Mittwoch, 15. Februar 2023

Die neue Arithmetik der Politik

 Niemand stört sich daran, dass Politiker - durch Partei-Disziplin genötigt - immer wieder Schwierigkeiten mit den Grundrechenarten haben. Dafür gibt es ja Hochrechner und Statistik-Grafiker. Was mir aber bei der Live-Berichterstattung zur Wahl in Berlin sauer aufgestoßen ist, dass war der Umstand wie die eigenen, auf den Bildschirm projizierten Zahlen interpretiert wurden.

Dass CDU-Landeschef Kai Wegner sich im Rausch seines Zugewinns als Wahlsieger fühlt, ist sein gutes Recht. Genauso wie es ihm zusteht, von sich aus Sondierungen zu einer möglichen Koalition unter seiner Führung anzukündigen. Denn das sollte taktisch ja das Bild der neuen Stärke der Christdemokraten durch den Abend bringen. Aber mit dem Narrativ, die rotgrünrote Regierung sei durch seinen Punktsieg allein wegen der hohen Verluste der SPD abgewählt worden, hat er sich eindeutig - von der ersten Hochrechnung an -nicht als Mathe-Genie geoutet. Denn die Verluste der bisherigen Koalition, die sofort für sich beanspruchte, weiter machen zu wollen, bezifferten sich ja insgesamt nur auf 5,4 Prozent. Bei einer in dieser Krisenzeit lächerlichen Wahlbeteiligung von nur 63 Prozent und mit 28, 23 Prozent von einem Erdrutsch-Sieg zu prahlen, ist reines Politiker-Bohei. Die CDU konnte ja noch nicht einmal ein Drittel der abgegebenen Stimmen verbuchen!

Schlimm nur, dass die statistisch nachweislich immer weiter zur CDU hin rückende Polit-Moderatoren-Riege des ZDF diese Legende von der Abwahl einen ganzen Wahlabend lang aufnahm, obwohl ja hinter ihnen die Balken für die Stimmanteile starr blieben. Infolge dessen, bissen sie sich auch deutlich verärgert bei den Partei-Spitzen die im Wahlkampf ja schon die Tendenz zur Fortführung der Koalition betont hatten, immer wieder die Zähne aus. Die mehrfach durch gleiches Nachfragen versuchte Keiltreiberei von Journalisten, die eigentlich zur Neutralität verpflichtet sind, war ein öffentlicher Beleg dafür, wie verkommen Journalismus in diesen Zeiten ist.

Hier noch einmal zur Erinnerung, dass Zahlen nicht lügen:


Mehrheiten finden und in Regierungen zu binden: Nur so funktioniert die parlamentarische Demokratie.
Eine simple Folge von Addition und Subtraktion, die somit auch den Stimmen der Wähler entspricht.
Grafiken: Tagesschau

Die satte Mehrheit für rotgrünrot im Berliner Abgeordneten sieht statistisch mehr nach einer Abmahnung aus, als nach einer Abwahl. Immerhin gingen ja fast 60 Prozent der abgegebenen Stimmen auf die Konten der alten Regierung.  90 Abgeordnete zu 52 - es sei denn die Partei der Angstmacher tut sich doch noch im gemeinsamen Geiste mit der AfD zusammen...

Ich persönlich bin geneigt Franziska Giffey anzurechnen, dass sie nur 13 Monate Zeit hatte, um den sumpfigen "Bärenzwinger" auszumisten. 13 Monate von denen zwölf ganz im Zeichen des Krieges und der mit ihm verbundenen Flüchtlingswelle standen, die die Bundeshauptstadt am heftigsten traf.
Quelle: geolino
verändert durch CD


Dennoch, in der politischen Hygiene muffeln Verlierer eben. Sie sollte vielleicht nicht darauf beharren, um jeden Preis im Amt bleiben zu wollen. Neue Köpfe bei Grün und Rot könnten dem verächtlich gemachten "Weiter so" vermutlich wirkungsvollere Impulse für die Sisyphos-Arbeit geben, unsere Hauptstadt wieder erstrahlen zu lassen.
Quelle: pixabay

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