Mittwoch, 29. November 2017

SOKO-Koller

Ich mache mir oft Gedanken darüber, was für ein Bild jene Länder von uns Deutschen haben, wenn sie die TV-Serien sehen, die sie von uns gekauft haben. In Japan habe ich einmal im Jetlag den guten alten "Derek" mit seinem Assistenten gesehen. Bis heute weiß ich nicht, was "hol schon mal den Wagen" auf Japanisch heißt, aber ich erinnere mich noch gut daran, dass beide sprachen wie Shoguns. Derek verwischte die "Tatorte" im Münchner Umland so, dass nur Eingeweihte sie zuordnen konnten, aber das ist eben 30 Jahre her.

SOKO Kitzbühel
Heute spielen die Serien an malerischen Orten, die auch wunderschön ins Bild gesetzt werden; ob Murnau, Bad Tölz, Rosenheim oder Kitzbühel, alle muten an wie romantische Massenmord-Metropolen, die aber von Touristen begeistert besucht werden. Vermutlich wird der eine oder andere ziemlich enttäuscht sein, wenn er in den Gassen und auf den Marktplätzen nicht ständig über Leichen stolpert.
SOKO Wismar
Auch umgekehrte Tourismus-Werbung via Mord und Totschlag machen die Krimi-schaffenden, damit das Ausland auch etwas vom Kuchen abbekommen. So ermitteln deutsche Lieblings-Schauspieler in Istanbul, Tel Aviv, Paris, Barcelona, Triest, Bozen und Venedig sowieso, weil ja Commissario Brunetti nur deshalb so erfolgreich ist, weil die Deutschen die Bücher von Donna Leon begeisterter verschlingen als andere Länder.

Was machen ältere Ehepaare wenn es draußen kalt ist und der Regen runterprasselt? Sie schauen,   ob es nachmittags im TV etwas leicht Konsumierbares gibt. Als Alternative zu den hoch gepuschten Koch-Shows und Gerümpel-Sendungen haben die Fernseh-Macher in allen öffentlichen Kanälen eine regelrechte SOKO-Manie im Nachmittags-Programm entfacht. Und bei der kommt auch der Deutsche Osten mit seinen Mimen nicht zu kurz : SOKO Wismar, konkuriert mit SOKO Leipzig. Dann gibt es aber auch die SOKO Köln, sowie eine in Stuttgart. Um den SOKO-Koller perfekt zu machen, werden die Staffeln so gestaffelt, dass sie durch die ständigen Wiederholungen bald nicht mehr auseinander zu halten sind.
SOKO Köln

SOKO Wien - rechts der "Nussek"









Einzig die fürsorglichste aller Ehefrauen, erliegt keinem Trugbild, hilft mir mit Lebensläufen aus, und erläutert, wenn Personal von einer SOKO in die andere gewechselt hat. Ihre absolute Lieblings-SOKO ist erstaunlicher Weise die von Wien. Die schaue ich mir nicht an, weil da der Chef - verfluchtes Langzeit-Gedächtnis - einer ist, der als Tennis-Trainer Nussek einst in der Lindenstraße mit seiner minderjährigen Schutzbefohlenen ein Verhältnis hatte. Da konnte die dann in späteren Folgen offenbar nur noch lesbisch werden...

Sonntag, 26. November 2017

Suche ohne Fund

Gestern habe ich die kurze Sequenz einer Dokumentation über Enten gesehen. Entenpaare bleiben ihr Leben lang zusammen, paaren sich, benutzen nach Möglichkeit das gleiche Nest für die Ei-Ablage. Was ich nicht wusste, ist die Tatsache, dass sie auch auf hohen Bäumen in Hohlräumen nisten, die sie mit ihren Eiderdaunen zum gemütlichen Kreisssaal machen. Dann wird gebrütet, und kurz nachdem die Küken geschlüpft sind, also ehe die Flügelchen zum Fliegen taugen, müssen sie sich aus großer Höhe dem Lockruf der Eltern folgend hinunter stürzen. Dann geht es im Entengang ins Wasser und schon bald benützen die Entchen ihre Flügel, um flügge zu werden. Ade liebe Eltern! Das war es dann auf nimmer Wiedersehen. Nur wenige Arten begleiten nämlich ihre Eltern beim ersten Zug...

