Freitag, 22. März 2019

Geht aber doch!

Nach über 50 Jahren harmonischen Beisammenseins strebt die einst "zweitbeste" und dann "fürsorglichste" aller Ehefrauen nun das Prädikat "sparsamste" an. Sie ahmt ihren Partei-Kumpel, den Scholz Olli, nach und hat unserem Mini-Familien-Haushalt ebenfalls die "Schwarze Null" verordnet.
Dabei hat sie sich die um ihr Immobilien-Erbe bangende Tochter als Controllerin an ihre Seite geholt. Nicht nur in unserer Abwesenheit überwacht sie - des Computer-Bankings mächtig - scharf unsere Konten und Ausgaben.  Beinahe täglich gibt sie uns nun über den Familien-Chat Anweisungen zu Kosten, die wir einsparen sollen.

Offenbar ist die heute in allen Medien thematisierte Altersarmut auch für uns bedrohlich. Aber um ehrlich zu sein, findet Töchterchen auch meist wirklich etwas, über das wir bislang gedankenlos hinweg geguckt haben. Unsere Ausgabe für Kommunikation beispielsweise, die in beiden "Heimatländern" beinahe doppelt so hoch sind wie aktuelle Standards. Dann haben wir beiden 70er noch Versicherungen aus unserer aktiven Zeit, die sich überlagern. Undsoweiter...

Am meisten aber - in  unserer  am Bedarf reduzierten Lebensphase - verfressen und versaufen wir.
Schon aus gesundheitlichen Gründen wäre da ja Maßhalten angesagt. Aber der orale Konsum - so sagt man - sei ja der Sex-Ersatz im Alter.

Das Leben vor der Gewitter-Front der Altersarmut generiert aber bei mir Gelüste, die ich so nicht von mir erwartet hätte:
Den Oscar Wilde in mir auszumerzen, hat mich bei Wein zum Hardliner gemacht. Ich trinke jetzt gesundes Bier, anstatt mir mit Wein, der mir nicht schmeckt,  den Magen zu verätzen. Da ich Whisky wegen der Leber-Werte ohnehin schon mit Soda verdünnt habe, komme ich nun mit Sorten aus, die ich früher im Regal übersehen hätte.  Und selbst bei denen warte ich gerne auf Sonder-Angebote, die dann um bis zu vier Euro divergieren. Ja, ich gestehe, ich bin auf dem Weg zum Sparfuchs, was nicht heißen wird, dass ich knausrig werde.

Wir heben uns das Essengehen auf Gourmet-Niveau nun für Italien auf. Hier gehen wir in Gaststätten die Bayrische Kost traditionell perfekt darreichen. Aber zur Sehnsucht nach der italienischen Zweit-Heimat kommen jetzt immer auch Gelüste, die ich vorher nicht hatte.

Fast gleichzeitig hatten die "Sparsamste" und ich gestern die Lust auf eine authentische Pizza, wie sie einst in unserer "Schwabinger Zeit" der Mario im  mit Holz befeuerten, Original-Steinofen buk. Wir strebten automatisch die alten Ziele an, aber da gab es keine der Pizzerien mehr. Sie hatten Restaurants mit asiatischen Geschmäckern weichen müssen.

Bei der Irrfahrt mussten wir feststellen, wie sehr sich unser Altschwabing in den Jahren seit unserer unverheirateten, kinderlosen Zeit verändert hat. Was die studentischen und musealen Einrichtungen angeht sicher zum Besseren, aber es wurden auch "landmarks" weg gerissen, um die "location upmarket" zu machen. Im Zuge der unbezahlbaren Mieten wurden die Studenten an den Stdtrand gedrängt.

Aber ihr Hunger muss ja in den Pausen zwischen den Vorlesungen immer noch gestillt werden. Die scheinbare Pizza-Diaspora endete an der Kreuzung Schelling-Türkenstraße. Da fanden wir dann nur wenige Meter auseinander liegend sechs Pizzerien, die auch die veränderten Geschmacksrichtungen von heute in puncto bio und vegan subtil bedienen.

Wir gingen ins "Lo Studente" und hätten fast keinen kleinen Tisch gefunden. So voll war das um die Mittagszeit. Ein paar Professoren oder Dozenten hatten sich unter das junge Volk gemischt, sonst hätte unsere Anwesenheit den Altersdurchschnitt alarmierend erhöht.

Das Set als Speisekarte
für zwei gespiegelt,
Die teuerste Pizza bzw
Pasta schlägt auf
ihr mit knapp über
10 Euro zu Buche
Wir fremdelten komischer Weise keine Sekunde, aber befürchteten - da Fülle und Holzofen-Pizza - längeres Warten.
Innerhalb von weniger als fünf Minuten hatten wir die Pizzen, die wir vom Set bestellten, das frisch hingelegt als Speisekarte fungierte; dazu ein Glas Prosecco und ein Bier. Die beiden "studentischen" Klassiker Quattro Stagioni und die Tages-Pizza wiesen reichlich Belag und einen köstlichen Knusper-Rand auf - ganz wie es sich gehört.

Die "Sparsamste" lebte auf wie im Jungbrunnen. Und als sie nach einer halben Stunde für alles 23 Euro bezahlte, raunte sie mir fragend zu: "Kannst du dich noch erinnern, wann wir das letzte Mal für so wenig Geld derart genüsslich satt geworden sind?"

Geht aber doch!

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