Montag, 23. November 2015

Wie die Alten sungen...

... so zwitschern auch die Jungen. Ob Johann Wolfgang von Goethe in seinem zeitkritischen Gedicht den Volksspruch aufgenommen oder dass seine Zeilen zur Redewendung wurden, sei dahin gestellt.
Er meinte es sicher nicht biedermeierlich verkitscht, sondern gesellschaftskritisch. Dass die Kids sich in jener Zeit des Wohlseins so verhielten, wie es ihnen die Eltern vorlebten, erschien dem dichtenden Politiker ein Zeichen für den gesellschaftlichen Stillstand vor der Revolution 1848.

Vielleicht müssen die übrig gebliebenen Geschichtsschreiber das letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhundert ja auch als "Vormärz" für eine dramatische Entwicklung der Welt seit 2001 sehen. Allerdings ist den "Kindern" diesmal angepasstes Verhalten nicht vorzuwerfen, weil sie im Eiltempo der IT-Entwicklung immer "up to date" sein müssen. Heute hieße der goethische Spruch vermutlich:

Wie die Alten smsten, twittern nur die Dümmsten.

Die erste Anwender-Generation hinkt trotz ernsten Bemühens derart hinter der ihrer Kinder her, dass zum Altern auch zusätzlich noch das Gefühl der Ausgrenzung und der technologischen Überforderung kommt.

Gestern hat mein Sohn mit seinem engsten Freundeskreis seinen 34. Geburtstag bei uns mit einem Brunch gefeiert. Bis auf eine Psychologin waren sonst alle mehr oder weniger mit IT oder technologischer Zukunft beschäftigt. Einer ist sogar "Entwicklungshelfer" für E-Autos.

Als ich in einer Atempause der vielstimmigen Unterhaltung fragte, wie ich den Terror einer bestimmten Gruppen-App, die sich mitsamt dem Handy meiner bemächtigt hatte, wieder los würde, kam als Antwort, dass sie eh bald schon nicht mehr benützt werde.

Und weil sie nicht über mich lachen wollten, suchten sie auf ihren Smartphones unter Classic den Klingelton "Enten-Geschnatter". Geräuschemäßig verwandelte sich  unser kleines Appartement flugs in einen vielstimmigen Enten-Teich.

Jetzt könnte ich daraus fahrlässig ableiten, dass die  Menschen, die die "Zweitbeste" und ich beim Heranwachsen begleitet haben, ihr kindliches Gemüt pflegen. Aber da sie zuvor ernsthaft über die terroristische Bedrohung diskutiert haben, erscheint mir diese Unbekümmertheit eher wie ein Schutz-Mechanismus. Es kann ja auch kein Zufall sein, dass die Mittdreißigerinnen - ohne sich eigens abgesprochen zu haben - in den nächsten Monaten aus einer gesicherten Lebenssituation Kinder in die Welt setzen...

Ein kleiner Streit mit meiner ebenfalls schwangeren Tochter, öffnete mir dann zusätzlich die Augen:
Diese Generation scheint im Sinne von Sartre existenzialistischer zu sein, als es von uns intellektuell jemals verlangt wurde:

Carpe diem - im Jetzt und Hier!

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