Gut, die meisten Enten-Eltern werden nicht sehr alt. Manche brüten nur dreimal, was beim Schwund von über  60 Prozent, oft gerade zur Art-Erhaltung reicht. Mit anderen Worten: Sie haben gar keine Zeit, sich über den tieferen Sinn des Daseins Gedanken zu machen.

In den Trauer-Anzeigen der SZ vom Wochenende waren die meisten weit in den 80ern, ehe der "Boanl" sie holte. Ihre bevölkerungspolitische Pflicht haben die meisten erfüllt. Das kann der Leser an den aufgeführten Kindern und Enkel-Kindern erkennen. Acht Jahrzehnte und mehr sind viel Zeit für die Suche nach dem Tieferen Sinn. Und die Mutmaßung sei gestattet, dass jeder Mensch - gleichgültig von Herkunft oder Grad der Bildung - dabei an den Punkt gelangt, an dem er die Sinnfrage stellt. Dass dies jedoch das Privileg eines erfüllten Lebens ist, sollte eine vom  individuellen Ergebnis unabhängige Erkenntnis sein.

An diesem Wochenende starben wieder Hunderte infolge des sinnlosen Terrors oder ertranken bei dem unsinnigen Versuch, ihrem Leben fern der Heimat einen Sinn zu geben, selbst wenn sie dabei stürben.
Kurs halten - auch bei widrigen Winden...
Acryl auf Mal-Karton

Prinzipiell also sind Enten besser dran. Sie müssen oder können nicht so lange über den Sinn ihres Lebens nachdenken...

Mittwoch, 22. November 2017

Das Schweigen der Kenner

Politiker sind per se eigentlich zur Wahrheit verpflichtet. Wer die unterschiedlichen Wahrnehmungen vom Scheitern der sogenannten "Jamaika-Sondierungen" vernommen hat, kommt nicht umhin, die Statements danach in einem Grauschleier zu sehen. Wer war nun wirklich schuld? Wie bei einer Ehe mit unüberbrückbaren Differenzen, wird gerne dem die Schuld zugewiesen, der sich von Tisch und Bett trennt.

Da ich mich genau erinnere, dass Wolfgang Kubicki live im Fernsehen die Verlängerung der Runde auf 18 Uhr Sonntags  für ein Aussteigen  der FDP aus den Verhandlungen befristet hat, kann später nicht überrascht gewesen sein...

Ich war noch nie ein Freund der Liberalen, die ihr Mäntelchen stets nach dem Wind gehängt haben, aber hier waren sie ausnahmsweise konsequent. Eine Konsequenz, die ich mir viel eher von den Grünen erwartet hätte; bei den überheblichen Kommentaren und Schmähungen von Söder, Dobrindt und Co.. Der maue Mautmacher sprach verächtlich von der "8,Nochwaspartei" und übersah dabei offenbar, dass seine CSU nur 6,2 Prozent erzielt hat, und somit die kleinste Partei im Bundestag  gewesen wäre.

All die schlauen Kenner der Materie nahmen schweigend die Dresch-Flegeleien zur Kenntnis und stimmten in den Chor der FDP-Schmäer ein. Dabei wären die Grünen mit ihrer langen  Latte an Zugeständnissen viel eher zu tadeln gewesen. Aber wenn sich die Chance bietet, sind die Grünen derart geil aufs Regieren, dass sie ihre Grundsätze ungetrennt auf den Kompost werfen. Wie ihr "Auto-Krat" Winfried Kretschmann als Ministerpräsident vom Mercedes/Porsche-Land Baden Württemberg...

Von der Herrschaft der Philosophen, wie sie in der Antike unter anderem von Platon  vor 2500 Jahren empfohlen wurde, rückt die Menschheit immer weiter ab. Wenn Lügenbolde Staatschefs werden und damit auch immer mehr Erfolg haben, riskiert ein Kenner, der sich äußert, eben Kopf und Kragen. Ihr Schweigen ist ihnen daher nicht zu verdenken, denn den Kopf brauchen sie ja immer noch für mögliche, bessere Zeiten.

Derweil plappern die Demokratie-Djangos in jedes Mikrophon, dass ihnen hingehalten wird, und offenbaren damit, dass sie von Philosophie Lichtjahre entfernt sind.

