Freitag, 5. März 2021

Keine Dystopie ohne Messias

 Wir bekommen ja  wegen der begrenzten Sendezeit die ganze Wahrheit in Nachrichten und Berichten immer nur als Häppchen. Da hat dann das Internet mal was Gutes, wenn wir bereit sind verschiedene Quellen ausgewogen abzurufen.

Diese Woche habe ich deshalb nach Donald Trumps vollständiger Rede gesucht, die er nach einer Schweigepause in Florida gehalten hat. Was ja sonst nicht geht - ihn im Redefluss zu stoppen - lässt ein Stream eben zu. Zudem kann all sein Posieren in den Gesten eingefroren werden. Daneben einen Fakten-Checker abrufen, und schon lässt sich der Ex-POTUS haarklein zerlegen. Dass er fast in jedem Satz lügt, ist hinlänglich bekannt. Aber mit der Mimik eines erstklassigen Schauspielers verkauft er sie als unwiderlegbar. Im Gegensatz zu Hitler muss er das wohl nicht vor dem Spiegel geprobt haben. Er braucht nur seine erlesenen Auftritte im Heim-Kino abzurufen, und schauen bei welchen Posen und mit welcher Modulation seiner Stimme er die meisten Lacher oder Beifallsbekundungen einheimst. Allein seine selbstverliebten Kunstpausen sind Persiflagen der Rhetorik  Inzwischen bin ich deshalb fest davon überzeugt, dass Trump bei bester Gesundheit weiterhin eine Gefahr nicht nur für die US-Demokratie, sondern auch für den Weltfrieden ist.

Der gutgläubige Genius mit
unendlichem Wissen  und galaktischen
Computer-Kenntnissen: Charlie Rowe
gibt in "Salvation" den Messias

Rein zufällig habe ich bei Netflix quasi parallel die Serie "Salvation" geguckt. Was kann man im Lockdown schon groß sonst unternehmen? Salvation - was übersetzt das Heil bedeutet, kann aber auch im Kontext die Rettung, die Erlösung bis hin zur Seligkeit bedeuten. Bei der Handlung der Serie geht es um die Bedrohung der Erde durch einen Meteoriten: eine Mischung aus Science Fiction und Dystopie, die in Präsidenten-Morden und Verschwörungen samt Überfall auf das Weiße Haus gipfelt und Armee gegen National Garde kämpfen lässt. Die Wissenschaft ist da natürlich ein Büttel der Macht, und es geht vor allem um persönliche Bereicherung, bei der man sich fragt: Wieso überhaut noch, wenn die Erde doch in ein paar Wochen untergeht? Wäre die Story nicht so hirnrissg, man könnte in ihr eine Parabel zu den anstehenden realen Verhältnissen entdecken, ohne einen derartigen Weltuntergang zu befürchten: lügende Präsidenten, skrupellose Milliardäre, abhängige Wissenschaftler aber mittendrin immer "messianische" Gutmenschen, die die Welt allein durch ihre Moral doch noch retten könnten. 

Pustekuchen! Die Serie wurde bereits abgesetzt. Zu deutlich waren wohl die Anspielungen auf den da noch amtierenden Präsidenten - von Fake-News, über Missbrauch der sozialen Medien bis hin zum gewaltsamen "Thronraub" mittels Militärgewalt und Sturm aufs Weiße Haus...


Das amerikanische Denken - das konnte jeder nicht Verblendete bei der Trump-Rede hören und sehen, wird beeinflusst durch solche Machwerke und bestärkt im Glauben, dass Trump ein Messias ist - oder noch deutlicher - dass allein er und die USA befähigt sind, in jeder Dystopie einen rettenden Messias zu generieren. Dadurch bekäme die "Salvation Army" wieder eine neue Bedeutung.

Eine Dystopie ist eine in der Zukunft spielende Erzählung mit negativem Ausgang. In der Literaturwissenschaft spielt sie in einer unethischen Gesellschaftsordnung, deshalb wird eine derartige Fiktion auch Antiutopie, selten auch Kakotopie oder Mätopie genannt. Wikipedia

Keine Perspektive für's Heil in der Dystopie:
Die Heilsarmee ist eindeutig unterbewaffnet
Quelle: amazon


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen