Freitag, 24. Februar 2012

Alles eine Frage des Blickwinkels

Jeder, der halbwegs in der Lage ist, mit Verstand in Geschichtsbüchern zu lesen, hätte das mittlerweile  herausfinden können:

Wer immer in der Vergangenheit geglaubt hat, er müsse sich in Afghanistan einmischen, hat meist mehr als eine blutige Nase davon getragen. Mogulen, Paschas, Briten, Russen, Amerikaner - sie alle hatten vielleicht sogar gelegentlich gute Absichten, weil ja immer ein Teil der Afghanen vom anderen Teil der Afghanen unterdrückt wurde. Bis zur jüngsten Gegenwart eher seltener aus religiösen Motiven, viel häufiger jedoch aus Profitsucht der Stammesführer und Kriegsherren, die sich ihr Schlafmohn- und Kanabis-Geschäft nicht kaputtmachen lassen wollten.

Den USA als weltweiten Friedensstiftern - selbst unter Führung des präsidialen Friedensnobelpreiträgers - muss man einfach den Vorwurf machen, dass sie dabei nichts von ihrem außenpolitisch und historisch desasterösen Bild in der Lesart von "The Ugly American" (ein 1958 erschienener Roman von William J. Lederer und Eugene Burdick) korrigiert haben. Erst haben sie die Taliban mit Waffen gegen die Russen versorgt, nun kämpfen sie selbst aussichtslos gegen die Gotteskrieger. Dabei zogen  sie erneut andere Staaten mit hinein - in einen völlig aussichtslosen und zum Teil absurden Kampf, der nicht zu gewinnen ist, weil auf der westlichen Seite das Äquivalent an Überzeugung gegen diesen Fanatismus fehlt. Und der Glaube an die Aussage "Unsere Freiheit wird am Hindukusch verteidigt" wiegt nun einmal nichts gegen die  Scharia bedingte "Renaissance des Rückschritts" im Islam.

Genau in diesem heiklen Moment, in dem man die unwegsamen Bergtäler wieder den Einheimischen nach einer "Misson unaccomplished" überlässt, passiert aber aus Versehen, aus Dummheit oder aus frustrierter Provokation etwas, dass den islamischen Flächenbrand rund ums östliche Mittelmeer gefährlich anheizt: Es werden Exemplare des Korans verbrannt...

Seit Tagen eskaliert daher der Protest, während Syrien für einen Systemwechsel im eigenen Blut liegt, der Iran gefährlich mit seinen Atombrennstäben zündelt, Israel militärisch provoziert und sich im Irak nach dem Abzug der "Schutzmächte" wie vor Sadam Hussein die Sunniten und Shiiten gegenseitig massakrieren.

Im Moment hat man als Außenstehender, der weder Antiamerikanist noch Antiislamist ist, das Gefühl, jedwede Stellungnahme in die eine oder andere Richtung könne sowohl Aktion als auch Reaktion außer Kontrolle bringen. Weil Fanatiker im Untergrund bewusst für gewaltsame Proteste sorgen, man aber die friedliche Mehrheit der Muslime, die weltweit im Ausland ihre Heimat gefunden haben, nicht diskreditieren will, bleibt eine gemeinsame Linie des Westens im Verhalten aus.

Wie sähe denn die Nachrichtenlage aus, wenn für jede verbrannte US-Flagge - "The Starsprangled Banner" ist ja den meisten Amerikanern mindestens genauso heilig wie den Muslimen der Koran - Abermillionen US-Bürger bedrohlich vor die jeweiligen Landesvertretungen zögen? - Wenn die Mohammedaner, die längst die Staatsbürgerschaft ihres einstigen Gastlandes angenommen haben, sich zur jeweiligen Flagge bekennten? Gibt es irgendwo in der islamischen Welt Gruppen, die wegen Verunglimpfungen derart zahlreich auf die Straße gegangen sind, wie die Deutschen gegen die obszönen Theorien ihres eigenen Landsmannes Theo Sarazin?

Aber das ist eben alles eine Frage des Blickwinkels, und dabei scheint es, dass unser lieberaldemokratisches Denken von Haus aus den Kürzeren zieht. Wir sind zwar bereit, in jeder noch so kleinen Gemeinde für Moscheen zu sorgen, aber für die Hundertausende christlicher Touristen, die der Türkei die Taschen füllen, gibt es in den Ferienzentren der türkischen Riviera so gut wie keine Gotteshäuser...

Wehe, wenn diese mentale Unausgewogenheit bei den Falschen oder schlimmer noch bei Wohlgesonnenen die Wut auslöst! Neulich saß ich mit einem stets liberalen Freund vor dem Fernseher und sah in den Nachrichten wie Griechen bei einer Demo in Athen Deutsche Fahnen verbrannten und eine Papp-Kanzlerin mit Hakenkreuzbinde vor sich hertrugen.

Gegen die ärgerliche Äußerung meines Freundes fiel mir spontan kein Gegenargument ein:

"Da retten wir mit unseren Steuergeldern  den Griechen den Arsch. Möglicherweise auf Kosten unserer Kindeskinder. Und dass nur, weil die sich Regierungen gewählt haben, die's mit dem eigenen  Steuernzahlen nicht so genau genommen haben. Aber die Feinde sind wir und nicht die im Inneren!"

Weitere Romane zum Thema:
Karawanen der Nacht   James A. Michener

Drachenläufer 
und
Tausend strahlende Sonnen  beide von Khaled Husseini

Die dunkle Seite der Liebe von Rafik Schami

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