Montag, 13. April 2020

Urbi@Orbi

Immer mehr Mächtige mahnen im Moment mit markigen Mottos zum Durchhalten: Mich erinnert es an eine Zeit, die ich zum Glück nur aus zittrigen Filmen, gestörten Ton-Aufnahmen und verblassten Schwarzweiß-Bildern kenne. Parolen aus den Tagen als die Deutschen den Krieg schon längst verloren hatten (siehe auch mein Kolberg-Vergleich vom 18.März)). Dieses wiederholte Moralisieren könnte den Verdacht eher befeuern, dass die Mächtigen vielleicht doch schon von einem verlorenen Krieg gegen Covid-19 wissen und den eigenen Worten nicht mehr lauschen.  Lesen die denn ihre eigenen Zustimmungswerte für ihr Handeln nicht? Mehr Mut machen - ihr Mächtigen!!!.

Aber es gibt auch keinen Anlass zu obskuren Theorien, weil einer sagt, "die Welt danach wird eine andere sein". Auch diese Weissagung hatten wir im Verlauf der Geschichte bei einschneidenden Anlässen schon mannigfach, ohne dass sich der Mensch in seinen Kern-Trieben arg verändert hätte.

Ich als agierender Agnostiker finde da tatsächlich Trost im Glauben anderer. Denn wenn Gläubige sich zu einem Gottesdienst in einem Autokino versammeln oder millionenfach die Karfreitags-Prozession auf dem ausgestorbenen Petersplatz streamen - was ich übrigens auch gemacht habe - dann muss das schon als Zeichen gewertet werden, dass es auch viral viele gute Menschen gibt.

Leser und Leserinnen, die schon längere Zeit meine Posts konsumieren, werden immer wieder von meinem zwiespältigen Umgang mit dem Katholizismus konfrontiert. Ihm konnte ich immer schon durch seine an der Seele rüttelnden Inszenierungen  mehr abgewinnen als der kargen Nüchternheit jener Religion, in der ich einst getauft wurde. Meinen Kindern habe ich ohne Beeinflussung die freie Wahl eines Glaubens gelassen. Und meine Frau, die praktizierende Katholikin, hat sie auch nicht nachhaltig beeinflusst. Mein Sohn ist ebenfalls Agnostiker geworden, und meine Tochter als in alle Richtungen Glaubende, versucht für meinen Enkel, den Sohn eines designierten Lehrers der höchsten Hindu-Kaste, tatsächlich eine Brückenbauerin zwischen den Weltreligionen zu sein...

Das führt natürlich an einem Ostersonntag auch zu Irrungen und Verwirrungen. Denn meine Familie ist es seit jeher gewohnt, dass beim Decken für die Tafel unseres Oster-Brunchs die Live-Übertragung des Segens "Urbi et Orbi" läuft. Hinterfragt wurde das nie, denn es ist unser spezielles Ritual wie die wechselnde Verlesung der Weihnachtsgeschichte...

Selbst in Corona-Zeiten war es meinem Sohn, dem gottlosen Daten-Jongleur, wichtig, dass wir trotz der räumlichen Trennung unser spätest Oster-Frühstück zusammen einnehmen. Flugs verband er uns  am Morgen über "whereby" zum Video-Gruppen-Chat. Wir Älteren hatten zwar kleinere Nervenzusammenbrüche bevor alle Mikros und Kameras gleichgeschaltet waren, aber dann waren wir bereit für


"Urbi@Orbi"

Aber seht selbst:
Vorne Festtags-Brunch, dahinter Familie,
und der Papst via TV live dabei
Später schalteten sich dann noch Freundinnen und Freunde selbst aus der italienischen Quarantäne hinzu. Wenn das nicht ganz im Sinne der Osterbotschaft von Francesco war...

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