Philosophie, die Liebe zur Weisheit, wünsche ich mir jetzt  von unserem Bundespräsidenten.

Allen anderen möchte ich den Spruch zurufen, mit dem mich meine Lehrer genervt haben, wenn ich geplappert habe:

Si tacuisses, philosophus mansisses


Hättest du geschwiegen, wärst du Philosoph geblieben

Montag, 20. November 2017

Wenn vier sich streiten, freut sich die fünfte

Wer sich die einzelnen Statements unserer Spitzenpolitiker geballt reinzieht, gewinnt den Eindruck, es gehe ihnen eher um persönliche Eitelkeit als um ihr Land.

These 1: Angela Merkel hat die historische Chance verpasst, sich endlich von der bayrischen Schwester CSU zu lösen.

These 2: Die einstige Umfaller-Partei FDP hat mit einer guten Doppel-Spitze endlich einmal Standfestigkeit bewiesen. Ob es aber zu dem kalkulierten Aufwind für die Liberalen kommt, ist fraglich.

These 3: Tritt Seehofer nicht sofort zurück, wird die CSU bei der kommenden Landtagswahl weiter abgestraft. Viele in Bayern haben die CSU ja nur gewählt, weil sie weiter Frau Merkel wollten..

These 4: Das Gespenst von Weimar wird durch Neuwahlen nicht verjagt, sondern geistert weiter durchs Land.

These 5: Neuwahlen würden die AfD nur noch stärker machen.

These 6: Die SPD käme durch tapferes Beharren auf Opposition nicht aus ihrem Tief. Denn bei einer doch noch Koalition wird sie von den einen als schwach wahrgenommen, während bei Neuwahlen die Jetzt-erst-recht-nicht-Wähler entweder für die Kanzlerin stimmen oder doch noch weiter nach rechts rücken.

These 7: Niemand, der ihre Leistung richtig würdigt, könnte der Kanzlerin böse sein, wenn sie bei Neuwahlen nicht mehr antrete. Aber dann hinterließe sie ein politisches Chaos, weil sie nie einen Gedanken auf eine Nachfolge verschwendet, im Gegenteil manch gute Kraft vertrieben hat.

These 8: Mögliche Überlegungen von Bundespräsident Steinmeier, Angela Merkel mit einer Minderheiten-Regierung zu beauftragen, hätte zwar den Hauch von Ur-Demokratie, müsste aber vergegenwärtigen, dass die Stimmen der AfD - wie seinerzeit die der NSDAP - an Entscheidungen Einfluss gewönnen.

Samstag, 18. November 2017

Sind wir noch zu retten?

Im Verlauf der Geschichte sind alle Hoch-Kulturen untergegangen. Die Gründe waren recht unterschiedlich. Von diversen Natur-Katastrophen und mordenden Eroberern einmal abgesehen, spielt ein durch zunehmende Eitelkeit gespeistes Gefühl der Überlegenheit und Unfehlbarkeit der Führer eine nicht unerhebliche Rolle.

Die Welt schaut gerade zu, wie der Greis Robert Mugabe nach dreieinhalb Jahrzehnten Diktatur nicht von seiner einstigen Macht lassen will. Der Kolonial-Name Rhodesien wurde bei der Unabhängigkeit mit Bedacht abgelegt. Eingedenk der afrikanischen Hochkultur Monomotapa, die von der Felsenburg Great Simbabwe ab dem 11. nahezu vier Jahrhunderte andauerte und das heutige Mozambique einbezog; und zwar bevor der Weiße Mann den Schwarzen Kontinent ausbeutete!

Mugabe liefert dazu ein Lehr- und Schurken-Stück, wie man eine Nation reich an Bodenschätzen und Agrar-Produkten durch Alters-Starrsinn desaströs runterwirtschaften kann.

Heute schauen wir uns als Touristen weltweit staunend die Überreste von dem an, was auch ohne westlichen Einfluss zur Größe kam. Ob das Reich der Khmer, der Inkas, Majas oder der Wikinger - besser Normannen - wir lernen daraus nicht. Deshalb kommt es auch immer wieder zur Zerstörung des Alten. Das ist politisches Konzept.

