Montag, 4. Mai 2020

Vom Corona-Kampf nicht in den Corona-Krampf geraten!

Wenn uns unsere Familiy-Video-Chats am Wochenende eines lehren, dann das gut Zuhören und  vor allem die anderen ausreden zu lassen. Das ist eine Disziplinierung, der wir uns am runden Tisch nie unterworfen hätten. Wir sind eine temperamentvolle und äußerst heftig auf die eigene Meinung pochende Gruppe von Individualisten. Der Video-Chat lässt durcheinander zu reden einfach nicht zu.
Damit haben wir die erste, positive Corona-Nachricht: Wir tauschen Meinungen aus wie noch nie, und ich alter Dauer-Pessimist lerne dabei, dass meine Kinder, die Adepten meiner vermeintlich unzureichenden Erziehung, viel entspannter mit dem Thema Corona umgehen als meine Wenigkeit.

Mein Sohn zum Beispiel ist fest davon überzeugt, dass die Welt nach dem Virus eine andere sein wird. Er baut auf die Lernfähigkeit der Menschen, die sich aus seiner Sicht immer nach globalen Katastrophen durchgesetzt habe. Er bezieht diese Überzeugung aus einem Netz von weltweiten Internet-Freundschaften mit Leuten, die er persönlich noch nie getroffen hat, aber die seine Hoffnung teilen.

Meine Tochter, deren soziale Kompetenz ihr im Leben mächtig Empathie eingebracht hat, vertraut darauf, dass die denkende Mehrheit der Gesellschaft über die Schreier und politisch motivierten Rechthaber in den TV-Debatten mit einem eigenen, bewussten Verhaltens-Kodex obsiegen wird.
Endlose Talks und tägliche "Spezial"-Sendungen,
die heiße Luft in geballten Unkenntnissen
aufwärmen, mögen den Profilen der
Dampfplauderer nützen, aber lösen den
wohl bevorstehenden Corona-Krampf nicht
Foto: ard.de

Mein doppelt betroffener Schwiegersohn, der derzeit zur Tatenlosigkeit verdammte Meisterkoch und um seine Verwandten im heftig durch Corona gebeutelten Heimatland Nepal bangende Hindu, scheint hingegen dennoch die Gelassenheit in Person. Er freut sich darüber, dank Corona soviel Zeit wie nie zuvor mit seinem mittlerweile vierjährigen Sohn zu verbringen.

Während noch meine Gegenargumente im Web ohne Echo verhallen, erinnere ich mich daran, dass meine Eltern kurz vor ihrem Tod auch pessimistisch über unser zukünftiges Leben orakelt haben. Ihr Argument auf dem erlebten Leben basierend, war, dass der Mensch noch nie nachhaltige Konsequenzen aus Katastrophen gezogen habe, die er glücklich überlebt hätte. Und dass er dann vor allem massenhaft im Denken umgeschwenkt und den starken Männern ins nächste Inferno gefolgt sei.
Ein amerikanischer Präsident, der als
Virus-Krisen-Manager versagt hat,
hetzt seine Freischärler in Michigan gegen
die  Gouverneurin Gretchen Wittmer
von den Demokraten wegen des Lockouts derart auf,
dass sie dort bewaffnet das Parlament stürmen...
Foto:AP/dpa Paul Sancya

Dass über die Hälfte der Menschheit derzeit in zur Alleinherrschaft manipulierten Demokratien lebt, ficht die Kinder der aktuellen, europäischen Friedens-Generation offenbar weniger an, als ich gedacht hätte. Die 72 Jahre, die ich im Frieden leben darf, machen mich einerseits hoffnungsfroh, wenn ich auf die Meinen schaue, aber ich bange auch, sie könnten vom Corona-Kampf in den Corona-Krampf geraten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen