Mittwoch, 4. Januar 2023

Der Koloss auf tönernen Füßen

Wer sich am Ende des vergangenen Jahres darüber gewundert hat, wieso der Untersuchungsausschuss zum Sturm aufs Capitol Expräsident Trump trotz überwältigender Hinweise auf seine Rolle als Spiritus Rector nicht mehr vorladen wollte, ahnt es seit gestern. Die Republikaner haben mit 13 Stimmen im Repräsentantenhaus nach den Midterms die Mehrheit. Das bedeutet sie könnten jegliches Vorhaben der Biden-Administration in den nächsten zwei Jahren nicht nur behindern sondern auch kippen. Aber was noch viel schlimmer ist, sie könnten abgeschaffte  "Trump-Gesetze" wieder in Kraft treten lassen.

Dass Lügen des Expräsidenten immer noch hoffähig sind und seine Anhänger in beiden Häusern "Rachepläne" schmieden könnten, kann den 3. Januar 2023 zum D-Day der Demokratie machen. Und das gerade zu einem Zeitpunkt, da der Weltfrieden von mehr als nur einer Seite bedroht ist und sich Joe Bidens Popularität als Kriegs-Präsident im Dauer-Sinkflug befindet.

Der Hexenjäger
Joseph McCarthy
1908 - 1957
Quelle:wikipedia
Trump-Intimus
Kevin McCarthy
Quelle: FAZ
Alarm-Signale schrillten den Älteren unter uns bei dem Namen Joseph McCarthy in den Ohren. Vor allem wegen dem von ihm inszenierten,  perfiden "Mindhunting" auf der Jagd nach Kommunisten unter den amerikanischen Intellektuellen der Nachkriegszeit. Josephs republikanischer Namensvetter Kevin hatte schon vor seiner eigentlichen Wahl zum "Speaker" mit ähnlicher Dialektik getönt, wie er den Demokraten einheizen werde. Er ließ Interviewer auch im Unklaren, ob die Strafverfolgung der Capitol-Stürmer weiter gehen werde. So siegessicher war sich Kevin McCarthy, dass er bald den "Gavel" schwänge, dass er bereits vor der Wahl alle Akten und Unterlagen zum Einzug in Nancy Pelosis Büro im Capitol liefern ließ. Wer den Hammer hat, hat auch das drittmächtigste Amt der USA inne. Und dann das: Nach drei Wahlgängen gestern Abend gelang es ihm immer noch nicht eine Mehrheit hinter sich zu bringen. Nicht etwa, weil seinen Partei-Genossinnen und Genossen das Getöse gegen die Demokraten nicht laut genug gewesen wäre. Nein, es war den eingeschworenen Donaldisten nicht "trumpig" genug.
Ich guckte bis Mitternacht CNN und kam aus dem Kopfschütteln nicht heraus, als nach dem dritten Wahlgang auch durch Kommentare alles zu Tage trat. Was sind die Republikaner unter Trump und seinen Ränken für eine Schurkenpartei geworden.
Der Katholik DeSantis nimmt es
mit der Wahrheit nicht
allzu genau. So verweist er beim
Ringen um Wähler-Gunst
gerne auf nicht belegte
jüdische Wurzeln
Quelle: tagesspiegel


Da ist auch gar nicht mehr verblüffend mit welchem Selbstbewusstsein der Hoffnungsträger für eine alternative Präsidentschaftskandidatur, der Republikaner Ron DeSantis, seinen Sitz im Parlament einnimmt, nachdem ihm mehrere massive Lügen in seinem offiziellen Lebenslauf nachgewiesen wurden. 

Die USA sind für mindesten zwei Jahre ein Koloss auf tönernen Füßen. Und vermutlich auch darüber hinaus, weil die Republikaner so zerstritten sind. Die gespaltene Nation, die auf ihr politisches und juristisches System so stolz ist, wird so bestimmt nicht wieder zusammenwachsen. Was bedeutet das für Europa, das ja selbst durch moralische und Probleme der Erweiterung vor gewissen Herausforderungen steht?

Es könnte passieren, dass die Republikaner Joe Bidens teure Unterstützung der Ukraine reduzieren oder sie gar angesichts des stets klammen US-Haushalts auf die in der NATO eingebrachten Bündnis-Mittel beschränken. Was wenn es tatsächlich ein Comeback für den Putin-Freund Trump  gibt? Was, wenn die Amerikaner mit einem republikanischen Präsidenten auch Taiwan im Konflikt mit China angesichts der Weltkriegs-Gefahr wie Afghanistan im Stich lassen?
Teflon-Trump wirft nicht nur auf die USA
weiter seinen gefährlichen Schatten
Quelle: Infosperber
Das Jahr 2023 beginnt mit eher mehr Fragezeichen als 2022 zu Ende  gegangen ist.
Dazu fällt mir ein alter Blödelspruch ein: Erschöpft setzte sich der Mensch zur Rast auf einen Stein und dachte bei sich "es hätte schlimmer sein können". Und dann kam es  schlimmer!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen