Mittwoch, 19. Oktober 2016

Jede Revolution frisst ihre Kinder

Dass Revolutionen "ihre Kinder" fressen, klingt wie eine moderne Metapher. Wer sich aktuell auf der Welt umschaut, tut sich schwer Länder zu finden, in denen es nicht irgendwie brodelt. Gar bereits oder immer noch Unmengen von Blut vergossen werden.

Pierre Victumien Vergniaud war im Vorfeld der Französischen Revolution derart seherisch, dass er seine Weissagung  mit einem Aphorismus begründete: Der girondistische Anführer erinnerte an die römische Mythologie als er meinte:."Die Revolution ist wie Saturn, sie frisst ihre eigenen Kinder!"

Dass sich dieser Spruch vor allem bei Deutschen so ins Gehirn brannte, ist Karl Georg Büchner zu verdanken. Der Mediziner und Literat dichtete in seinem Theater-Stück "Dantons Tod" den verkürzten Satz in den Verteidigungs-Monolog des tragisch Gescheiterten. Büchner wurde nur 23,  Er erlebte weder die Französische noch die Deutsche Revolution, aber seine Werke überlebten bis heute mit ihrer genialen Gültigkeit jeden Umschwung, der dann irgendwann wieder bei alten Verhältnissen landete.

Vergniaud überlebte auch. Aber nur weil er - wieder in weiser Voraussicht - rechtzeitig nach England floh, ehe die Guillotinen wahllos zum Einsatz kamen  und dabei auch viele Kinder der Revolution köpften.

Obwohl exzessives Blutvergießen wohl zu jeder Revolution gehört, finden sich immer genügend, die sich opfern wollen. Obwohl sie bei der geschichtlichen Regelmäßigkeit doch davon aus gehen müssen, dass ihr Opfer umsonst war. - Und das heroische Andenken von anders denkenden Epigonen gelöscht wird.

Die Basis ist immer ein gewisser Zorn in Teilen des Volkes, der dermaßen schwelt, dass geschicktes, populistisches Zündeln leicht einen Flächenbrand erzeugt. Unabdingbar für jede Revolution scheint die möglichst umfassende Vernichtung anders Denkender. Und trotzdem hält dieser Aderlass nie lange vor. Nach "Freiheit, Gleicheit  Brüderlichkeit" bestieg Napoleon den Kaiser-Thron. Als General ließ er noch zur Marseillaise marschieren. Nach dem Deutschen Kaiser-Reich scheiterte die Demokratie und gebar den braunen Terror Hitlers.

Und jetzt? Was ist aus dem Arabischen Frühling, Maidan, dem Irak und Syrien geworden? Was aus Afghanistan? Aus der so genanten Kultur-Revolution der Volksrepublik China ist das kapitalistischste Land auf dem Erdball mit den meisten Milliardären entsprungen. Diese Oligarchie hätten nur gemäßigte Intellektuelle verhindern können, aber was der Sheng Wu Lien mit deren Massenvernichtung noch übrig gelassen hat, wird heute von der Staatsmacht ins Exil getrieben.

Aber dass die Demokratie immer wieder auch größte Blutbäder überleben kann, sollte uns so nachhaltig beeinflussen, dass wir sensibel mit ihr umgehen und ihre Feinde nicht köpfen, sondern mit Argumenten ermüden.

Zwei Ereignisse in diesen Tagen haben mich zu dieser Thematik veranlasst:

1. Das unsägliche TV-Plebiszit, bei dem das Fernseh-Volk aus dem Bauch für einen Freispruch des Piloten gestimmt hat. Grundgesetz Ade!

2. Die glücklicher Weise hemmungslose Aussage eines Nahost-Experten, der zu jung ist, um Revolutionen nachhaltig ins Kalkül zu ziehen. Er meinte, dass es egal sei, dass Mossul von dem so genannten IS befreit würde. Die verschwänden dann wieder im Untergrund und schauten erst einmal wieder zu, wie Suniten und Shiiten sich flankiert von Kurden wie vorher
wieder gegenseitig die Köpfe einschlügen...
Jede Revolution frisst ihre Kinder; Acryl auf  Mal-Karton

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