Samstag, 28. Januar 2012

Erst altersdiskriminiert dann altersdeprimiert

Mit Wut im Bauch sollte man weder schreiben noch reden, noch Reden schreiben. Weil das fast immer zu Pamphleten ausartet, die letztlich auf einen selbst zurück fallen. Unser Landesvater, der Seehofer Horst, hat am Pissoir sicher schon manches abgelassen, was wenig flüssig daherkam. Aber ihm zu unterstellen, er habe sein aktuelles Sparprogramm mit dem Söder Markus beim Biseln ausgeheckt, ist schlicht ungezogen. So etwas gehört sich nicht - nicht nur nicht im Parlament, sondern das ist auch einfältige Opposition mit der Brechstange; zumal als Antwort auf ein ausgefinkeltes Vorwahlkampf-Manöver, das gleich als vorbereitete Konterattacke mit einem perfiden, auf die Schnelle finanztechnisch kaum zu entkräftenden Rechenexempel daherkommt. Raffiniert, dass Seehofer dabei im Hinblick auf die Pensionskassen im öffentlichen Dienst nicht nur eine Zielgruppe ins Kalkül zieht, die sich zwar im Prinzip nicht wehren kann, aber die auch am allerwenigsten von der Altersarmut bedroht sein wird...

In dieser Woche gab es genug, was einem die Wut in den Bauch treiben konnte: die überfällige Koordination der Dienste und Organisationen gegen die Neonazis, die das Minister-Duo Schröder-Friedrich als ihre aktuelle Errungenschaft feierte, obwohl es damit zuvor gar keine Eile hatte. Viel wichtiger war ja die teure Bespitzelung ordentlich gewählter Volksvertreter durch den immer kurioser scheiternden Verfassungsschutz.

Oder war das ganze in Wahrheit nur ein Feigenblatt-Manöver, damit das Wahlvolk sich nicht allzu intensiv mit dem Gesetz gegen die Altersdiskriminierung beschäftigt? Wer hierzu gebündelte Argumente bräuchte, fände sie - wenn auch mitunter nicht ganz ausgewogen - in Hülle und Fülle auf www.altersdiskriminierung.de.

Mir liegt allerdings daran, den Fokus der Diskussion nicht nur mit der Ü-60-Scheuklappe zu sehen, sondern ihn auch auf die akademischen Berufseinsteiger (Lehrstellen gibt es wohl genug) zu lenken. Die werden trotz leicht veränderter Gesetzeslage immer noch in sogennannten Praktika als Billig-Reserve geparkt; mit etwa dem Argument, das Studium hätte sie nicht entsprechend praktisch auf die Realität des Berufsalltags vorbereitet.

In diesen Auffanglagern wird "survival of the fittest" praktiziert, während die angestrebten, tatsächlich auch vorhandenen Stellen fast ausschließlich durch persönliche Kontakte - also Beziehungen - und nicht aufgrund von Qualifikation vergeben werden. In öffentlich rechtlichen Medien tauchen zum Beispiel seit ihrem Bestehen immer wieder die gleichen Namen von regelrechten  Redakteursdynastien auf, obwohl die Stellen ja eigentlich ausgeschrieben werden sollten.

Vor dem Hintergrund, dass es also sowohl beim Berufseinstieg wie auch beim -Ausstieg klemmt, bekommt das Renten-Einstiegsalter mit 67 einen bitteren Beigeschmack. Obwohl die volkswirtschaftliche Berechnung der sich verändernden demographischen Vorgaben ja wohl keine andere Lösung offenbart, muss doch immer weiter nach ihr gesucht werden. Aussetzen ist da so wenig angebracht wie Aussitzen.Hinzu kommt dabei ja auch noch, dass wir die Wohlfahrt künftiger Generationen schon durch die aktuelle Politik für Beteiligungen an Kriegen, Rettungsschirme und Bankenrettungen ausgegeben haben. Das bezahlt ja bereits alles der Bürger, der am Ende seines Lebens dann womöglich mit dem Ofenrohr ins Gebirge guckt.

Auch ich habe berufliche Altersdiskriminierung am eigenen Leib erfahren, und obwohl ich meine Ansprüche - nur um noch dabei zu sein - auch heruntergeschraubt hätte, bewahrte mich nichts vor dem tiefen depressiven Loch.
Aber ich habe eben  nicht nur in der Möglichkeit Blogs zu schreiben, einen gewissen Trost gefunden, sondern auch in der fortgeschrittenen "Halbwertzeit" meines Daseins. Vielleicht  reicht das Ersparte ja noch, bis der Sensenmann uns holt. Ansonsten muss er sich halt unter die Reichenbachbrücke bemühen.

Aber was wird mit den neuen Renten-Einzahlern in diesem Land? Die Bundesrepublik Deutschland, die "Big Spenderin", hat ja  jetzt schon - zum Verdruss der Konkurrenz - eines der niedrigsten Lohnniveaus unter den führenden Industriestaaten?

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