Sonntag, 22. Januar 2012

Von Hackern und Flat-Ratten

Komisch, was diese Wulff-Würgerei altersmoralin auch bei mir aus der Erinnerung so alles hochwühlt:
Anderthalb Jahrzehnte hatten der Verlag und ich als Chefredakteur ohne Bedenken die Spitzen der deutschen Werbewirtschaft und manchmal auch die großen Bosse mit eigenen Etats  zu Seminaren und Vorträgen eingeladen. Die fanden im Winter in ausgesuchten Skistationen oder Sommers in edlen Beach-Clubs statt. Luxus pur, der spät nachmittags mal von einstündigen, richtungsweisenden Referaten unterbrochen wurde. Ansonsten gratis Skifahren, Surfen, Sonnenbaden und Wellness vom Feinsten begleitet von edlen Speisen und noch edleren und reichlich genossenen Getränken...

Die Zielsetzung war allen "Seminar-Teilnehmern" klar: Wir lassen's euch gutgehen, und für unsere Titel fallen dafür ein paar schicke, möglichst bunte Anzeigen ab. Diese Art der von allen Branchen praktizierten, aktiven Bestechung nannte man Incentive, und sie kam erst Mitte der 1990er langsam aus der Mode, als die Einladenden das nicht mehr von der Steuer absetzen und die Eingeladenen - au contrair - das zuteil gewordene Wohlergehen eigentlich als Geld werten Vorteil zu versteuern hatten.

Bei so einem Incentive kam es auf einer Skihütte im Berner Oberland kurz vor dem Fall der Mauer mal zu einer lustigen Wette zwischen zweier unserer Gäste: Der eine war Deutschland-Chef eines japanischen Computer-Herstellers, der andere Etatchef bei einer Bausparkasse. Es ging um die Daten-Sicherheit. Für die meisten in der fröhlichen Tischrunde waren da Computer ja noch bestaunenswerte Mirakel. Die Redaktion war gerade zuvor erst mit Schreib-Computern von Olivetti ausgestatten worden, bei denen Manuskripte nicht mehr auf "Floppies" sondern bereits auf Disketten gespeichert werden konnten.

Der Computer-Mann also behauptete, er beschäftige extern Leute zum Selbsttest, die innerhalb kürzester Zeit an jegliche Menge von Daten herankämen. Der Sparkassen-Heini widersprach. Seine Daten seien sicher. Daraufhin verschwand der Computer-Mann, rief zwei Hacker in Innsbruck von einem Münzfernsprecher an (es gab ja noch lange keine Handys) und kam ein paar Minuten später mit einem handgeschriebenen Zettel wieder, den er unserem anderen Kunden vorlegte. Der erblasste und war für den Rest des Tages recht kleinlaut. Seither misstraue ich (immer noch) den Computern von Banken, obwohl mittlerweile über zwei Jahrzehnte dieser einzigartig rasanten Entwicklungsgeschichte der Daten-Kommunikation vergangen sind.

Wieso? Weil auf jeder Sicherheitstufe - wie beim Wettlauf zwischen Hase und Igel - die Hacker der Industrie eine Knopfnase voraus sind. Vergangene Woche sollte in den USA ein verschärftes Gesetz zur Beschränkung gewisser Online-Portale verabschiedet werden. Zeitgleich wurde die größte zum Downloaden urheberrechtlich geschützten, geistigen Eigentums von einem deutschen Hacker betriebene Plattform dicht gemacht. Es kam zu Verhaftungen aber auch zu einer gefährlichen Machtprobe, weil die Hackergruppe Anonymus als unmittelbare Antwort wichtige offizielle Websites - darunter die vom FBI - lahmlegte. Das Gesetz wurde erstmal nicht verabschiedet. Besser kann sich Ohnmacht nicht dokumentieren.

Das Urheberrecht hatte bei diesem Wettlauf im Internet von Anfang an keine Chance, weil die Legislativen einfach zu langsam sind und zu wenig Kenntnis von der dunklen Seite der Macht haben. Die ist gewachsen, seit Downloadvorgänge und datentechnisches Herumexperimentieren von Amateuren dank der Flatrates nicht mehr wie noch vor ein paar Jahren zu einem finanziellen SuperGAU ausarten können. Jeder Volksschüler hat heute doch schon Tricks drauf, mit denen er gratis übers Netz an Dinge kommt, die früher ins Taschengeld gingen.

Dass Hacker und Flat-Ratten das Internet als Allgemeingut infrage stellen, ist aber nur die eine Bedrohung. Ernster wird sie dort, wo sich scheinbar seriöse Bezieher bereits mit dem Missbrauch brüsten.

Nein, Datenraub ist kein Kavaliersdelikt!

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