Montag, 30. September 2013

Kinder, Kinder - was für Kosten!

Entweder das isolierte Leben auf der Burg hat mir schon den Blick auf die Realität verschleiert oder meine überkommene Wahrnehmung von anscheinend normalen Dingen macht mich bereits langsam aber sicher zu einem Außenseiter der Gesellschaft.

Innerhalb von 48 Stunden wurde in zwei Fernsehfilmen das Thema "Kita" derart drastisch, zynisch und auch bösartig geschildert, dass ich zunächst den Eindruck hatte, die Drehbuch-Autoren hätten sich persönlichen Frust eigener Erlebnisse übersteigert  vom Leib geschrieben: Eignungsprüfungen für Eltern, Lernprogramme für Zweijährige, die bereits Gymnasiasten überfordern könnten und eine Überhöhung der eigenen Brut zu dem dem Status angepassten Elite-Denken. Und zwar sobald die Bambsen einmal richtig Mama gesagt haben.

Dann habe ich mich daran erinnert, dass in München die Klage eines jungen Elternpaares anhängig ist, das vom Staat 1000 Euro monatliche Kita-Kosten zuzüglich Fahrtkosten ersetzt haben will, weil es nur am anderen Ende der Stadt überhaupt einen Platz gefunden hätte. Seit diesem Sommer haben ja alle Kinder von Gesetz wegen einen Anspruch auf einen Kita-Platz in ihrer Nähe. - 1000 Euro das reichte ja an die Kosten für das Privatgymnasium meiner Kinder heran! Und das ist gerade mal etwas über ein Jahrzehnt her. Das musste also ein überzogener Einzelfall sein, von Leuten, die den Staat jetzt abzocken wollen...

Aber dann bin ich in Internet-Foren Betroffener gegangen, und mir blieb regelrecht die Spucke weg, was von Eltern für Ansprüche gestellt und welche Summen da als relevant diskutiert werden. Wenn dieses Denken die Regel wird, wird Deutschland bald Einsteins ohne Ende hervorbringen und endlich mal bei der Pisa-Studie vorne rangieren. Ein super Betätigungsfeld also für alle Aspiranten an das höhere Lehramt, die ja an staatlichen Schulen wegen des rigiden Sparkurses nicht mehr unterkommen. - Wenn bis dahin nicht schon ein Professoren-Titel für die Leiter solcher privaten Kita-Einrichtungen verlangt wird. Amerikanische Verhältnisse.

Gesellschaftspolitisch betrachtet sollte die Kita - in Langform Kindertagesstätte - Müttern den zu Recht erkämpften Anspruch auf eigene Arbeit und auch eigenes Geld sichern. Aber bei so einer Kosten-Entwicklung kommt es entweder zu einer Klassen-Gesellschaft deren Gräben sich weiter vertiefen oder gleich zum Ausschluss ganzer Bevölkerungsteile vom bestmöglichen Bildungssystem. Denn wenn die Betreuung der Kinder den hart erarbeiteten Mindestlohn auffrisst, macht das das Arbeiten ja nicht unbedingt lohnend. Die elitären Mütter hingegen können sich als Wahrer der Oberklasse bei ehrenamtlicher Tätigkeit feiern lassen. Schon jetzt - und das ist mein ganz persönlicher Eindruck - wird in manchen Stadtteilen der Kinderwagen wie eine Staatskarosse geschoben, der man ohne zu zögern Platz  machen und  beim Passieren huldigen muss.

Die Differenz zwischen den elitären Kita-Kosten und Seehofers Betreuungsgeld kommt einem so gesehen erst recht als schlechter Witz vor. Die Spanne dort erinnert fatal an die krass unterschiedlichen Zinssätze für Spar-Einlagen und Dispo-Kredite, die ja so groß ist, dass die von unseren Steuergeldern geretteten Banken ungestraft wuchern können. Während übrigens die zu ihren Konzernen gehörenden Versicherungen die einst blumig versprochenen Zinsen auf Lebensversicherungen auf einmal  nicht mehr gewähren wollen...

Altersparanoia lässt bei mir die Idee wachsen, das alles geschieht mit Bedacht und voller Absichten. Vielleicht enthält Margaret Atwoods Roman-Vision "Der Report der Magd" bald mehr Realität als uns allen lieb ist.

