Freitag, 24. März 2023

Als sich Deutschlands erste Demokratie selbst abschaffte

Mein Gemälde "Mitläufer" wird wohl
leider nie an Symbolkraft verlieren
Heute vor 90 Jahren wurde das Gesetz "Zur Behebung der Not von Volk und Reich" vom Reichstag verabschiedet. Was so fürsorglich klang, war in Wahrheit ein Freifahrtschein zu Adolf Hitlers diktatorische Alleinherrschaft. Die so mühsam und blutreich erkämpfte Gewaltenteilung nach dem Untergang des Kaiserreichs wurde deshalb zu Grabe getragen, weil zuvor die kommunistischen Reichstagsabgeordneten durch Morddrohungen und Vertreibung am Abstimmen gehindert wurden. Die SPD-Fraktion hätte nur mit den Stimmen des Zentrums die formell erforderliche Zweidrittel-Mehrheit für die Änderungen in deer Verfassung verhindern können. Die Nazis, im Einklang mit der DNVP, hatten da ja schon die absolute Mehrheit. Die Abgeordneten der Zentrumspartei waberten wie immer zwischen links und rechts, wobei der konservative Teil wohl nichts gegen Hitler hatte. Versprach er doch wieder ein starkes Deutschland auf der Weltbühne. Die Wankelmütigen ließen sich vermutlich auch zusätzlich dadurch einschüchtern, dass - entgegen der Kleiderordnung im Reichstag die NSDAP-Abgeordneten in SA-Uniform zur Abstimmung antraten.

Einschüchterung durch die geballten Braunhemden
 Quelle: Haus der Deutschen Geschichte


Schon bald wurde das Gesetz mit dem Aktenzeichen RGBI. I.S. 141 nur noch als das bezeichnet, was es tatsächlich war: Das "Ermächtigungsgesetz"

Die Geschichte  könnte Hitler kaum vorwerfen, er hätte seine "Hauaufgaben" zu der Verletzlichkeit eines demokratischen Parlaments nicht gemacht: Tatsächlich stammte die Vorlage für seinen Coup noch aus den Zeiten der "Weimarer Republik", als zehn Jahre zuvor ausgerechnet Friedensnobelpreisträger Gustav Stresemann mit Reichskanzler Wilhelm Marx  mit einer Gesetzesvorlage ähnlicher Art aufgrund ihrer Minderheiten-Regierung scheiterten.

Quelle: wikipedia
Wie sich Geschichte wiederholt, kann ich aus eigener Erinnerung sagen. 1968 saß ich als Lehrling während meiner kurzen Zeit als Gewerkschaftler (HBV) im Anzug mitten auf dem Münchner Stachus, um gegen die von der großen Koalition geplanten Notstands-Gesetze spontan zu demonstrieren. Das ist jetzt 55 Jahre her, und in dieser Zeit - trotz Katastrophen, Terror und Bedrohungen durch Diktaturen - mussten sie nicht angewendet werden. Dass ich meinen Anzug ruiniert habe, war also überflüssig. Oder doch nicht? Sie sind ja immer noch in Kraft.

Kann also nicht schaden, wenn der Demokrat weiß, was sie bei ernster Lage bewirken können:
Die Notstandsgesetze änderten das Grundgesetz in mehr als 20 Punkten und unterschieden zwischen innerem Notstand, Verteidigungsfall und Spannungsfall. Durch diese Verordnungen konnte die deutsche Regierung die Grundrechte der Bürger zeitweilig einschränken oder komplett außer Kraft setzen.

Die Angst vor drohender Ohnmacht des Bürgers im Notfall  ging damals
durch alle Gesellschaftsschichten


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