Die, die Luther missverstanden, sorgten für den Bildersturm. Die chinesische Kultur-Revolution vernichtete Kulturgut von unschätzbaren Werten. Das selbsternannte Kalifat zerstörte Jahrtausende alte in Stein gehauene  Artefakte, weil sie älter waren als ihr Glaube an Allah und seinen Propheten Mohamed.

Jetzt können wir zusammen mit den meisten unserer liberalen türkischen Mitbürger darauf warten, wie der Potentat Erdogan seinen Wahn von der Wiederauferstehung des"Osamanischen" Reiches ohne Rücksicht auf Bürger anderer Meinung umsetzt.

Das Virus "An meinem Wesen soll die Welt genesen" steckt leider in jeder Nation - nicht nur in der deutschen - wie Emanuel Geibel einst schwadronierte. Deshalb sind wir auch nicht mehr zu retten.

Mittwoch, 15. November 2017

LOVE

Ein gewisser Sean Combs hat sich letzte Woche wieder einmal einen neuen Künstlernamen verpasst.
Daran, dass der alte nicht mehr zog, kann es nicht gelegen haben, denn der Rapper - vormals bekannt als P. Diddy - ist laut Forbes der Reichste seiner Zunft. Rund 820 Millionen Dollar soll er errappt haben. Mit seinem neuen Künstler-Namen LOVE wird er vermutlich die Milliarde bald voll machen.

In den US-Serien wird das Wort Love so inflationär gebraucht wie das andere fourletter word mit dem F. Längst haben puritanische Sender damit aufgehört Zweiteres zu überpiepen. In den Sons of Anarchie beispielsweise, in der auch ständig das Wort Liebe geheuchelt wird, blieben in der öffentlichen Ausstrahlung oft nur noch konterkarierende Dialoge übrig, die eingenwilligen Sinn machten.

Längst ist auch dem Romantischsten klar, dass loving und fucking nur im kurzen Glücksfall zusammen passen. Deshalb kommt es im Windschatten solcher Gefühle immer häufiger zu zwei anderen fourletter words: hate and dead.

Die Schwiegermutter sagt ein falsches Wort, schon greife ich mir aus meinem privaten Waffen-Arsenal ein Pump-Gun, eine MP und ein paar Handgranaten und räume gleich mal in der Gemeinde auf. Ich habe eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) aus den US-Einsätzen in Asien mitgebracht und stelle fest, dass ich mein Land mehr geliebt habe, als dieses mir Fürsorge zuteil werden lässt. Dann räche ich mich eben an unbekannten Mitbürgern. Es sterben doch im TV jeden Tag sowieso mehr Menschen als in allen Kriegen zusammen.

Kommen wir zurück zu P. Diddy alias LOVE: Einen Teil seines Vermögens hat er mit Uptown-Gangsta-Rapp eingefahren, obwohl er da noch  anfänglich Betriebswirtschaftslehre studierte. Als sein Freund, der Rapper Notorious Big, Opfer eines drive-by-shootings wurde. verarbeitete er sein Trauma mit Sting, dem Frontman der Gruppe Police, in den weltweiten Nummer-Eins-Hit I'll Be Missing You.
Mit seiner damaligen Freundin, Jenifer Lopez, geriet er übrigens auch selbst in eine Straßen-Schießerei, bei der der Einsatz seiner illegalen Schusswaffe allerdings straffrei blieb...

Tatsächlich macht LOVE in seinem Zivil-Leben durchaus Sinn: Er hat sieben Kinder aus drei Ehen...

Sonntag, 12. November 2017

Auskarteln!

Wenn zwei oder mehrere Kontrahenten im Streit nicht weiter kommen, sagt man in Bayern gerne:
"Dann kartelt's halt aus!"

Die Presse könnte das dann wirklich
Jamaika-Poker nennen.
Das möchten vermutlich manche, die den Seehofer wie auch ich nicht mehr sehen können, den Jamaika-Unterhändlern der vier beteiligten Parteien gerne zurufen. Allerdings sollten sie nicht pokern wie bisher, denn Bluffs und ein Übermaß an Glück, um alles auf die letzte Karte zu setzen, hat diese Republik nicht verdient.

