Montag, 6. April 2020

Von der Babylonischen Gefangenschaft durch Corona

Stellt euch vor - liebe Mitleidende - der Frühling ist da und niemand geht hin. Seit 35 Tagen habe ich das Glashaus nur für eine halbe Stunde zur Kommunalwahl verlassen.
Unsere Ehe war nie harmonischer. Obwohl, ich muss gestehen, dass wir manchmal bewusst einen Streit vom Zaun brechen und uns spielerisch anpöbeln, um den Ernstfall häuslicher Gewalt - wie prognostiziert - schon einmal verbal zu erproben. Die Fürsorglichste von allen ist im Vergleich zu meiner Körperfülle so winzig, dass es ohnehin keinen Spaß machte, sie zu verprügeln, Stattdessen brechen wir alle Abstandsregeln, kuscheln im Ehebett und küssen uns  den Tod verachtend sogar auf den Mund.

Bei so einem Unterschied
an Länge und Breite ist
körperliche Gewalt erst recht
nicht opportun
Was schon ein Wagnis ist, weil meine von jeher bessere Hälfte furchtlos den Kontakt zur Außenwelt aufrecht erhält. Dreimal pro Woche versorgt sie ihren auf Hilfe angewiesenen älteren Bruder.
Auf dem Weg dorthin macht sie natürlich Hamsterkäufe, die sie im Auto lassen kann, weil unsere Tiefgarage immer noch Kühlschrank-Temperatur hat. Heute gehen wir zum ersten Mal regelkonform in unser  zum Anwesen gehörendes Gärtchen, wo Amsel, Drossel, Fink und Star meiner Holden im Chor für die unermüdliche Fütterung während der Kälte-Periode dankten werden. Winter konnte man diese Jahreszeit ja in München in letzter Zeit kaum noch nennen.

Apropos Winter: Unser Landes-Fürst, dem absolut nicht zu überschätzenden Söder Marcus, ist es gelungen, die Ursache dafür heraus zu finden, wieso sein gar nicht mal so vollflächiges Reich trotz seiner strengen Maßnahmen zum Schutz gegen Corona weiterhin die höchsten Zuwachs - und Sterberaten aller Bundesländer aufweist (Stand 6. April Null Uhr 24.974 Infizierte, 437 Todesfälle): Die Ösis und die Eidgenossen waren schuld. Weil die einen Schnee hatten und unsere braven Skifahrer zum Abzocken bei Jagatee, Germknödel, Raclette und Hoblchaas in ihre völlig verseuchten Après-Spelunken gelockt haben. Die Bazis! Und nehmt diese Verschwörungs-Theorie noch hin - ihr geldgierigen Älpler! Ihr versprüht für eure Rennstrecken durch Bakterien haltbarer gemachten Kunstschnee. Wer weiß, ob da nicht gar Covid-19 vermengt war, den die "Schneelutscher" aus dem Norden dann mit dem Eis im Skiwasser konsumiert haben?

So eine Anschuldigung passt natürlich insgesamt in das Bild des akuten Nachbarn-Bushings, dem neuesten Spaltpilz in der europäischen Einheit: An Rhein und Saar  beschimpfen sich Franzosen und Deutsche auf den Grenzbrücken. die Italiener werfen uns vor, dass wir wieder arrogante und besserwisserische Herrenmenschen seien, weil unsere Kanzlerin den Eurobonds nicht zustimmt. Aber dann wieder zum eigenen Wohl Polen, Rumänen und Tschechen als Ernte-Helfer oder medizinisches Personal ins Land pendeln lässt.

Wer hat gesagt, dass das Virus die besten Seiten in unseren Mitmenschen aktiviert? Das Internet mit seinen zahlreichen Plattformen bietet einen Zustandsbericht, bei dem man am liebsten nicht mehr vor die Tür will. Ach, sollen wir ja eh nicht!

Nur der Münchner Multikulti-Stadtteil Milbertshofen, in dem das Glashaus steht, scheint sich vom rüden Miteinander nicht anstecken zu lassen. Beinahe heiter joggt  den ganzen, langen Tag die gemischtrassige Nachbarschaft in allen Himmelsrichtungen an uns vorbei. Die Schlange vor unserem Metzger gegenüber mit ordentlich Abstand haltenden, geduldig wartenden Konsumenten aus vielen Ethnien könnte es so auch in New York geben, hätte Trump das Virus nicht so lange verharmlost. Übrigens halten auch die Moslems an unserem Sindbad-Market hundert Meter weiter vor allem freitags - ganz gegen ihren sonstigen "Hang zum Tumult" - mit teutonischer Genauigkeit Abstand. Da Kitas und Schulen zu sind, kann jeder an den um den Block wandernden vielköpfigen Familien-Verbunden genau sehen, wer am fleißigsten für eine Deutsche Nach-Corona-Gesellschaft sorgt.

Diese irgendwie heitere und vielsprachige  "Babylonische Gefangenschaft" in Milbertshofen sollten sich die AfD-Vordenker mal geben. Gut, dass die zur Zeit aus ihrem braun vermiesten  Umfeldern nicht heraus dürfen...


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