Freitag, 27. September 2013

Mein Lotto-Mann

Zeitlebens schloss der fromme  Huber-Bauer jedes seiner Vaterunser mit dem Stoßseufzer ab: "...Und liaba Gott mach dass i an Sechser im Lotto hob!" Als er auf der Zielgerade seines Lebens angekommen war, wurde es jenem höheren Wesen, das viele so verehren, zu dumm. Er teilte den weißblauen Himmel, und aus einem güldenen Strahlenkranz ertönte eine donnernde Stimme - übrigens der vom Seehofer Horst nicht unähnlich - und rief: "Huaba tua mia an Gfoin, füll an Lottoschein aus und spui endlich!"

Inzwischen gibt es ja die Superzahl zu den sechs Richtigen, und online kann man nun  auch schon  Lotto spielen. Ich weiß nicht, wie bedürftig der Huber-Bauer war, dass er so inständig um einen Lotto-Gewinn bat. So arg kann es all die Jahre ja  nicht gewesen sein. Oder er war immer so knapp, dass er nicht einmal das Geld aufgebracht hat für's Spielen....

Als Agnostiker rufe ich natürlich nicht den Himmel an, um im Lotto zu gewinnen. Ich weiß auch nicht wirklich, wieso ich eigentlich spiele. Ganz sicher nicht, weil Glücksspiel süchtig macht, wie einem das die Lotto-Werbespots immer einhämmern. Ich spiele auch nicht regelmäßig. In Italien gleich gar nicht, obwohl dort die Jackpots viel größer sind. Materielle Mängel hatte und habe ich nicht zu erdulden, und auch meine Erlebnis-Vielfalt hätte durch mehr Kohle nicht verbessert werden können.

Um ehrlich zu sein, würde mich das Knacken eines Jackpots nur schlaflos und vermutlich auch unglücklich machen. Dennoch spiele ich nur, wenn die Jackpots von überragender Größe sind. Und ich höre gleich wieder auf, wenn sie dann von anderen geknackt wurden. Meldungen von betagten, an der Armutsgrenze herumkrebsenden Rentnern, die den Geldsegen dann sofort zum Verjuxen an die Enkel weiter reichen, lese ich nur zu gerne. Nein, mit Ratio ist meinem Lotto-Spiel nicht beizukommen, eher bedarf es dazu der emotionalen Schiene.

Ich mag einfach diese Verteiler des vermeintlichen Glücks, die in zugeräumten Läden optimistisch mit der ungebrochenen Erwartungshaltung ihrer Klientel dealen. Früher - als wir noch im Speck-Gürtel von München lebten - bin ich immer zu einer älteren Dame gegangen, die im Zivil-Leben in unserer Straße wohnte. Ihre Annahme-Stelle im Ortszentrum war eine kommunale Nachrichten-Zentrale, und ich habe meine Scheine immer zu Zeiten abgegeben, in denen sie Zeit zum Ratschen hatte. -Was wir übrigens bei zufälligen Treffen in unserer Straße nicht taten. Sie wusste alles über alle. Manchmal kannte sie schon die Noten unserer Kinder, bevor die Zeugnisse überhaupt ausgegeben waren und nannte gleich geeignete Nachhilfen...

Inzwischen habe ich hier in Sichtweite vom Glashaus einen Lotto-Mann, der die Lotto-Fee von einst noch in den Schatten stellt. Einen Ur-Milbertshofener, der mit den meisten, die zu ihm kommen, in ewiger Nachbarschaft aufgewachsen ist. Er steht absolut unter der Fuchtel seiner Frau und genießt es deshalb, wenn er mal in dem Sammelsurium aus Zeitungen, Zigaretten-Stangen, Plastikbehältern mit Naschgummis, und Büro-Bedarf  alleine mit den Spielern ist. Dann kann jeder ungestört seinen langen Vorträgen zum Mietrecht, zu kommunalen Verfehlungen oder dramatischen Schilderungen  von Schicksalen aus der Nachbarschaft lauschen. Da kann es dauern, bis man seinen Schein los wird. Deshalb hält er auch immer noch Butterbrezn und Wurstsemmeln neben der Kasse parat, obwohl sein Laden neuerdings Wand an Wand mit einer Bäckerei lebt.

Er drückt es nicht explizit aus, dass er mich für einen Volltrottel hält, weil ich seinen Ratschlägen zum Systemspielen nicht folge oder während meiner Italien-Aufenthalte keinen Dauerschein nehme, aber er begrüßt mich bei den sporadischen Besuchen in seiner Annahme-Stelle doch eher wie einen Freigänger; ein wenig überrascht, aber auch besonders wachsam. Er kann ja nicht ahnen, dass ich bei meinem schweigsamen und geduldigen Lauschen mit offenem Mund ein ums andere Mal unverfroren und quasi gratis eine Geschichte für's Steinewerfen abgreife.