Also wenn schon Karten dann Schafkopf! Das wird zu viert gespielt, obwohl - da gibt's ja keine Schwarzen...
Allerdings Schellen, die früher den Narren umgehängt wurden. Demnach wäre Seehofer, der immer so versonnen lächelt, der Schellen-König, der sich sprichwörtlich freut. Seine Paladine, die ihm und sich gegenseitig gerne das Schwert in den Rücken jagen, wären demnach Schellen-Ober und Schellen-Unter. Dass Angela die Königin der Herzen ist, versteht sich da von selbst. Ihr drohte nur beim "Wenz" eine Entmachtung. Das wäre der Fall, wenn alle vier Unter in einer anderen Hand landeten...

Vielleicht klappt es da besser mit Skat. Das wird nur zu dritt gespielt, und selbst die Luschen im Karo könnten in ausreichender Menge  gewinnen. Ist ein Vierter dabei, muss in der Runde allerdings immer einer aussetzen und die Karten mischen. Angela wechselt Farbe und Geschlecht, wird Kreuz-Bube und übertrumpft dann den Pik-Buben Seehofer. Besser noch, sie lässt Seehofer gleich draußen, gibt der CSU keine Karten mehr und bündelt mit leicht rot gefärbtem Haar den Grünen und Freien die auch im Rosa-Look auftreten ihr Ja-Wort.

Wie das Spiel auch immer ausgeht. Die AfD wird sich nicht damit abgeben, auf Dauer gedrückt im Skat zu liegen. Da könnte Jamaika zu Weimar werden...

Die Bürger spielen derweil "Mensch ärgere dich nicht". Da könnten sie sich die passende Farbe auch
selbst aussuchen. Das Spiel-Ergebnis ist reine Glückssache und ändert eh nichts.

Freitag, 10. November 2017

Front-Bericht

Es ist so schön über einer Straßen-Kreuzung zu wohnen, die von vielen Laubbäumen umkränzt ist!
Das Grün reicht sogar bis zu uns im vierten Stock. Es schützt uns vor neugierigen Blicken und vermittelt uns den Eindruck, als könne das mit dem Feinstaub gar nicht so schlimm sein. Wo doch das Eichhörnchen-Paar sein Leben genießt, der Specht herum hämmert und die Amseln so laut singen, dass sie den Verkehr noch übertönen...

Aber dann kommt in diesen Tagen der Sturm, den wir ernten, weil wir den Wind des Klimawandels gesät haben. Über Nacht sind die Bäume kahl, und die eben noch goldrote Pracht liegt welk auf den Bürgersteigen.

Jetzt beginn der Krieg der Hausmeister, die ja für die Säuberung der Gehsteige in ihrem Grundstücks-Bereich verantwortlich sind. Wer hat den längsten, wer den stärksten und wer den lautesten? - Laubbläser natürlich!

Unser "Facility-Manager" - wie dieser Berufszweig neuerdings euphemistisch genannt wird - geht dabei vorschriftsmäßig vor, bläst das "Laubgut" zusammen auf einen Haufen und presst es dann in die Bio-Tonne. Der Hausmeister-Dienst, den das Haus gegenüber frequentiert, bläst die Blätter unter die Begrenzungs-Hecken, was wegen der Nährstoffe ja auch nicht falsch wäre. Aber der Wind, das himmlische Kind, macht dann daraus gewissermaßen eine Sysiphos-Arbeit.

So dauert die Blaster-Battle bis zum ersten Schnee. Wer sich darüber aufregt, braucht zur Beruhigung nur einige Schritte auf den Ring zu zugehen. Um das Laub der paar Bäume, die die Großbaustelle verschont hat, kümmert sich niemand. Auf dem Weg zu den Verkehrsmitteln ist die Stadt zuständig und tut erst recht nichts. Was bedeutet, das das Laub von stapfenden Kindern und unachtsamen Fußgängern Blatt für Blatt in die Wohnhaus-Bereiche - und die Treppenhäuser geschleppt wird...

Dienstag, 7. November 2017

Freunde?

In Zeiten der Net Communities scheint es besonders leicht Freundschaften zu schließen und auch zu pflegen. Aber genau so im Handumdrehen kann das herzlich Offenbarte in blanken Hass umschlagen. Der Begriff Freundschaft verliert dadurch an Wert und weicht einer Oberflächlichkeit, in der preisgegebene, tiefere Gefühle stets von einem gewissen Misstrauen begleitet werden müssten. Wer kann schon garantieren, auf welchem Daten-Müll sie einst landen...

