Freitag, 27. Februar 2015

Mut zur Kippa!

War es politisches Kalkül? Nachdem Benjamin Netanjahu im Wahlkampf den Eindruck erweckte, Juden seien in Deutschland nicht mehr sicher und sollten sich überlegen, ob sie nicht besser nach Israel auswanderten, stößt jetzt der ansonsten moderate Josef Schuster ins gleiche Horn. Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland denkt öffentlich darüber nach, ob es nicht sinnvoll sei in Vierteln mit überwiegen muslimischen Anteil auf das Tragen öffentlich sichtbarer, jüdischer Glaubensattribute - wie beispielsweis die Kippa - zu verzichten...

Ja geht's noch? Trotz der unfassbaren Verbrechen, die unsere Nation an Juden verübt hat, gehört das Judentum doch allemal mehr zur deutschen Kulturgeschichte als der Islam. Wenn wir salafistisches Outfit, Burka und Kopftücher in unserem Straßenbild zulassen, muss das erst Recht für bekennende Kleidungsattribute unserer Juden gelten. Und das hat wirklich nichts mit der Erbschuld, sondern mit Toleranz, Anstand und Moral zu tun

Und wenn der aggressive Islam, der bislang noch keine wirklich zählbaren Beiträge zu unsere Kultur geleistet hat, glaubt, er habe ein Recht auf Übergriffe, nur weil die Stimmungslage danach ist. Dann muss er von den Aufrechten in die Schranken verwiesen werden.

Besser noch, die moderaten muslimischen Neubürger in Deutschland müssen nachdrücklich für  immer stigmatisierte jüdischen "Altbürger" eintreten. Das geht nicht mit Lippenbekenntnissen, sondern nur durch friedliche Taten.

Wer als Moslem in seinem Stadtviertel mit bekommt, dass gegenüber einem Kippa-Träger Einschüchterungen oder gewaltsame Übergriffe drohen, muss sich mit Gleichgesinnten seiner Gemeinde zusammen tun, und nach alter islamischer Tradition Schutz anbieten.

Wenn wir als Gesellschaft diesen Schutz nicht mehr gewähren können, haben wir alle schon verloren

Montag, 23. Februar 2015

Masken-Ball

Irgendwie habe ich gedacht, ich sei ein Frauen-Versteher. Oft habe ich sogar heraus gefunden, was sie wünschen, ohne dabei so selbstbewusst zu sein wie der legendäre Waschmaschinen-Hersteller Bauknecht.

Meine Devise war immer, dem weibliche Geschlecht den höchstmöglichen Respekt zu zollen, ihm Fürsorge und Behutsamkeit angedeihen zu lassen. Jetzt weiß ich, dass ich nichts verstanden habe. Frau fühlt sich offenbar nur noch wahrgenommen, wenn sie öffentlich über ihre Feuchtgebiete schwadroniert oder sich global  Sado-Maso-Orgien hingibt.

Warum tun sich Frauen das an?
Nach dem für mich peinlichen Défilé auf dem roten Teppich musste ich die Oscar-Übertragung vorzeitig abschalten. Leider verpasste ich damit die angeblich "politische Note", die die Verleihung dieses Mal gehabt haben soll, weil die Rassismus-Diskussion im Vorfeld zuviel Aufmerksamkeit erzielt hatte...

Komischer Weise war es kein Thema, dass sich fabelhafte Frauen, Weltstars gar mit Botox und Gesichtschirurgie bis zur Unkenntlichkeit selbst entstellen. Weil sie sich einreden, nur so im Geschäft bleiben zu können? Das nette Mopsgesicht von Rene Zellweger wurde auf Zicke umgestylt. Uma Thurman kann nur noch in Horrorfilmen mit einer Freigabe ab 18 auftreten. Warum lassen sich Frauen mit Schlauchboot-Lippen  und Apfelbäckchen ausstatten? Damit sie nicht untergehen oder nur so ein Regisseur anbeißt?

Ich glaube, es war die naturbelassene, vielfach mit dem Oscar ausgezeichnete Meryl Streep, die das Rumpfuschen am eigenen Erscheinungsbild mit tiefer Unsicherheit und panikhaftem Verlust von Selbstwert-Gefühl erklärte.

Selbstbewusste Frauen wie Dame Judy Dench und Helen Mirren machen doch vor, dass Frauen im Alter unerhört Sexy sind, wenn sie vor allem Grips und Bildung haben, mit denen sie strahlen können...

Es tat gut, als ich heute las, dass zwei Natur-Schönheiten wie Julianne Moore und  Patricia Arquette von der Academy ausgezeichnet worden sind, und dass auch Qwyneth Paltrow zu ihren Falten steht.
Allerdings musste ich bei der Bilderschau auch erkennen, dass sich immer mehr Männer spritzen lassen. Da bin ich dankbar, dass ich so dick bin, dass ich immer noch kaum Falten haben. Die Haare sind allerdings recht dünn. vielleicht  sollte ich ja wie Jürgen Klopp einen Schopf transplantieren lassen?

Wenn ich - wie in dieser Woche zweimal - mit meiner Frau beim Essen war, dann setzen wir uns immer so, dass sie gucken kann. Anstandshalber fragt sie mich, ob ich nicht auch einmal so sitzen will. Dann sage ich als alter Schleimer immer: Nö, ich gucke lieber dich an - wie all die fast 50 Jahre!
Aber es ist eben keine Schleimerei! Ich sehe in ihrem nun leicht  plissierten Puppengesicht mit den Augen, in die ich mich einst auf den ersten Blick verliebt hatte, unser ganzes gemeinsames Leben.

Die Engländer haben ein einziges Wort dafür: Faith! Vertrauen, Glauben, Zuversicht, Verlässlichkeit....Leider kommt es bei den kurzlebigen Star-Ehen nur selten zu Faith.

Mittwoch, 18. Februar 2015

Aschenkreuz und Feinkost-Fische

Das laute Geplärre am sogenannten politischen Aschermittwoch übertönt , dass eigentlich heute eine Zeit der inneren Besinnung, Mäßigung und Zurückhaltung beginnen sollte.

Die einst allerkatholischste Zweitbeste ist am Aschermittwoch früher sogar in die Kirche gegangen, um sich von Hochwürden eigens ein Aschenkreuz auf der Stirn abzuholen. 40 Tage lang gab es in ihrer Familie zunächst kein Fleisch oder an Freitagen in jedem Falle Fisch - bis das strenge Fasten von den Kirchenfürsten aufgehoben wurde. Ich bin an einem Aschermittwoch geboren und begriff das allein dadurch, dass die Geburtstagspartys nur in Ausnahmen kostümiert gefeiert werden durften. Einmal hat meine ehemals katholische Mutter eigens dafür die Regeln gebrochen und für die überwiegend amerikanischen Nachbarskinder noch nach dem Kehraus ein Kostümfest ausgerichtet. War wohl eine lässliche Sünde - weder sie noch ich sind vom Blitz aus heiterem Himmel getroffen worden.

Und siehe da - kaum ist der Zwang weg, wird nicht nur das Fasten, sondern vor allem auch das kultige Fisch-Essen zum Thema. Angeblich sollen heute bis zu 60 Prozent der Bayern mit Fasten(-Vorsätzen) beginnen. Aber vorher lässt die Münchner Schickeria natürlich bei "traditionellen Fischessen" nochmal ordentlich die Champagner-Korken knallen. Wer in den angesagte Gastronomie-Betrieben - wie beispielsweise dem Franziskaner - mitessen möchte, ist so wichtig, dass er an einen der jahrelang vorbestellten Tische geladen wird. Wer nicht mehr dazu gehört, oder Zoff mit dem jeweiligen Wirt hat, steht am nächsten Tag als Loser in den Klatschspalten des Boulevards - als sei ihm ein verdienter Oscar vorenthalten worden.

Für die "Net-Dabeis" oder, jenen, denen die Qualität des Essens wichtiger ist als die der Mitesser, erweist sich der Selbstläufer-Effekt bei weniger prominenten Wirtshäusern als kulinarische Bereicherung.

Die Zweitbeste und ich waren heute im "Alten Wirt" von Forstenried, einem Gasthof, auf den das Prädikat "gut bürgerlich" zutrifft. Die Zweitbeste hatte eine Kürbissuppe und danach eine Scholle Finkenwerder Art, ich ein Lachstartar und anschließend einen Teller mit Edelfisch-Filets. Dazu einen wirklich guten, offenen Luganer.Um es vorweg zu sagen: So gut habe ich im Franziskaner noch nie gegessen - vor allen Dingen, weil einem dort beim arroganten Service manche Gräte gar symbolisch im Hals stecken bleibt.

Es geht also auch ohne Vorbestellung und gesellschaftliches Brimborium.

Die einzige Nachlässigkeit, war, dass wir scheinbar Wassertiere mit einjähriger Lagerung als "Fisch-Essen 2014" angeboten bekamen. - Was natürlich nur  ein Überschreibungsfehler bei der Computer-Gestaltung der Karte war; der Fisch erwies sich als frischissimo...

Auf der Heimfahrt lief eine brandaktuelle Sendung auf B3, in der wichtige Leute zu ihrer Art des Fastens befragt wurden. Bei den Aussagen dominierte das Wort "weniger": Also weniger Alkohol, weniger Rauchen, weniger Schokolade, weniger Sex... Also nix Kasteiung! Allein der gute Vorsatz zählt!

Sonntag, 15. Februar 2015

Der amerikanische Oscar

Nächsten Sonntag ist es wieder soweit. Die Welt schaut nach Hollywood, um sich das präsentieren zu lassen, was die "Academy" für preiswürdig hält. Damit  Regisseure aus anderen Teilen der Welt nicht zu sehr ins Business pfuschen, gibt es ja schon lange die Kategorie "bester ausländischer Film".

Ganz, ganz selten kommt es deshalb dort auch zu politischen Prämierungen, wie jetzt auf der "Berlinale". Hier wurde der absolut "minimalistischste" Film des regimekritischen Iraners und unter Hausarrest stehenden Regisseurs Jafar Panahi mit dem goldenen Bären ausgezeichnet: Er spielt mit dem Regisseur selbst am Steuer ausschließlich in einem Taxi und spiegelt in Dialogen die aktuelle Situation unter dem Regime der Ayatollahs wieder.

Der Oscar ist ein amerikanischer Filmpreis, der zweifelsohne große Filme und großartige Schauspieler auszeichnet, aber der beste ausländische Film rangiert immer dahinter, selbst wenn er meisterhaft uramerikanische Themen aufgreift.

Der Wilde Westen war dabei stets ein amerikanischer Mythos, der als Western zu einem eigenen Genre wurde. Selbst als die Italiener mit Drehorten in Andalusien ihm neues Leben einhauchten. Ein gewisser Clint Eastwood, der zuvor nur als Nebenrolle Rowdy Yates in der Fernseh-Serie "Rauchende Colts" den paar TV-Besitzern in Deutschland bekannt war, startete in ihnen seine Karriere.

Über die Multitasking-Fähigkeiten dieses Genies muss heute keiner mehr diskutieren. Er hat der Film-Welt grandiose Darstellungen und Regie-Arbeiten gegeben. Er ist aber auch ein treuer Kostgänger der amerikanischen Mythen, die er mitunter durchaus distanziert pflegt.

Für "Erbarmungslos", seinen postmodernen Western gab es einen seiner vielen Oskars. Dass ich seine Rolle in einem anderen Western "The Pale Rider" nun erwähne, hängt mit dem österreichischen Beitrag zu den diesjährigen "Academy Awards" zusammen. Sie schicken für den "besten ausländischen Film"  doch tatsächlich einen Alpen-Western mit dem Plot des "Pale Rider" ins Rennen.

Was erlauben Regisseur Andreas Prochaska?

Der Sohn aus einer nach Amerika verstoßenen, vergewaltigten Frau kehrt im Plot in das von einem Bergbauern-Clan beherrschte Dorf im unwegsamen Hochtal zurück, um die Schinder mit seiner Winchester nieder zu metzeln.

Blutige Rache ist ja ein häufiges Western-Motiv. Nirgends lässt sich Selbstjustiz derart lüstern in Szene setzen wie in diesem Genre. Aber ist das schon einmal so brillant geschehen wie in "Das finstere Tal" (The Dark Valley)? Ganz ohne amerikanische Beteiligung. Neben dem Briten Sam Riley brilliert ein deutsch-österreichisches Schauspieler-Ensemble, dass so authentisch in der winterlichen Eiseskälte daher kommt, dass der Zuseher vergisst, dass der Film in den Alpen spielt.

Wenn "Erbarmungslos" und "True Grit" als Western Oscar würdig waren, dann müsste "Das finstere Tal" auch einen bekommen. Aber der Oscar ist eben durch und durch amerikanisch.


Mittwoch, 11. Februar 2015

Abwarten und Tee trinken

Ist Minsk die letzte Chance für den Frieden?
Wird der IS zurück getrieben?
Findet sich jemand, der Boko Haram in Afrika stoppt?
Schafft Griechenland es aus der Schulden-Klemme?
Wird das gegenseitige Abschlachten in Syrien aufhören?
Schrumpft PEGIDA tatsächlich?
Wollen die, die diese Konflikte ausgelöst haben wirklich ein besseres Dasein für Ihre Mitmenschen?

Das sind alles Fragen die zur Zeit aktuell sind, und auf die niemand eine Antwort hat.
Aus einer Zeit, die an Konflikten ähnlich reich war, stammt der Spruch:

Abwarten und Tee trinken!