Ich weiß mittlerweile so viel über ihn - beispielsweise, dass er eine in Vietnam verheiratete Tochter hat, mit der er via Skype Nächte lang ratscht - während er mir Privates kaum entlockt. Einmal als ich ihm einen Schein mit einer nennenswerten Gewinn-Summe erst kurz vor Ablauf der Auszahlungsfrist vorlegte, hat er mich regelrecht geschimpft und aus der Reserve gelockt:
"Mich interessieren doch so kleine gewinne nicht", meinte ich leichtsinniger  und auch arroganter Weise.
"Ja, warum spuins dann  überhaupts?"
"Wegen Ihnen!"


Mittwoch, 25. September 2013

Gruppen-Zwang?

Mia san mia! Das hat uns ja unser zum alleinigen Herrschen wieder gewählter Landesvater während seines Wahlkampfes doch geradezu mit dem Maßkrug eingehämmert. Ja, aber wer sind wir eigentlich - abseits von Wahlanalysen, Wählerwillen und Patriotismus?

In diesen Tagen ist es mit der Identifizierung leichter, weil sich ja wie beim Zug der Lemminge die"Bajuvariphilen" vielfach in Gewänder werfen, die sie für Tracht oder zumindest für zünftig halten und vom Ortsrand erwartungsfroh in nicht abreißenden Strömen zum Oktoberfest ziehen.

Wenn es in unserem Viertel mit der Parkplatz-Suche für die Anwohner nervenzerfetzend wird, dann weil ganz Schlaue glauben, wenn sie nach der Zecherei mit der U-Bahn zurück fahren, den Rausch schon hinter sich haben. Aber die harten Jungs vom 43. Münchner Polizei-Revier sorgen dann schon für die nötige Katerstimmung mit ihren Mausefallen an den Schlüsselpositionen der Ausfallstraßen jenseits der Ringe...

Nachdem die Zweitbeste schon gestern bei einem "Weiber-Stammtisch" auf der sogenannten Wies'n war und für ein halbes trockenes Hendl  14 und  0,2l lauwarmen Wein aus der altersgerechten Schnabel-Tasse allein schon 13,50 Euro gezahlt hat, ist meine Lust es ihr nach zu tun, bereits geschwunden. Dazu kam, dass ihr ja nicht wirklich klein  zu nennendes Hinterteil vom Arsch auf der Bank hinter ihr permanent in die Defensive gepresst wurde. Nach vier Jahren Oktoberfest-Abstinenz werde ich trotzdem mit meinem Sohn unseren alten Brauch wieder aufnehmen, beim Ammer eine Platte mit Gans und Ente zu vertilgen. Das muss es aber dann gewesen sein.

Wenn ich dann von kampftrinkenden Jugendlichen in der in jedem Boulevardblatt mehrseitigen Marketing-Berichterstattung zum Wies'n-Konsum lese, frage ich mich doch wie viele Hartz-4-Empfänger und Mini-Jobber unter den Millionen am Auftakt-Wochenende waren? Ob das Volk bei solchen Preisen wirklich noch "Teilhabe" am Volksfest haben kann...

Wenn ich glaube, durch meine Abwesenheit das Gefühl dafür verloren zu haben, wie meine Mitmenschen hier und heute ticken, setze ich mich zur Mittagszeit gerne mal auf den Schwabinger Elisabeth-Markt. Das war früher die kleinere Ausgabe des Viktualien-Marktes - auch was die Preise anbelangt. Heute war ich doppelt überrascht:
Erstens weil die Preise auch nicht höher waren als auf den Märkten unserer italienischen Zweit-Heimat.
Und zweitens, weil die Schüler der an den Markt grenzenden Schulen (alle so um die 14 bis 18 Jahre mit wohl weiteren Stunden am Nachmittag) diesen Markt auf heitere und sympathische Art bevölkern. Offenbar haben die Standl-Betreiber sich längst auf die Taschengeld-Budgets dieser Kunden eingestellt. Die meisten jedenfalls hatten etwas in der Hand, was nach einem erschwinglichen und wohl guten Speisen-Angebot aussah.

Ich weiß, das ist nicht besonders fein, aber ich lausche gerne ihren Gesprächen. Da war viel Spannendes dabei - wie zum Beispiel die Frage, ob das was ihnen da als Bio verkauft wird, auch die Bezeichnung verdient. Dass Sport, der ausfällt durch zusätzliche Englisch- oder Mathe-Stunden ersetzt wird, was ein Pärchen explizit begrüßte. Das ist übrigens noch wir früher: Die Pärchen bleiben in der Pause für sich, während die jungen Damen und Herren in Gruppen abhängen. Aber auch da wurde nicht vom Kampf-Trinken gesprochen, sondern eher, was die Wahl eigentlich ihnen ganz persönlich für Perspektiven bringen werde.Da war auch von falschen Versprechungen die Rede...
Mag sein, dass das nicht repräsentativ oder gar eine Ausnahmen war, aber überrascht hat mich das schon.

Wie der Dialog zwischen zwei etwa 16jährigen.
Er: "Hast du mitbekommen, dass der Chris zum Islam  übergetreten ist?"
Sie: "Ach geh! Wieso das denn ?"
Er: " Seine ganzen Freunde sind Muslime, da hat er sich irgendwie als Außenseiter gefühlt. Die Eltern haben ihn ja eh nicht religiös erzogen."
Sie: "Da wird er wohl auch seinen Namen ändern - oder? Chris passt da ja dann gar nimmer..."

Montag, 23. September 2013

Lasst Mutti mal alleine machen!

Angelika Merkel hat jetzt die Chance nach ihrem grandiosen Wahl-Sieg bald auch zu einer grandiosen Kanzlerin zu werden. Wenn es ihr gelänge, mal ohne Steigbügelhalter und Koalitionspartner Politik zu machen, wird sich ihre Macht erst wirklich erweisen. Dann stünde nämlich auch das oft mehr als merkwürdige Verhältnis zur sogenannten Schwesterpartei CSU auf dem Prüfstand. Nur so kann sie wirklich die mitunter absurden Ideen des bajuwarischen Platzhirsches mit ihrer "Kanzlerinnen-Mehrheit" im Parlament kontern und warten, wer mit ihr dann noch an einem Strang zieht..

Wer angesichts der verblendet als große Leistungen selbst  dargestellten Regierungsbeteiligungen (Brüderle:" Wer hat's gemacht? Die FDP hat's gemacht!") dem liberalen Element in der deutschen Politik nachtrauert, ist dieser freiheitlichen Mogelpackung nachhaltig aufgesessen. Denn wann hätte die FDP in jüngster Zeit tatsächlich je etwas anderes zum Ziel gehabt, als die machtgeile Selbsterhaltung. Bestes Beispiel für die liberale Zersetzung von Talenten aus blanker Eitelkeit wäre ja am eigenen Leib ausgerechnet Außenminister Guido Westerwelle, der erst dann zum soliden Staatsmann mutierte, als er der verbalen Fingerhakelei der Freiheitlichen endlich auf der Weltbühne entkommen war.

Wer ein paar Steine aus dem Glashaus in Richtung Peer Steinbrück hat fliegen sehen, der weiß, dass ich mit meinen Prognosen bezüglich seiner Person Recht behalten habe. Nicht, weil er es nicht drauf gehabt hätte, sondern eher, weil der von eitler Medien-Manipulation hochgeputschte, leichtgläubige Wohlbehaglichkeitsbürger mit so einem gegen den Strich gestrubbelten Politiker nicht klar kommt.

Wie sehr die Grünen seit ihrer regierungsbeteiligten Zustimmung zu diversen Kriegshandlungen ihre Linie schon verloren hatten, machte ihr Wahlkampf doppelt deutlich. Wer glaubt, man müsse in Zeiten des Energie-Wechselbetruges einen Veggie Day als staatstragenden Beitrag einbringen, kann gleich auch das Stricken von Pullovern bei Sitzungen wieder einführen. Toll der Trittin in seiner Begründung bei der Bonner Runde, wieso die Linke wegen ihrer zweifelhaften Bündnistreue nicht als Koalitionspartner tauge. Dabei vertritt die doch nur Ansichten, die die Grünen unter Fischer damals als Anfang vom Ende aufgegeben hatten.
Da tut's mir leid um meine Zweitstimme...

Wäre die Linke per se intelligent wie Gysi, Wagenknecht und - natürlich Strippenzieher Lafontaine dann gäbe es jetzt tatsächlich eine Macht, die unisono der Mehrheit der Deutschen zu ihrem sozialen Recht verhülfe. Noch weiß keiner, ob man nicht den kommunistischen Beton-Füßen dieser Partei dereinst dankbar sein muss, dass sie sie immer wieder nach unten gezogen haben.