Mein Vater war Oldschool. Er starb, bevor das Internet richtig im Fahrt kam. Aber er behütete lebenslange Freundschaften. Zwei-, dreimal im Jahr verschickte er stapelweise weltweit Ansichtskarten mit tollen Marken drauf, um die Freunde und Freundinnen auf dem neuesten Stand zu bringen und um natürlich auch Aktuelles von ihnen zu erfahren. Ich weiß nicht, ob er genauso viele Karten oder Briefe zurück bekommen hat, aber ich weiß eine rührende Geschichte:

Mit einem indischen Medizin-Studenten spielte er in Kiel während seines Jura-Studiums in einer Tischtennis-Mannschaft, die sogar Deutscher Meister wurde. Der Krieg riss sie auseinander, aber auch trotz aller späteren Unruhen auf dem Subkontinent hielten die beiden immer brieflich Kontakt.

Nach der Pensionierung Richtung Ostasien im VW-Bus unterwegs, machte mein Vater seinen alten Tischtennis-Kameraden in einem Nest in Zentral-Indien ausfindig wo der beliebte Doktor nun auch seinen Ruhestand genoss. Er machte gerade seinen Mittagsschlaf, als mein Vater dessen Hauspersonal bat, ihm das Wecken zu überlassen. Er tippte ihm sanft auf die Schulter, und im Moment des Erwachens erkannte er nach vierzig Jahren Trennung meinen Vater sofort.

Anderthalb Jahrzehnte später hielt sich der Doktor nach einer schweren Operation in München zur Genesung im Haus meiner Eltern auf, als mein Vater den Sekunden-Tod starb. Eine wahre Lebensfreundschaft!

Selbst im e-mail-Zeitalter wünschte ich diese Beharrlichkeit für mich. Aber Fakt ist, dass meine wirklichen Freunde entweder schon tot sind, oder wir durch charakterliche Veränderungen so weit auseinander gedriftet sind, dass ein erneuter Brückenschlag mir zu mühselig wäre. Zumal ich durch das halbjährliche  Dorfleben in Italien dem Sterben von Freunden viel näher bin als hier in der Großstadt und es einfach nicht ertragen kann.
Im Alter muss wahre Freundschaft spontan und
ohne "Klettverschluss"  sein

Allen Sprichwörtern zum Trotz werde ich immer mehr zu einer Insel, die sich mit Dämmen an Schutzbehauptungen gegen die Flut des Unvermeidlichen schützen will.

Mein Weg, Kontakt zu pflegen, sind meine Blogs, in der Hoffnung dadurch "Freunde" zu finden.  - So einseitig dies auch sein mag.

Selbst die alte Fußball-Forderung "11 Freunde müsst ihr sein" ist ja durch das Söldner-Wesen mit Transfers in Multimillionen Höhe eine Legende aus grauen Zeiten...

Samstag, 4. November 2017

Ein Jahr Trump

Amerika, du hast es besser
Als unser Kontinent, das alte,
Hast keine verfallene Schlösser
Und keine Basalte.
Dich stört nicht im Innern
Zu lebendiger Zeit
Unnützes Erinnern
     Und vergeblicher Streit.   
 J. W. Goethe

Auch unser ewiger Geheimrat von Goethe und seine geflügelten Worte haben vor dem Lauf der Geschichte nur bedingt bestand.

Als ich als Kind in der amerikanischen Nachbarschaft  aufwuchs, empfand ich Neid und bedauerte es, kein Amerikaner zu sein. Später marschierte ich gegen den Vietnam-Krieg über den Stachus und wurde nach einem friedlichen "Sit-in" vor der amerikanischen Botschaft kurz wegen Verdacht auf Landfriedens-Bruch festgenommen - aber nur bis um die Ecke von der Königinstraße...
Der späteren Erteilung des Journalisten-Visums stand daher nichts im Wege. Jede meiner Reisen in den vereinigten Staaten war niemals zwiespältig. Zu beeindruckend waren Landschaft und Kultur trotz ihrer nur kurzen Geschichte, und zu nachhaltig die Begegnung mit Menschen, die eben nicht dem Klischee entsprachen.

