Donnerstag, 5. Februar 2015

Schuster, die nicht bei ihren Leisten bleiben

Schon jeder zweite Deutschlehrer kann heute seinen Schülern nicht  mehr die Herkunft und Bedeutung alter, deutscher Sprichwörter erklären. Ich selbst benutze oft solche Phrasen falsch oder verdrehe sie, weil ich das komisch finde. Diese Witze gehen leider immer öfter ins Leere. Ein besonders blödes Beispiel:

Keiner kocht die Suppe so heiß, wie andere sie gerne Essen möchten.

Ich merke schon, meine Spruchspielereien sind keinen Pfifferling wert, obwohl ich beim letzten Besuch auf dem Viktualienmarkt feststellen musste, dass die ganz schön teuer geworden sind, Eben weil sie nicht mehr wie Pilze aus dem Boden schießen...

Mit dem Spruch Reden ist Silber, Schweigen ist Gold muss ich mich angesichts der gefühlten hundert Talkshows täglich wohl nicht eigentlich aufhalten, um zu dokumentieren, dass der gesellschaftliche Wandel aber auch die Entwicklung der Welt alte Sprüche entwertet.

Wer wissen will, woher sie kommen und was die bedeuten, geht heute ins Internet und kann auf vielen Webseiten Erstaunliches erfahren. Das Internet ist eben die größte Auskunftei, die es jemals gegeben hat und zudem auch noch meist gratis. Aber das Internet hat auch einen Nachteil. Es ist nicht selbstpflegend. Die Entsorgung der Netz-Leichen wird einst ein großes Problem darstellen - auch wenn das zumindest in Bits und Bites eine gewisse virtuelle Lebensverlängerung bedeutet.

Ein Beispiel von gestern:

Die "Zweitbeste" und ich haben die Marotte, dass wir lieb gewonnene Paar Schuhe auch gerne länger am Leben lassen. Das gilt besonders für die von uns ja meist weniger gebrauchten Winterstiefel. Nun geschah es aber, dass sich von den Lieblingsstiefeln meiner Frau der Absatz gelöst hat.

Ich - ganz der Beschützer - habe mich sofort an den Computer gesetzt und in unserem etwas fünf mal fünf Kilometer großen Stadtviertel auch sogleich vier Treffer erzielt und ihr die zwei mit den besten Bewertungen genannt.

Ich rate keinem der "Zweitbesten" bei der lausigen Kälte mit Fehl-Information zu kommen. Jedenfalls kam sie rot gefroren und wutschnaubend zurück: "Du mit deinem Scheiß-Internet. Der erste war verstorben und der zweite ist unbekannt verzogen. Das nächste Mal rufst du einfach vorher an!"

Handwerk hat offenbar keinen goldenen Boden mehr, denn es war die Seite der Schuster-Innung, der ich die Informationen entnommen hatte...

Beim In-mich-Gehen bin ich zu folgender Überlegung gekommen, wieso Schuhe nur noch in Ausnahme-Situationen repariert werden:

Für Leute, die Schuhe mit Macken gleich wegwerfen, sind neue Treter oft so abartig billig, dass kein Schuster sie zum halbwegs reellen Preis reparieren könnte. Deshalb bleiben immer weniger dieser Handwerker bei ihren Leisten. Jahrhunderte hat man sie mit diesem Spruch als Blödel zum Pfenniglohn missbraucht und an ihren Arbeitsplatz verwiesen. Jetzt sind Schuster schlau, machen Abitur, studieren und gründen ihre eigene Marke (Tschuldigung "Label" natürlich!).

Und wieder schlägt da das Internet zu. Meine italienische Lieblingsmarke ist - weil sie als nobel gilt -in meiner Zweitheimat kaum noch zu finden. Im Internet habe ich bei einem deutschen  Versender das Wunschpaar auf den ersten Klick zu 50 Prozent des üblichen Ladenpreises bekommen...

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