Montag, 4. Februar 2019

Mysterium: leeres Blatt

Wenn es im Leben eines Schreiberlings existenziell werden soll, wird ihm eine dramatische Schreibkrise angedichtet. Wie romantisch! Allein schon die Entscheidung, es als Schriftsteller zu versuchen, ist das Setzen auf die Armuts-Karte. Die Süddeutsche Zeitung ermittelte - leider ohne die Unterstützung der Verlage -, dass 95 Prozent der in Deutschland erscheinenden rund 70 000 Bücher ihre Verfasser eher als "arme Poeten" zurück lassen. Schreib-Blockade hin oder her, es gibt keine Papierkörbe mehr, die voll von wütend zerknüllten Blättern sind, auf denen oft nur ein paar Worte stehen.
Hallo! Der Computer lässt ganze Absätze löschen, umschneiden oder als "Übersatz für den Leitartikel von morgen" aufheben ( Zitat von Emil Dovifat Publizistikwissenschaftler und Begründer der Erforschung von Publzistik in Deutshland)
Emil Dovifat 1890 bis 1969:
Er konnte es nicht
kommen sehen

Gut, den meisten Verlagen geht es auch nicht besser. Wer nicht eine sogenannte "Cash-Cow" unter Vertrag hat, kämpft Jahr um Jahr einen Überlebenskampf, bei dem gern auch der Ethos auf der Strecke bleibt. Ich habe an einigen Büchern mitgewirkt, und auch selber welche geschrieben. Die Tantiemen wären lächerlich gewesen, hätte ich nicht auf einen Betrag bei Ablieferung bestanden. Der deckte dann wenigstens den Arbeitsaufwand ab.

Ich wechselte vor allem deshalb zum Autoren-Journalismus. Wer als Vertragsautor in den "goldenen 70er  und 80er Jahren bei einer der großen Illustrierten landete, verdiente überproportional:
Ein Interview mit einem gesuchten Gesprächspartner brachte damals 5 000 Mark, große Reportagen pro Seite 1000. Aber man erlebte als Publizierter auch, wie Neider unter den Redakteuren fertige Geschichten einfach in der Schublade ließen, ohne der Chefredaktion mitzuteilen, dass pünktlich geliefert wurde.

Weil ich ja noch so jung war, leben viele meiner Mentoren nicht mehr. Zeit, ihnen ein Dankeschön zu widmen und auch zu gratulieren, dass sie  die Jetztzeit mit Fake-News und gänzlich erfundenen Storys nicht mehr mit erleben mussten.

Der Film zur Affäre war der Hit,
Der Skandal hausgemacht
Heute - denke ich - war der Skandal um die gefälschten Hitler-Tagebücher im Stern 1983 ein Wendepunkt. Wenn ich noch etwas für andere schrieb, landeten diese Texte fortan bei den Rechtsabteilungen ehe sie veröffentlicht wurden. Strittige Formulierungen wurden gestrichen und die Artikel verloren ihren Pfeffer. Aber ich war da ja schon dankbar, mein eigenes Ding durchziehen zu können.

Heute reicht das nicht mehr, weil Print  sich gegen die schnellere aber auch weniger sichere Würgeschlange Internet bereits im Todeskampf befindet.

Lehrgeld habe ich genug bezahlt, als ich vor den Großen schon auf CTP (Computer to plate) umstellen konnte, also die Hefte vierfarbig  und betextet direkt an die Druckereien schickte. Moralische Bedenken, dass Setzer, Metteure, Lithografen und Galvaniseure damit in der Folge Jobs verloren, konnte ich mir da nicht leisten. Das ersparte Geld floss in eine Gruppe handverlesener Mitarbeiter, die ich zum Teil auch selbst ausbildete. Als aber nach 1989 der überhitzte Anzeigen-Markt durch das Free-TV nicht nur beim Special Interest, sondern  auch in anderen Print-Sparten einbrach, mussten Zusatz-Umsätze durch Dienstleistungen her. Weitere 15 Jahre dauerte es da noch, bis die Großverlage auch nach meinem"Kleinvieh" gierten. Hasta la vista baby!

Ist Vielfalt noch
vielfältige Qualität?
Tageszeitungen aus Redaktions-Pools füllen zu lassen, Recherchen-Verbunde zwischen TV und Print zu formieren und Stellenabbau beim schreibenden Personal bis an die Schmerzgrenze zu betreiben, wird das sinkende Schiff nicht retten. Denn die Passagiere brauchen ja längst keinen Qualitäts-Journalismus mehr. Sie glotzen in ihr Handy und wollen glauben, was sie da sekündlich frisch auf dem Display finden.

Da bleibt der Verfall der Flaggschiffe nicht aus. Ich lese selbst die "Süddeutsche" nur noch zur Erbauung, wenn ich auf  ihre immer seltener werdenden textliche Meisterleistungen im Internet aufmerksam gemacht werde. Der Rest verschludert schon in solchen Details, in denen die Überschrift oft nicht mehr mit dem Lauftext übereinstimmt...

Und den Rest bekomme ich auch schneller und verlässlicher durch meinen eigenen "Quellen-Verbund" im Internet.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen