Freitag, 17. April 2020

Zeit zum Zynismus

Wenn es in der Isolation mit dem logischen Nachvollziehen hapert, verfalle ich leicht in Zynismus. Das liegt aber bestimmt wieder einmal daran, dass ich mit dem Alter hadere und deshalb resigniere. Ich weiß nicht, was ich mir in dieser Woche von der Politik wirklich erwartet habe. Universal-Lösungen für eine derartige Pandemie - das macht ja schon das tägliche Überfüttern durch Sonder-Berichterstattung mit den immer gleichen Inhalten deutlich - gibt es eben nicht. Die öffentlichen Auftritte der Regierungsspitzen offenbaren zudem in wohlfeiler Dialektik, die allein dem eigenen Profil dient, die Hilflosigkeit bei Entscheidungen.

Bei unserem tunesischen Supermarkt der zwar kleiner ist als die ominösen 800 Quadratmeter, war schon die Polizei, weil durch die"maghrebinische" Anordnung der Regale dort das geforderte Abstand Halten nur schwer zu erreichen ist. Unsere Freunde aus Nordafrika müssen also mit der Ordnung nun schon auf der Straße beginnen, wie unser Metzger das schon praktiziert. Bin mal gespannt, wie sich das heute am heiligen Freitag Abend auswirkt, wo sie doch schon nicht in die geschlossenen Moscheen zum Beten dürfen und Unsicherheiten wegen des bald beginnenden Ramadans herrschen...

Das ausgerechnet der christlich sozialste Ministerpräsident der Bundesrepublik, der so gerne strengere  und weitere Wege geht, seinen Glaubens-Genossen weiterhin den Kirchgang verbietet, will mir nicht in den Kopf. Als wären unsere Kirchen so gerappelt voll, dass man  da in den Bänken nicht genügend Abstand halten könnten; zumindest mehr als in den Presse-Konferenzen  und Sitzungen von Kabinetten und Gremien.

Was die vermeintliche Allmacht der Regierenden bei ihren mutlosen Schritten übersieht, ist, dass ein großer Teil der Bevölkerung ja schon jetzt nach Wegen sucht, eigene  "Umwege" zu finden. Je länger ein Ausnahmezustand - das lehrt uns die Geschichte - desto größer wird die Gefahr des Widerstands. Aber auch der Fatalismus gewinnt an Raum, der in der Frage gipfeln könnte:
"Was soll ich mein Leben schützen, wenn es  bald ohne Arbeit, ohne Geld und ohne Bewahrung des Erreichten nicht mehr lebenswert ist?"

In einem philosophischen Exzerpt  auf einer Internet-Seite über Zynismus las ich als böses Beispiel, man solle doch um die Renten-Kassen zu entlasten, einfach ab einem gewissen Lebensalter die medizinische Versorgung der Alten gesetzlich verbieten: https://wortwuchs.net/zynismus/

Bin ich nun Zyniker oder einfach nur Realist gewesen,  als ich vor ein paar Tagen schrieb, dass am Ende immer wieder die selben noch Reicher geworden sind?
Seht diese Statistik, die WELT-online vor ein paar Stunden aus sicherer Quelle veröffentlicht hat:

Eigentlich wollte ich heute mal was
Lustiges schreiben. Aber aus einem Zyniker kann ja über Nacht nur ein verbissener Komiker werden..
Da fiel mir im Morgengrauen ein Roman des immer lesenswerten Autoren-DuosFruttero&Lucentini ein:
Im "Geheimnis der Pineta" ringen in einer winterlichen Ferien-Siedlung am Meer zwei Komiker mit Blockade um ihr neues Programm, indem sie sich  Stichworte zu Szenarien zuwerfen, die meist mit dem Satz "Das ist nicht komisch!" in Gegenseitigkeit abgeschmettert werden.

Das versuche ich jetzt auch einmal:
"Fünf Nonnen in einem Kaufhaus-Fahrstuhl!"
"Geht nicht und ist nicht komisch", schreit mein Über-Ich: "Die Kaufhäuser sind ja geschlossen!"
Aber  in realitas via Tagesschau: Mehrere Politiker mit Schutzmasken dicht gedrängt im Fahrstuhl eines Regierungsgebäudes das geht???

Ist aber eben auch nicht komisch!

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