Freitag, 14. November 2014

E-Oldies

Die europäische  Großbank, deren Kunden wir auch in Italien sind, macht uns die beiden für uns zuständigen Filialen dicht. Das sieht uns natürlich in erster Linie für jene Mitarbeiter betroffen, die uns zum Teil Jahrzehnte betreut hatten. Als wir auf den letzten Drücker die Schließfach-Verlagerung vornahmen, wurden wir Zeugen herzzerreißender Abschiede.

Wir hatten auch davon geträumt, im weiter fortgeschrittenen Alter, alle Bank-Geschäfte die paar Schritte weit entfernt in unserer Straße erledigen zu können. Pustekuchen! Da die älteren Bankangestellten dort wohl über kurz oder lang mit Vorruhestandsregelungen ebenfalls entsorgt werden, sind wir vermutlich bald mit der permanenten  Forderung konfrontiert, unsere Dinge online zu regeln.

Aber so Computer-affin ich bin, das werde ich nach all der Hackerei von offiziellen und verbrecherischen Organisationen bestimmt nicht machen. Da bleibe ich stur, weil ich einfach nicht mehr mitkomme bei dem, was alles geht und was nicht. Dabei war ich vor ein paar Jahren noch ein Vorreiter der elektronischen Kommunikation. Aber dieses Tempo schafft in unserem Alter doch keiner mehr.

Nehmen wir mein E-Book der ersten Generation, was ja für einen ehemaligen Buchhändler eh schon eine frevelhafte Anschaffung war. Ich nütze es ausschließlich, um über eine Studien-Plattform befreit von Rechten amerikanische und englische Literatur im Original zu lesen. Dafür musste es nicht viel können. Deshalb habe ich auch die Entwicklung verpasst, wieso bei einem Online-Versender die neueste Version dieser Pionier-Marke, die in Farbe und blendfrei funktioniert, nur noch die Hälfte von meinem Altgerät kostet.

Über meine Mühe mit Smartphones habe ich ja auch schon oft genug geschrieben, aber glauben wollte ich es nicht, dass ich mir damit jetzt auch komplette Bücher herunterladen und die nur mit Onetouch durch Querstellen auf  alterslesegerechte Buchstabengröße hoch streicheln kann.

Als Rentner kommen bei mir natürlich moralische Bedenken und Romantik wegen des Niedergangs der haptisch zu konsumierenden Bücher nicht mehr auf. Auch der Einzelhandel ist mir Schnurz, wenn ich für Schuhe, Pullover, einen Fahrrad-Helm sowie einem Bademantel nicht nur 50 Prozent im Vergleich spare, sondern das alles auch noch frei Haus geliefert bekomme.

Sie ist sehr Zwiespältig die Welt der E-Oldies: Einerseits macht einem die totale Vernetzung zunehmend angst, andererseits offenbart sie nach dem Erstversuchs-Stress derartige Erleichterungen, dass man immer weniger hinterfragt. Ich glaube, darin liegt die eigentliche Gefahr. Die Bequemlichkeit wird derart selbstverständlich, dass wir gar nicht mehr merken, wann der "Rubikon überschritten" wird, wie das ein ehemaliger Kurzzeit-Bundespräsident treffend formuliert hätte.

Seit gestern muss ich mich auch nicht mehr in die Schuhschachtel großen Zellen von Multiple-Kinos zwängen, sondern kann gehüllt in meinen neuen Bademantel und dank meines Sohnes als von ihm hinzugefügtes Familien-Mitglied an meinem Computer Filme gucken.

Gut, dass es dann bei all der mit dem großen  E verbundenen Technologie doch noch Momente der Ernüchterung gibt:

Da stehe ich mit meinem Rad an einer Ampel in der Ludwigsstraße neben einer sehr attraktiven Radlerin,, und weil der Radweg dort sehr schmal ist, versuche ich sie bei grün gleich hinter mir zu lassen, Aber dann beschleunigt sie wie ein Ferrari am Ende der Boxen-Gasse. Mit einem Sssssssszzt ist sie auf und davon. So eine Unverschämtheit.

E-Bikes sind doch  die reinste Wettbewerbsverzerrung!!!


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