Samstag, 10. März 2012

Ja, gut äh! Ein Stück weit sach ich ma...

Wir hängen ja gerne hinter den Amis her. Das muss aber nicht immer ein Makel sein.
Als ich vor anderthalb Jahrzehnten noch ausgedehntere USA-Reisen zu absolvieren hatte, war ich immer wieder beeindruckt, wie gewandt sich Männer und Frauen von der Straße in den Eyewitness-News vor laufenden Kameras äußern konnten. Selbst wenn sie durch Migrationshintergründe mit Klangfärbung oder grammatikalischen Problemen zu kämpfen hatten, agierten sie mit der Kamera-Sicherheit von Profis.
Hingegen vermittelten Stimmen von der Straße in unseren Breiten damals eher, dass das Volk der Dichter und Denker an der Basis wohl eher aus debilen Dampfplauderern besteht.
Durch die Programmvielfalt, die sich vor allem auch bei uns in einer wundersamen Mehrung von Nachrichten-Kanälen manifestiert, ist unüberseh- und - hörbar, dass die Deutschen diesbezüglich aufgeschlossen haben. Vor allem weil Reportageteams die Tricks der Nachrichtenprofis aus Übersee anwenden, gleichzeitig immer mehr "Stimmen" aufzunehmen als überhaupt in volle Nachrichtensendungen passen. Dass das dann mit voller Namenseinblendung bei den Statements geschieht, suggeriert auch bei jenen  Authentizität, die sich mit den Konsequenzen aus dem Recht am eigenen Bild vielleicht nicht so gut auskennen...
Überhaupt - diese Einblendungen: Harry Meier wohnt in der Straße des Opfers. Sagt aber im OT, dass er es nur einmal beim Brötchen-Holen gesehen hat: "Er mochte Mohnsemmeln".
Die Fernsehfestigkeit des Individuums zu stärken, dafür sorgt unter anderem das Übermaß an Talk- und Castingshows. Man orientiert sich an der Quäkentensprache (SZ "Wochenende" vom 10. März) von Heidi Klum, an der grausiggrummelnden Schnodderigkeit von Dieter Bohlen oder den niemals von Sprach-und Kameraschulung beeinflussten Attitüden eines Stefan Raab. Wobei alle drei vielleicht tatsächlich so authentisch sind wie die eigens geschulten Profis Maischberger oder Lanz.
Welchen Vorbildcharakter Statements haben, kann am besten anhand von Sportlerinterviews ermessen werden.
Die fußballerische Lichtgestalt - zum Allzeit-Imperator erhoben -war der erste, der den Denkpausen-Satz:"Eine gute Frage..." (als ob der Interviewer dieser Anerkennung bedurfte) durch das "Ja, gut äh..." ersetzte. Fortan imitierten das alle nachfolgenden Sportlergenerationen, weil das lässig klang. Wie auch das faktische Wort "deshalb" durch die lyrische Variante "von daher ist mir der Absprung am heutigen Tage nicht so gelungen". Übrigens "gestern" und "heute" durch Tagesbezug zu ergänzen, ist eine Sportkommentatoren-Erfindung. Harry Velériens Mikro hätte bei seinem "ich möchte fast sagen" live oft verstummen müssen, denn wenn einer nur fast etwas sagt, also beinahe nur, dann darf er das Folgende eben überhaupt nicht mehr sagen.
Da lobe ich mir die Resistenz unseres Bundes-Jogis. Als Journalisten sich darüber lustig machten, dass er anstatt "auch" schwäbisch reduziert nur "au" artikulierte, belastete er in Interviews nur sehr kurz seinen Rachen mit dem "Ch". Mittlerweile verzichtet er wieder auf zu seinem sanften Wesen au gar nit passende Rachenlaute.
Vor allem Worthülsen unserer Politiker haben eine Halbwertzeit wie Cäsium. Das "Alternativlos" wird für immer das Prädikat unserer Eisernen Kanzlerin bleiben. So wie das "Ein Stück weit sach ich ma" in vieler Munde bleibt - selbst wenn die, die es als schicke Floskel empfinden, längst vergessen haben, dass der Gazprom-Gerd mal Angela Merkels Vorgänger war...

