Montag, 8. Mai 2023

Venezianische Verzweiflung

So wäre es ja auch gegangen:
"Digitally Your's" von Claus Deutelmoser
 Nein, Comissario Brunetti kann auf seiner Terrasse bleiben. Dieser Post wird auch kein Abklatsch der Donna-Leon-Romane, sondern das Drama meines täglichen Erwachens.

Wer sich seines malenden Dilettantismus bewusst ist, dem bleiben zum Aufbewahren seiner "Werke" nur die eigenen vier Wände. Und wenn die in München wie in Italien vollgehängt sind - und erst dann - überlegt man sich, ob nicht jemand eines der halbwegs gelungenen Bilder geschenkt bekommen will. Vor allem, wenn sie es  dann auch selber wirklich, wirklich (!) haben wollen...

Vier Dutzend in etwa fanden so an neue Wände. Hinzu kamen tatsächlich auch ein paar "Auftrags-Arbeiten". Nur eines meiner Bilder entwickelte sich aber tatsächlich zum Fluch, und daran ist die fürsorglichste aller meiner Ehefrauen schuld.

Zur Vorgeschichte: Von 1971 bis zur Geburt unserer Kinder reisten wir mit Schwägerin und Schwager jedes Jahr im November nach Venedig. Es war in der damaligen noch vorherrschenden Ausgestorbenheit jedes mal eine Füllhorn romantischer, kulinarischer und sinnlicher Erlebnisse, die wir nach bestimmten Ritualen einsammelten. Mein Schwager war ein begnadeter Zeichner und Maler, der mir mein Dilettieren erst bewusst machte.
Als Venedig sich Anfang der 1980er anschickte, den historischen Carnevale wieder zu beleben, nahm ich ihn zu meiner ersten "Alleinreportage" (Text und Fotos) mit, und hatte dabei den Hintergedanken, ein paar seiner geschwind mit Zauberhand angefertigten Skizzen im Text mit anzubieten. Der Chefredakteur, den ich einige Wochen später ablösen sollte, fand das nicht gut.

Ach hätte ich doch den Mut gehabt,
es noch einmal reduzierend zuzuschneiden
- so wäre es zumindest ansehnlicher gewesen...
Wieder daheim wollte ich mir den Frust von der Seele malen. Aus dem Gedächtnis. Nicht eines meiner Fotos abmalen. Das Ergebnis war eines meiner meistgehassten Bilder. Zunächst hatte ich nicht die Geduld und verwendete Schnelltrockner. Dann hatte ich mir im Größenwahn ein viel zu üppiges Leinwand-Format ausgesucht. Aber das Schlimmste war, dass mir ein typischer venezianische Palazzo trotz mehrfachen Übermalens einfach nicht gelingen wollte. 

Das Drama hatte auf dem Balkon meiner Eltern seinen Anfang genommen und war in deren Keller in Vergessenheit geraten. Als wir mit den Kindern in ein neues Haus zogen, war es plötzlich wieder da. Weil die sieben Meter (!) hohe Wohnzimmerwand ja irgendwie bestückt werden musste, hatte meine Frau das Bild zum Rahmen gebracht. und da hing es jetzt. Und zwar derart, dass ich mein Unvermögen stehend in Augenhöhe hatte.
Beim nächsten Umzug nahm ich das Ungeliebte aus dem Goldrahmen und schnitt einfach das obere Drittel der Leinwand mit dem misslungenen Dach ab, Wieder rechnete ich nicht mit der Hartnäckigkeit meiner Angetrauten. Sie ließ einfach den Rahmen wieder dem neuen "Format" anpassen.
Beim Umzug nach Italien hatte ich noch die Hoffnung, ich könnte das Desaster dort in der Cantina verschwinden lassen, aber die Verbannung hielt nur so lang, bis wir das Appartement im Glashaus reaktivierten.
Da hing es dann so lange prominent über dem Esstisch, bis tatsächlich bessere, spätere Motive" es aus der "Venedig-Ecke" verdrängten. Auf Wunsch und wegen des Haussegens bekam es nun seinen Platz  im Schlafzimmer direkt über dem Kopfende meiner Frau. Wenn sie es so sehr liebt, dann soll es in ihrer Nähe sein! Aber o Ungemach! Weil sie immer früher aufsteht als, bin ich beim Erwachen jetzt jeden Morgen allein mit meinem Versagen konfrontiert, wenn ich auf meiner Schlafseite die Augen öffne...

...aber so grüßt nun nicht täglich das Murmeltier,
 sondern meine hellwache  "venezianische Verzweiflung"

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