Freitag, 29. Mai 2020

Wo bitte geht's nach Entenhausen?

Der Großteil der Sammlung ist im Moment noch unerreichbar auf der Burg.
Der zweite von links ist das Schnitzwerk eines Künstlers der Ahousaht,
eines Ureinwohners von Vancouver Island

Leserinnen und Leser, die mein Blog-Geschreibsel seit gut einem Jahrzehnt verfolgen, mussten sich schon des öfteren mit meinem eigenartigen Verhältnis zu Enten befassen. Einerseits weil sich ja ein Schreiberling einst vor zu Papier gebrachten, "entfesselten Enten"  (canards enchainés) generell in Acht nehmen musste. Andererseits war der Blogger zu seiner aktiven Zeit als Journalist aber auch weltweit untypischer Sammler von Enten-Darstellungen  unterschiedlichster Art. Dass er die fliegenden Viecherl  bis heute mit großer Leidenschaft  und Appetit in allen Stilen der Gourmet-Küche verzehrt, gibt dieser fatalen Liebe dazu dann eine eher bizarre Note.

Aber sie lassen mich auch in natura nicht los:
Früher in dem von mir in Handarbeit angelegten Gartenteich, wo diverse Pärchen alle Jahre wieder ihren Nachwuchs zur Welt brachten und erste Schwimmversuche machen ließen, und selbst in den Tagen als Corona hier unter uns den Verkehr zum Stillstand brachte.

In jenen einsamen und isolierten Tagen flog zweimal pro Woche im Straßenverlauf von West nach Ost - ohne auf die Ampeln zu achten -  ein Stockenten-Paar direkt an meinem Fenster im vierten Stock vorbei; lässig und unbeirrt, obwohl mit aggressiven Flugmanövern gerade in jenen Tagen die Riesen-Krähen auf ihrer Lufthoheit beharrten. Bei den schwarzen Kämpfern wagten weder die Elstern noch die Tauben wie sonst  "Widerflüge", und die Amseln schimpften aus in ihren Nestern im Verborgenen.

Diese zwei Enten - offenbar einer inneren Uhr folgend - hatten möglicher Weise einen fixen Termin, den sie nicht verpassen wollten. So kurz ihr Vorbeiflug war, so lange musste ich über sie nachdenken. Sie gaben mir Rätsel auf.

Dass es sich immer um das selbe Paar handelte, verrieten mir typische Merkmale an ihrem Federkleid.: das braune Weibchen hatte überraschend weiße Flächen an der Unterseite, während der Weiße Ring, der den prächtig schillernden Kopf des Erpels üblicher Weise schmal abgrenzt, breit war wie ein Stehkragen .

Woher und wohin war spekulativ. Aber wieso kamen sie nie auf gleichem Kurs zurück?
Trotz der Verkehrsdichte und der engen Bebauung in unserem Stadtteil gibt es in unmittelbarer Nähe nicht nur den See  des Olympia-Parks, sondern auch einen spannenden Wasserweg: den Nymphenburg-Biedersteiner Kanal, der durch die Gestaltung des Olympia-Parks und Jahrzehnte später durch den Petuel-Park als Überbauung des Mittleren Rings zu einem Wildbach renaturiert wurde.
Zweimal Landschafts-Architektur:
Links der altmodisch renaturierte Kanal,
rechts der moderne Petuel-Park

Den bin ich früher mit dem Rad gerne entlang gefahren. In ihm kann man zahlreiche Fische beobachten, und er hat eine erstaunliche Fließgeschwindigkeit. Vermutlich können Enten in ihm deshalb zwar nicht Gründeln, aber sie kämen schwimmend gemütlich und sicher zum Kleinhesseloher See im Englischen Garten - einem Wasservogel-Paradies.

Gut, dass Ente das sechsspurige Gerausche des Verkehrs nicht mögen könnte, ist nahe liegend. Zu dem müssten die gefiederten Freunde parallel und kreuzend in etwa genauso viele Tunnels und Unterführungen bewältigen wie die Autofahrer. Aber ich habe dort schon ganze Enten-Familien gemütlich paddelnd aus dem Dunkel "auftauchen" sehen.

Aber genau darin lag wohl der Grund. Mein Enten-Pärchen war wohl in Eile und wie immer zu spät dran, weil seine Erpel-Schönheit sich wieder einmal zulange das Gefieder geputzt hat. Zu spät wofür? Für die in Corona-Zeiten zweimal wöchentlich stattfindende Bürgerversammlung von Entenhausen. Da war die "verkehrsberuhigte" Direttissima mit nur einmal am Ende rechts Abbiegen vermutlich am schnellsten...



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