phase mit, für die ich die passenden Spitzen-Jokes hatte:

Die präsenile Bettflucht haben wir als Langschläfer noch unter Kontrolle. Was uns zunehmend Sorgen macht, ist das kurzfristige Wiederholen von Geschichten, und das nachlassende Gedächtnis, dass wir sie bereits erzählt haben. Die "Zweitvergesslichste von allen" hat aber bereits ihr Langzeit-Gedächtnis geschärft. Wenn ich noch Namen suche, hat sie sie wie aus der Pistole geschossen parat, muss mich aber fragen, wie der "Tatort" vom vergangenen Sonntag geendet hat.

Die Weinerlichkeit erreicht uns täglich bei den Nachrichten. Wir können es einfach nicht fassen, was mit unserer Erde und den Menschen geschieht. Die Hoffnung, dass die Machtgeilen sich von den Geistern der Weihnachten bekehren lassen wie der Ebenezer Scrooge des Oscar Wilde, haben wir längst aufgegeben. Keine Ahnung, ob das daran liegt, dass Politiker immer jünger werden, und nur ein Bruchteil von dem gesehen haben, was mir zu erleben, vergönnt war.

Uns laufen die Tränen vor Trauer und Hilflosigkeit herunter, und manchmal schreien wir uns sogar vor lauter Verzweiflung mit längst ausgeleierten Argumenten an.

Da tut es gut, dass wir zur Kompensation bereits unsere Alters-Infantilität aktivieren können. Und da kann ich  derzeit Woody Allen noch widersprechen. Wenn wir den Schalter umlegen, finden wir uns sehr komisch und lachen über uns ebenfalls - Tränen...

Neuestes Spaß-Objekt ist ein kleiner rotbrauner Bär, der plötzlich als Schlafgenosse auftaucht. Unsere angematschten Hirne sind also in den späten Abendstunden damit beschäftigt, mit welcher Pose dieser Bär den Partner im Bett überrascht. Mal macht er sich auf meinem Kissen breit, mal steckt er im Nachthemd meiner Frau. Mal ragen nur seine Füße unter der Bettdecke hervor oder er schlägt auf der Überdecke Purzelbäume.

Und er hat etwas geschafft: Meine besser Hälfte, die von ihrem Steinzeit-Handy nicht lassen kann und sich weigert, die Handhabung meines Smartphone zu verstehen, hat ihren Scharfsinn aktiviert, um dieses diskriminierende Foto von meinem Nachmittags-Schläfchen zu machen. - Den Bären hat sie mir natürlich "aufgebunden".

Immerhin ein Fortschritt