Die USA waren immer großartig:
Sie produzieren Nobelpreisträger am laufenden Band, zeitgenössische Kunst, die Musik und natürlich die vom "creative writing" geprägte Literatur beeinflussen weltweit die jungen Schreiber. Ohne die im Silicon Valley versammelten Genies wären die heutigen Standards in Electronic und IT nie erreicht worden.
Auf wen also zielt Trumps Forderung diese Nation "wieder größer zu machen" und im Alleingang an die erste Stelle zu bringen?

Nach einem Jahr seiner Präsidentschaft ist klar, dass er die, die auf den oben angesprochenen Gebieten für Furore gesorgt  haben, ausnahmslos nicht hinter sich hat. In 12 Monaten Amtszeit hat er hundertmal mehr auf seinem Kerbholz, das ein Impeachment-Verfahren verdiente, als "tricky Dick" Nixon beim Watergate-Skandal.

Aber lassen wir uns von diesem einzigartigen Polit-"Orange"-U-Tan nicht ins Bockshorn jagen, nicht von all den selbst-Inszenierungen täuschen:
Er hat nichts, aber auch gar nichts erreicht, und vielleicht wollte er das auch gar nicht.
Als Grusel-Comic in Wachs verewigt, aber hoffentlich dann nicht
im verleugneten Klimawandel schmelzend...
Viel Lärm um nichts! Bislang zumindest...

Donnerstag, 2. November 2017

Das Luther-Puzzle

Eines muss den Menschen protestantischen Glaubens nach diesem Feiertags-Marathon in Sachen Martin Luther klar sein: Gesichert sind nur die historischen Eckpfeiler seines Lebens. Zwischen ihnen wird nicht eindeutig klar, wes Geistes Kind er tatsächlich war. Weil selbst die besten Regisseure, Historiker und Analysten ohne den selbst erlebten Hintergrund jener Zeit, die charakterlichen Eigenschaften des Reformators nicht werten können. Quellen werden im Laufe der Zeit ja regelrecht verwässert.

Die Kirchen-Politikerin Margot Käßmann hat einige treffende Kommentare zu den gesicherten Erkenntnissen veröffentlicht, und auch Martin Luthers Antisemitismus nicht ausgespart. Man solle ihn nicht auf einen Sockel stellen, aber seine Leistungen im Hinblick auf Gleichberechtigung und Aufklärung anerkennen...

Der Spruch, dass hinter jedem mächtigen Mann eine starke Frau stünde, ist dennoch nicht ganz treffend, weil die Nonne Katharina von Bora ja erst die Ehe mit Luther einging, als er durch seine Standhaftigkeit und Argumentations-Kraft den Weg dazu bereitet hatte.

Als Sohn einer Katholikin und eines agnostischen Vaters wurde ich evangelisch getauft und verlor meinen Glauben in dem Moment, in dem ich konfirmiert wurde. Der Pfarrer, der das Ritual mit Abendmahl vollzog, war streng und wurde ein erfolgreicher Kirchen-Politiker. Ich habe bis heute nicht begriffen, wieso er mit dieser Ratio den ganzen Zauber nicht infrage stellen konnte.

Dennoch blieb mir von Luther einiges, für das ich ihm mein Leben lang dankbar bin: Das freie Aussprechen der Meinung, so lange ich die auch anderen ließ; vor allem den Frauen, denen ich begegnete - und das waren nicht nur starke. Überzeugungen nur dann zu ändern, wenn sich Argumente häuften, sie aufzugeben. Aber das wichtigste: Nicht vor Mächtigeren einzuknicken. Schon gar nicht, wenn es um die Verteidigung von Geschriebenem und Gedrucktem geht. Ohne den unbeugsamen Lucas Cranach d. Ä. wäre Luthers Reform gescheitert.

Das half mir sehr, als ich erfolgreich den Kriegsdienst verweigerte und später diversen Politikern auf Augenhöhe begegnete.

Was mir von 500 Jahren Reformation durch Luther am wichtigsten ist? Seine Fähigkeit, zu reformieren, ohne den revolutionären Auswüchsen mancher seiner Weggenossen zu erliegen.

In diesem Sinne möchte ich die Aufmerksamkeit auch auf Philipp Schwarzerdt lenken, der als Melanchthon sehr viel für Luther regelte (Evangelisches Glaubensbekenntnis Augsburg 1530), und dessen Würdigung für meinen Geschmack in diesem Jahr erheblich zu kurz kam.