Dienstag, 4. November 2014

Menagerie

Giuseppe hat kaum noch Haare, Dennoch geht er mindestens einmal pro Woche zur kroatischen Friseur-Meisterin der Männer-Herzen nebenan. Sich mit ihm zu unterhalten, gestaltet sich schwierig, weil er ein Kauderwelsch aus neapolitanischem Dialekt mit bayrischen Brocken spricht. Aber Giuseppe hat etwas, was ich auch für meinen Leben gerne hätte: Einen schneeweißen Römischen Wolfshund, der vor dem Salon wartet, bis Herrchen sich den Bart oder sonst etwas hat trimmen lassen. Ich kann mich an diesem weißen Riesen einfach nicht satt sehen!

Der Hund ist hervorragend erzogen. Wenn die Zwei durch die Straßen hier stolzieren, wären sie eine Super-Besetzung für einen Film über einen exilierten Mafia-Paten im Ruhestand.

Mit Hunde-Erziehung bin ich leider immer gescheitert, was mich an einer der verkehrsreichsten Kreuzungen Münchens auch wohl nicht rückfällig werden lässt. - Obwohl, wir hätten schon jede Menge Freilauf-Zonen in unmittelbarer Nähe. Aber meine Vorstellung von einem Hundeleben ist eben die raumgreifender Freiheit.

Ich muss mich also mit der Beobachtung urbanisierter Spezies begnügen: Allen voran den Tauben, die jede Nische des gegenüberliegenden Bürgerhauses  mit Türmchen aus der Gründerzeit als Massen-Quartier erwählt haben. Wenn sie der Enge in ihrem Asyl mal entgehen wollen, fliegen sie die paar Meter herüber zu unserem Küchen-Erker, trippeln über unseren Köpfen und gurren uns bei offenen Fenstern die Ohren voll.  - Wenn die "Luftratten" überhaupt noch fliegen. Denn sie marschieren eigentlich mittlerweile mehr. Mutieren quasi zu dickbäuchigen Laufvögeln, weil dank der Pizzeria und eines riesigen, bis in den Dezember hinein Nüsse fallen lassenden  Hasel-Baumes, das Thema Grund-Versorgung eine völlig neue Dimension für sie bekommen hat.

Als ich neulich vor dem Haus auf die "Zweitbeste" gewartet habe, setzte sich doch so ein Täuberich tatsächlich auf meinen Fuß, um nach einem Pizza-Brocken zu schnappen, auf den ich unachtsam gestiegen war. Immerhin sorgt das blinde einsammeln der von Autoreifen geknackten Nüsse hin und wieder für Schwund durch das Durchstarten vor der Ampel. Und auch die paarweise operierenden Elstern sorgen für gelinde Geburtenbegrenzung. Die angeblich verfütterten Antitaubenbaby-Pillen haben wohl bei dem ständigen Täubeln nicht "gefruchtet".

Gleichzeitig mit uns ziehen alljährlich auch die Krähen in großen Schwärmen vom Land in unser Viertel. Laut jüngsten Forschungen gehören sie ja zum intelligentesten Federvieh überhaupt. Tagsüber sieht sie keiner, weil sie sich in den sprichwörtlich kahlen Krähenbäumen aufhalten. Aber morgens und in der Abenddämmerung machen sie die Hitchcock-Nummer und erinnern mich an den Schluss des bewegenden Romans von Mathias Schröder: " Und in der Dämmerung dann hörte ich ihre hungrigen Schreie und sah die Krähen gen Werflo fliegen". Das ist schaurig schön.

Aber damit uns die Düsternis nicht übermannt, hat sich ein Pracht-Exemplar von einem Buntspecht gegen den Verkehrslärm anhämmernd direkt im Baumwipfel vor unserer Nase eine Höhle zum Überwintern erspechtet. Auch er ist derart urbanisiert, dass er sich durch ein Öffnen des Fenster nicht aufscheuchen lässt.

Meine Sehnsucht nach einem Haus(tier)freund scheint eventuell bald gestillt zu sein. Seit einer Woche wartet ein Eichkater am Garten-Eingang auf mich, wenn ich vom Radeln zurück komme. Einmal hätte ich ihn fast überfahren, weil er mich vor lauter Nüsse in die Backen Packen nicht gehört hatte.
Jetzt flitzt er parallel zu mir durch die Hecke und wartet, bis ich mein Schlachtross abgeschlossen habe. Dann turnt er mir keckernd an der nackten Wand gegenüber den Gartenbänken etwas vor:
Gewissermaßen gibt er einen Gecko mit Wuschelschwanz. Vielleicht um mir das Heimweh nach Italien zu nehmen?

Mal sehen, ob ich mich ihm mit Nuss-Schokolade erkenntlich zeigen kann...

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