Mittwoch, 23. Januar 2019

Deutsch-französische Freundschaft

Was mich in der Reaktion auf die Verlängerung des Elysée-Vertrages zum noch profunderen Vertrag von Aachen wirklich aufregt, ist, wenn Ewiggestrige das Wort Erbfeindschaft auspacken. Noch schlimmer sind Populisten, die einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass Europa gerade jetzt eine starke  und verlässliche Verbindung im Zentrum braucht. Mag ja sein, dass die Einflussnahme der beiden Staaten auf die Gemeinschaft noch größer wird, aber angesichts des harten Brexits der droht, brauchen die schwächelnden oder abdriftenden Staaten ein Zeichen.

Dem kann man mit einem von den Mächtigen erfundenen Begriff der Erbfeindschaft nicht kommen! Woher rührte die denn? Ob Karl der Große, Napoleon, Wilhelm II oder Hitler - alle haben ihre Völker gegeneinander aufgehetzt, um ihre Macht auszudehnen und so lange mit dem Patriotismus-Hammer auf ihre Köpfe eingeschlagen, bis das Kanonen-Futter mit Hurra in den Tod ging.

Mütterlicherseits stamme ich aus einer sehr frankophilen Familie. In dem Elternhaus meines Großvaters sprach man bei Tisch französisch wie es linksrheinisch selbst noch nach der Gründerzeit Mode war. Folgerichtig hieß meine Opa nicht Hans sondern Jean mit Vornahmen. Daraus wurde kölsch allerdings Chang. Dennoch war er, als er in den Krieg zog, von den Parolen überzeugt, er sei zurück, ehe das "Herbstlaub fällt". Über die Jahre in den Schützengräben am "Chemin des Dames", die er - zum Glück für mich - überlebte, sprach er mit seinem Enkel auch auf naives Nachfragen nie.
PTBS war damals offenbar kein Thema. Er war ein Grandseigneur - streng aber gerecht. Ich betete ihn an.
Der Großvater

Schon bevor mein Vater meine Mutter kennen lernte und bald darauf heiratete, hatte er seine Studien-Aufenthalte in Paris gehabt. Und als Womanizer, der er war, einen ganzen Rattenschwanz schöner Freundinnen, die alle natürlich die junge Braut kennen lernen mussten und sie sogleich ins Herz schlossen.
Mein Vater war in der Lage, Freundschaften weltweit sogar über den Krieg hinweg zu pflegen und zu erhalten.

Er litt sehr, was die Nazis mit dem "Westwall" der herrlichen Atlantik-Küsten angetan hatten. Er war zu einer Inspektion im Auftrag der Organisation Todt kurz vor der Invasion dort, und berichtete seinen Vorgesetzten von den zum Teil unbrauchbaren Anlagen, mit denen der Krieg allein schon verloren gehen würde. Eine Aussage, die auch vor einem Erschießungs-Kommando hätte enden können. Das Kämpfen gegen seine geliebten Franzosen blieb ihm erspart. Er landete an der Ostfront.
Die Mutter mit "ante Marguerite" vor dem Krieg

Für uns Kinder bedeuteten diese Freundschaften, dass wir praktisch kurz nach dem Weltenbrand jedes Jahr nach Paris fuhren oder Ferien "avec les tantes" nachten. Vor allem als sie in Vallauris an der Cote d'Azur direkt neben dem Atelier von Pablo Picasso ein Anwesen erwarben.

So aufgewachsen war es klar, dass es mich später auch eher nach Frankreich zog. Meine Schüler-Liebe war ein  bildschönes schwarzhaariges Mädchen aus einer Pariser Musiker-Familie, und meine Jungmannschaft verlor ich an ein Strandmädchen in Mimizan Plage.

Mein Beruf bescherte mir fast jedes Jahr Reisen nach Frankreich. Nicht einmal bin ich - auch von Älteren nicht - schief angeguckt worden. Mit Ausnahme eines bretonischen Fischers, mit dem ich auf Fangfahrt war. Er war im Krieg Zwangsarbeiter in Deutschland gewesen, und hatte von dort seine Ehefrau mitgebracht. Sein "sale boche" war aber nicht ernst gemeint. Ihm reichte meine Seekrankheit.

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