Freitag, 1. März 2019

Im Ethnien-Tunnel

Als Zehn-Monate-Kind mit 11,5 schwer zu gebärenden Pfunden, war es nicht erstaunlich, dass mich seit jeher Tunnel-Ängste und schneller Wechsel von Licht und Schatten plagten. Bis zur Einschulung dauerte es, dass ich ohne einen Lichtschimmer nicht einschlafen konnte.

Der Beruf zwang mich später, mit meinen Ängsten klar zu kommen. Noch heute habe ich aber ein mulmiges Gefühl wenn ich durch den Bernardino oder den Gotthard muss. Bei der Gletscher-Tunnelbahn aufs Kitzsteinhorn, zu deren Jungfernfahrt ich eingeladen war, äußerte ich wegen dem geringen Abstand zwischen Triebwagen und Röhre Bedenken, die aber eher als technischer Unverstand belacht wurden.
Dann geschah das Brand-Unglück, das neben den vielen anderen auch beinahe drei meiner Mitarbeiter und die von ihnen betreuten Jahrgangsbesten der Schüler-Rennklassen zu Brandopfern gemacht hätte... Sie nahmen die parallele Gondelbahn.
Heute fährt die Tunnelbahn zum Gletscher nicht mehr.
Im vergangenen Jahr legten Brände sowohl den Gotthard als auch den Bernardino lahm. Aber ich bin ja auch trotz Flugangst bis zu 40 000 Meilen pro jahr geflogen.

Gern nehme ich sie immer noch nicht, aber die "Zügigkeit" meiner U-Bahn-Linie - quasi von der Haustür bis zu diversen Zielen in der Innenstadt - lässt die Bequemlichkeit immer häufiger über mein Unwohlsein siegen. Zudem ist das ja nicht nur ein Zeitgewinn, denn schneller geht es nicht.  Als Rentner fahre ich natürlich antizyklisch.

PEGIDA-Fans  - denke ich mir oft -  hätten allerdings keine Freude an der Vielfalt der Ethnien, die auf dieser Strecke fahren: Unser Multi-Kulti-Viertel, die Studentenheime und die großen Weltfirmen sorgen aus dem Münchner Norden für einen Fahrgäste-Mix hin und zurück, der an New York erinnern würde, wenn die Bahnen hier nicht so proper und die Stationen nicht so luftig wären.

Als Mensch der in vielen Ländern der Welt  selbst als "Exot" aufgefallen ist, macht es mir meinerseits Spaß, die einzelnen Herkunftsländer anhand von Satzfetzen oder Styles zu erraten.
Allen ist zunächst eines gemeinsam: Sie starren meist bewegungslos in ihre Smartphones. Was wiederum für mich gut ist, weil ich sie ja dann unverschämter Weise und ungeniert anstarren kann; wie ein Wächter im Menschen-Zoo.

Lustig ist, dass die jungen Frauen vom Balkan noch an der Mode mit den langen Blusen festhalten, die unter der kurzen, engen Winterjacke bis über den Po hervor lugen. Die jungen Männer dazu tragen Hosen, die Cargoschnitt und Pluderlook vereinen. Wo gibt es die überhaupt? Die als Mitteleuropäerinnen auszumachenden Damen, die nicht von Restriktionen getrieben sind, Reize her zu zeigen, tragen trotz Kälte Hosen wie ein zweite Haut und dazu Kapuzen-Jacken verbrämt mit Fell-Imitat. Bei den Männern ist das Pendant die quer über die Brust getragene Schultertasche.
Trotz oder obwohl der Hipster-Look ausklingt, ist die alte 501 Jeans nach wie vor der totale Ankommer. Die "Chino-Beine" hat eben nicht jeder, der ein wenig Sport treibt.

Aber jetzt mal zu meinen +-Altersgenossen und -Genossinnen. Die Hype um Rucksäcke aller Art für Männlein und Weiblein, die einem diesen gewissen Look gibt, doch noch nicht abgehängt zu sein, hält in diesen Altersgruppen wohl noch an. Wenn die Gelenke allerdings schon so morsch sind, dass sie die Dinger - egal was drin ist - nur noch schwer abstreifen können, kommt es in den alten Triebwagen gern zu ulkigen Sitzpositionen. Die  können zum Verhängnis werden, wenn der Zug ruckartig beschleunigt oder bremst...

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