Die Sprachforscher sind sich darüber nicht einig, wie es zu dieser Empfehlung kam. Plausibel erscheint, dass damit das Ausheilen von Krankheiten durch Heiltees gemeint war. Da hatten die Ärzte in China, aus deren Sprache das Wort Tee stammt schon Jahrhunderte lange Erfahrung, ehe in unseren Breiten das Gebräu aus Kräutern als Tee bezeichnet wurde...

Wenn einer die Floskel heute noch gebraucht, meint er im übertragenen Sinne: Entspann dich! Du kannst ja eh nichts ändern!

Ein Fehler wäre es allerdings zu glauben, dass friedliches Tee trinken die Angelegenheiten von selbst zum Guten wenden würde. Dann bräuchten sich die Mächtigen ja nur gegenseitig einen einzuschenken. Und ob es über eine Tasse Tee tatsächlich zum Frieden käme, ist fraglich, wenn  ich mir allein die Diskussionen mit meinem allerbesten Sohn vergegenwärtige.

Dieser hat sich in den letzten Jahren ein Wissen über Tee angeschlürft, bei dem ich nicht mithalten kann. Schon seine diversen Tee-Service und Kännchen belegen, dass er nicht nur ein Computer- sondern nun auch ein Tee-Nerd geworden ist - wie übrigens viele in seinem Bekannten-Kreis...

Wenn Wissen aber über Geschmack herrscht, baut sich bei mir sofort Widerstand auf:
Mein Sohn besteht darauf, dass ein Tee nur maximal drei Minuten ziehen darf, damit er neben frischem Geschmack auch eine schöne Farbe hat. Ich liebe es, wenn der Tee mindesten sechs Minuten zieht und seinem Namen schwarzer Tee alle Ehre macht. Sohnemann lässt neben dem Ur-Earl-Grey mit Bergamotte auch solche Verschnitte mit Kornblumen gelten. Da bin ich schon aus historischen Gründen Purist. Wie beim Streit , ob ceylonesische Silver Tips gleich zu bewerten sind wie Silver Flush aus Nepal. Ich will mir einfach nicht vorschreiben lassen, wer der Beste ist.

Als Kind war der Filius begeistert, wenn wir mit Kandis-Zucker und Sahne-Wölkchen "Lecker Köppke" auf ur-friesische Art tranken. Jetzt lässt er nur noch präzise Abläufe in einer Art eigener Tee-Zeremonie gelten, aber er verwendet Filter-Säckchen aus Papier.

Was soll nur aus der Welt werden, wenn wir schon im Kleinen derart über Geschmack streiten?

Von wegen abwarten und Tee trinken.

Samstag, 7. Februar 2015

Das gefährlichste Tier auf unserem Planeten

Jetzt hat er es doch noch geschafft. In diesen Tagen akuter Kriegsgefahr, in der auch die stets umstrittene Sicherheitskonferenz in unserer Stadt stattfindet, erscheint Heinrich August Winklers dritter Band zur "Geschichte des Westens". Vermutlich haben die wenigsten der Teilnehmer ein annähernd heranreichendes historisches Wissen. Sonst würden sie ihre Talente nicht für den Kriegs-Lobbyismus verschwenden.

Im vergangenen Herbst hatte ich den zweiten Band von HAW beim Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zur Seite legen müssen, weil ich einfach keine Luft mehr bekommen habe. Die sich häufenden, seit tausenden Jahren wiederholenden Symptome, die zu Massentötungen führen, weil einige Wenige vom Macht-Rausch davon gerissen werden, sind eigentlich nicht zu übersehen.

HAW hat einen Stil der Dokumentation entwickelt, für den er hoffentlich bald - wie einst Winston Churchill - den Literatur-Nobelpreis zugesprochen bekommt. In großer, sprachlich präziser Nüchternheit trägt er komplett unkommentiert die Geschehnisse zusammen und untermauert sie mit umfangreichen Hinweisen auf die jeweiligen Quellen. Der Leser wird also nicht durch die persönlichen Ansichten des Historikers auf die eine oder andere Seite gezogen. Er muss das Gelesene für sich selbst gewichten.

Vielleicht gibt es welche, die das ohne Emotionen zur Kenntnis nehmen. Ich kann das leider nicht.
Dass die Dinge, die zur Zeit weltweit auf einmal geschehen, wohl trotz aller Bemühungen nicht aufzuhalten sind, machen mich als Menschlein noch kleiner und hilfloser. Die wenigen Momente in der Geschichte, in denen diese Menschlein zusammen gegen die Unterdrückung aufgestanden sind, haben meist schrecklichen Blutzoll verlangt. Deshalb bin ich zumindest froh, dass ich die friedliche Wiedervereinigung unseres Landes als Ausnahme von der Regel miterleben durfte. Naiv war nur mein Glaube, dass sich dadurch dauerhaft eine bessere Welt ergeben würde.