Montag, 5. März 2012

Provozierende Putin-Prognosen

Auch wenn viele Insider und Experten, die nah dran sind, behaupten, die in jeder Beziehung merkwürdige Wahl Putins sei in Wahrheit der Aufbruch in eine bald erstarkende russische Demokratie gewesen, provozieren die aktuellen Rahmenbedingungen bei mir ein völlig gegenteiliges Unbehagen... Wäre schön, wenn sich meine Gedanken in der Folge als blanker Unsinn eines Altersängstlichen herausstellten:

Aber wieso stocken die Russen und die Chinesen(+ 11%) justament ihre Etats für eine historisch beispiellose Nachrüstung auf? - Die beiden Staaten, die jegliche Verurteilung Syriens in diesen menschenrechtlich so dramatischen Wochen verhindert haben! Wieso suggerieren die zwanghaften Wahlen im Iran eine Schwächung des Nuklearzündlers und immer ein wenig grenzdebil wirkenden Ahmadinedschad, wenn doch in Wahrheit der Ajatollah Chamenei seine konservative, zentrale Machtposition im Marionetten-Parlament nur noch weiter gestärkt hat?
Dieses Szenario wird ja durch Androhung von militärischen  Interventionen seitens der USA und Israel nur noch gespenstischer. Denn wer droht denn da? Die gescheiterte Allianzen aus Afghanistan, dem Irak und Tunesien? Die Schutzmächte, die den arabischen Frühling nicht mal in den Sommer retten konnten und jetzt der heraufziehenden islamisch fundametalistischen Eiszeit absolut unbeholfen gegenüberstehen?

Noch nie in seiner ideologisch erfolgreichen Geschichte war der Westen so schwach wie heute: Die USA unter ihrem gescheiterten Heilsbringer Obama, die praktisch am Finanz-Tropf der Chinesen hängen und selber zugeben, sie könnten sich Mehrfrontenkriege gar nicht mehr leisten. Das zerstrittene,mit seinem Euro am Abgrund stehende Europa, aus dessen frankogermanischer Hegemonie sich die einstige Supermacht Großbritannien quasi ausgeklinkt hat.

Eine neuerliche Achse des Bösen als Bedrohung für den Westen - wie nach dem zweiten Weltkrieg - wird durch die Aufrüstung im Osten eher nicht zu befürchten sein, aber das wollen die beiden Waffenrassler auch nicht. Vermutlich geht es ihnen - neben einer Stärkung  nach Innen - vor allem darum, in ihren unmittelbaren Umfeldern so unangreifbar zu sein, dass sie verlorenes Terrain durch provozierte Streitigkeiten wieder  auf kaltem Weg zurückgewinnen. Wobei dann niemand stark genug wäre, sie daran zu hindern...

Zar Putin hätte zu gerne das antirussisch gesonnene Baltikum und die ölreichen islamischen Sowjet-Republiken zurück. Auf ukrainischem und georgischem Pipeline-Transit hätte er vermutlich auch gerne wieder seinen despotischen Daumen. Und die Chinesen würden sich Taiwan gerne einverleiben und in der leidigen Korea-Frage wieder die Oberhand gewinnen. Von der Vorherrschaft im Chinesischen Meer und im  Pazifik ganz zu schweigen. Der Zeitpunkt wäre ja angesichts des GAU- und tsunamigeschädigten Japan in Mitten der Finanzkrise denkbar günstig.

Die Putin-Befürworter träumen von einem Comeback der Supermacht. Die einfachen, alten Leute wollen nicht noch einmal das Schreckgespenst der Revolution. Eine Straßenstimme gestern in der ARD hätte es nicht trefflicher auf den Punkt bringen können: "Ich bin mit Stalin aufgewachsen", meinte die alte Dame,"und gehe mit Putin ins Grab - Hauptsache es herrscht Ordnung!"

Trotzdem es gibt da nun eben andere Vorzeichen - sowohl in Russland als auch in China - weil der real existierende Sozialismus ja gescheitert ist. Er hat dem Turbo-Kapitalismus den Weg bereitet.

Kann sich noch einer an das Kürzel "Stamokap" erinnern? Es stand für "Staatsmonopolistischen Kapitalismus" als ideologisches Ende allen Schreckens. Die deutschen Jusos hatten so eine ultralinke Gruppe während der Zeit des Terrors in ihren Reihen. Wer hätte aber nach 1990 jemals geglaubt, der marxisitsch leninistische Endzeithorror könne trotz zweier Jahrzehnte Entspannung in  so einer Verkleidung ein Comeback feiern. Jetzt könnte daraus sogar ein Schrecken ohne Ende werden. Es bedarf blos wieder eines Führers...