Montag, 22. März 2021

Wenn die schleichende Angst beschleunigt

Eigentlich wäre für einen Herzkranken wie mich persönlich die Pandemie gar nicht so schlimm. Sie zwingt mich, zu entschleunigen. Aber die Unrast findet derzeit im Kopf statt. Mein Oberstübchen verteilt die Stress-Hormone nicht nur in der Nacht, sondern auch dann, wenn tagsüber die erzwungenen äußeren Umstände eher Ruhe vermitteln sollten. Die stündliche "Kriegsberichterstattung" von der Virus-Front lässt ahnen, was Eltern und Großeltern in den Weltkriegen durchgemacht haben. Die bange Frage beherrscht mich, wie wird die Welt aussehen, sollten das Virus und seine Mutanten eines Tages wenn alle geimpft sind, doch besiegt werden.

Schon in der ersten Welle war ja klar, dass an irgendeinem Punkt die Politik entscheiden  muss, wann das wirtschaftliche Wohl eines Landes über den Gesundheitsschutz des Individuums gestellt wird. Bei so einer Entscheidung sind so totalitäre Supermächte wie China und Russland den westlichen Demokratien eindeutig überlegen. Wir sind ja mit unserer Meinungsfreiheit sogar so großzügig, dass sich Leugnende, Zweifler und solche, die ihre Idiotie für Querdenken halten, ohne Abstand und Masken pöbelnd in Straßen und auf Plätzen zu Demonstrationen vereinen dürfen. Jeder geht hier mit seiner Angst eben individuell gewichtet um. 

Möglicher Weise bricht die dritte Welle viel heftiger über uns herein, als wir bisher geahnt haben. Möglicher Weise steht die Weltwirtschaft nach den dringend angeratenen, weiteren Lockdowns nur noch als zittriges Gerippe da, das von einer denkbaren vierten Welle in seine Einzelteile zerlegt wird. Die Pandemie ist ja jetzt schon die größte Gefahr für die freie Marktwirtschaft, weil die Politik einfach nicht zu einheitlichen Lösungen fähig ist. Die derzeit angewandte Ungerechtigkeit, welche Sparten wann, wie oder überhaupt noch offen haben dürfen, ist beschämend.

Dass die Reisefreiheit eingeschränkt werden muss, so lange nicht mindestens die Hälfte aller geimpft ist, leuchtet ein; nicht aber wenn die TUI deutsche Touristen nach "Malle" bringen darf, gleichzeitig aber Festlands-Spanier nicht auf die Balearischen Inseln dürfen...

Mit "Up, Up and Away" wird keine Pandemie bekämpft 
Quelle: tui.com

Ich verstehe nicht, dass die Politik derart herumeiert, nur weil einige Privilegierte, die sich Urlaub  sowohl zeitlich als auch pekuniär noch leisten  können vom Reisefieber befallen werden und Druck machen. Ich wäre an Ostern auch lieber in meiner italienischen Zweitheimat, aber ich bin vermutlich vor Juni noch nicht einmal mit Impfen dran.

Aber das - liebe Leute - hat nichts mit meiner Angst zu tun. Die gilt den Freiberuflichen in meiner Familie und vor allem dem Enkel, Der kann dann bald zwei Jahre nicht in seine Kita. Bei der Einschulung wird er deshalb womöglich wie alle dieses Jahrgangs dann mit sozialen und sprachlichen Problemen zu kämpfen haben; oder mit der Unfähigkeit, Nähe zu zu lassen...

Keine Maske schützt die Kids vor der schleichenden Angst
Quelle: tagesspiegel.de


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