Freitag, 18. Januar 2019

Das Maschinen-Gewehr Gottes

Oft sehe ich nicht mehr fern. Das Streaming im Computer sorgt ja dafür, dass ich wichtige Sendungen immer noch später sehen kann. Nur wenn die "Fürsorglichste von Allen" bei ihrer Fürsorglichkeit so müde geworden ist, dass sie bis zu drei Stunden früher ins Bett geht als ich, wechsle ich zum Fernseher. Was ich dabei für die mittlerweile doch hohen Gebühren zu sehen bekomme, erzürnt mich so sehr, dass ich die paar hundert Kanäle, die uns via Satellit  mittlerweile zur Verfügung stehen durch zappe.

Dabei werde ich von der Existenz von immer mehr Sendern mit religiösen Inhalten überrascht. Einheitlich ist die Tendenz die Zuseher unterhaltend zu Gott zu führen. Unterschiedlich ist aber die Darreichungsform. Dabei gibt es Liturgie in klassischen Formen, bei denen ich mich frage, ob Priester ihre heiligmäßigen Stimmen so immer noch im Seminar einstudieren. Ich als Agnostiker empfinde das jedenfalls eher als nervend. Dann gibt es Nonnen, die wie Profis moderieren und dabei schon mal vom leuchtenden Pfad in die Niederungen des Alltags geraten. Interview-Runden mit Diskussionen, die von Gleichgesinnten zu diesem Thema geführt werden, sind auch nicht anders als die gottlosen Talkrunden.
Billy Graham

An zwei Sendern bleibe ich aber regelmäßig länger hängen: wegen ihrer scheinbar mühelosen Dialektik zu banalen Alltags-Themen. Die Säle sind immer voll und begeistert. Kein Wunder, dass da auch auf alte Spitzen-Könner wie den im vergangenen Jahr verstorbenen Billy Graham zurück gegriffen wird. Dem US-Prediger, den sie das "Maschinen-Gewehr Gottes" nannten und der einen regelrechten Predigt-Tourismus - auch in Europa - ausgelöst hatte, wird in kompletten    TV-Aufzeichnungen gehuldigt. Seine Themen sind derart zeitlos, dass er die auch aktuell gepredigt haben könnte.
Das ist recht trügerisch, weil sich das bisweilen wie Trump-Propaganda anhört, obwohl da ein noch junger Mann so wortgewaltig auf die Gläubigen losknattert.

Die möglicherweise aktuelle Nummer Eins der Mattscheiben-"Ministrierer" ist Joyce Meyer. Die mittlerweile zur Clownsmaske Geliftete hat viel bei Graham abgeguckt, aber sie predigt nicht, sondern verkündet ihre Botschaften im Stil von Standup-Comedians. Das kommt bei alle Generationen an. Auch wenn sie heikle Themen nicht ausklammert.
Joyce Meyer

In einem Amerika, in dem Reichtum als erstrebenswert gesehen wird, stoßen sich die Anhänger der Prediger nicht an deren zelebriertem Prunk. Auch der Verdacht, dass Spendengelder dafür umgeleitet werden, perlte kürzlich weitgehend an ihnen ab. Sie passen also zu den derzeitigen Ansichten der über 50 Prozent. With God for America First!

Ob ihr Tun im weltweiten Kanal die Kirchen-Austritte in Europa und insbesondere in Deutschland reduziert? Dabei suchen die jungen Leute gerade jetzt nach Instanzen, die ihnen Trost im Alltag und für die Zukunft bringen. Das rege Interesse an Kirchtagen zeigt ja, den Wunsch nach vertrauensvoller Gemeinschaft. Zum ökumenischen Internationalen Jugendtreffen Taizé, das zum Jahreswechsel in Madrid stattfand, kamen mehr als 15 000 Teilnehmer, auch wenn die Bruderschaft im Verdacht steht, die Jugendlichen in einen radikaleren Katholizismus  locken zu wollen...

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