In den letzten Tagen kommt mir immer wieder die Erinnerung an einen Zoo-Besuch. Ich glaube es war im einzigartigen Lincoln Park von Chicago. Da gibt es ein besonderes Gehege an dem folgendes geschrieben steht:

Hinter diesen Gitterstäben sehen Sie das gefährlichste Tier auf unserem Planeten!

Die Zoobesucher sehen sich im Spiegel hinter den Käfigstangen selbst...

Donnerstag, 5. Februar 2015

Schuster, die nicht bei ihren Leisten bleiben

Schon jeder zweite Deutschlehrer kann heute seinen Schülern nicht  mehr die Herkunft und Bedeutung alter, deutscher Sprichwörter erklären. Ich selbst benutze oft solche Phrasen falsch oder verdrehe sie, weil ich das komisch finde. Diese Witze gehen leider immer öfter ins Leere. Ein besonders blödes Beispiel:

Keiner kocht die Suppe so heiß, wie andere sie gerne Essen möchten.

Ich merke schon, meine Spruchspielereien sind keinen Pfifferling wert, obwohl ich beim letzten Besuch auf dem Viktualienmarkt feststellen musste, dass die ganz schön teuer geworden sind, Eben weil sie nicht mehr wie Pilze aus dem Boden schießen...

Mit dem Spruch Reden ist Silber, Schweigen ist Gold muss ich mich angesichts der gefühlten hundert Talkshows täglich wohl nicht eigentlich aufhalten, um zu dokumentieren, dass der gesellschaftliche Wandel aber auch die Entwicklung der Welt alte Sprüche entwertet.

Wer wissen will, woher sie kommen und was die bedeuten, geht heute ins Internet und kann auf vielen Webseiten Erstaunliches erfahren. Das Internet ist eben die größte Auskunftei, die es jemals gegeben hat und zudem auch noch meist gratis. Aber das Internet hat auch einen Nachteil. Es ist nicht selbstpflegend. Die Entsorgung der Netz-Leichen wird einst ein großes Problem darstellen - auch wenn das zumindest in Bits und Bites eine gewisse virtuelle Lebensverlängerung bedeutet.

Ein Beispiel von gestern:

Die "Zweitbeste" und ich haben die Marotte, dass wir lieb gewonnene Paar Schuhe auch gerne länger am Leben lassen. Das gilt besonders für die von uns ja meist weniger gebrauchten Winterstiefel. Nun geschah es aber, dass sich von den Lieblingsstiefeln meiner Frau der Absatz gelöst hat.

Ich - ganz der Beschützer - habe mich sofort an den Computer gesetzt und in unserem etwas fünf mal fünf Kilometer großen Stadtviertel auch sogleich vier Treffer erzielt und ihr die zwei mit den besten Bewertungen genannt.

Ich rate keinem der "Zweitbesten" bei der lausigen Kälte mit Fehl-Information zu kommen. Jedenfalls kam sie rot gefroren und wutschnaubend zurück: "Du mit deinem Scheiß-Internet. Der erste war verstorben und der zweite ist unbekannt verzogen. Das nächste Mal rufst du einfach vorher an!"

Handwerk hat offenbar keinen goldenen Boden mehr, denn es war die Seite der Schuster-Innung, der ich die Informationen entnommen hatte...

Beim In-mich-Gehen bin ich zu folgender Überlegung gekommen, wieso Schuhe nur noch in Ausnahme-Situationen repariert werden:

Für Leute, die Schuhe mit Macken gleich wegwerfen, sind neue Treter oft so abartig billig, dass kein Schuster sie zum halbwegs reellen Preis reparieren könnte. Deshalb bleiben immer weniger dieser Handwerker bei ihren Leisten. Jahrhunderte hat man sie mit diesem Spruch als Blödel zum Pfenniglohn missbraucht und an ihren Arbeitsplatz verwiesen. Jetzt sind Schuster schlau, machen Abitur, studieren und gründen ihre eigene Marke (Tschuldigung "Label" natürlich!).

Und wieder schlägt da das Internet zu. Meine italienische Lieblingsmarke ist - weil sie als nobel gilt -in meiner Zweitheimat kaum noch zu finden. Im Internet habe ich bei einem deutschen  Versender das Wunschpaar auf den ersten Klick zu 50 Prozent des üblichen Ladenpreises bekommen...