Donnerstag, 12. März 2015

Wer weiter glimmt, wird noch mehr fremd bestimmt

Zu den Merkwürdigkeiten, die seit der Jahrtausend-Wende an der Tagesordnung sind, gehört das Phänomen, dass das einst so schicke Rauchen auf einmal Teufelswerk ist.
Unbestritten sind die schädlichen Auswirkungen dieser Sucht - auch passiv. Aber Alkohol, Zucker vor allem aber die Kern-Energie sind das auch - ohne dass eine derart erfolgreiche Hexenjagd stattgefunden hätte. Wenn es so weiter geht, wird es wie in der amerikanischen Prohibition im Untergrund mit starken Ventilatoren versehene "Smoke-Easys" geben, wo die Süchtigen sich qualmend treffen und trauernd dem abgesaugten blauen Dunst nachschauen, sobald er aus Mund und Nase gedrungen ist. Auf den Straßen stehen in dunklen Ecken "Smoke-Legger", die verstohlen ihre Mäntel öffnen, um zu zeigen, was sie zu bieten haben - an illegalen Tabakwaren natürlich.

In unserem Viertel ist es schon ein wenig so, seit unsere Nachbarn - leidenschaftlichen Raucher-Nationen entstammend - nur noch außerhalb der Wohnungen und vorsorglich bereits nicht mehr auf dem Balkon ihre Zigaretten-Pause machen. In Vorgärten, Garagen-Auffahrten und Hauseingängen sieht es spätabends das ganze Jahr nach Glühwürmchen-Saison aus.

In unserem Multi-Kulti-Glashaus raucht keiner. Deshalb können wir riechen, wenn sich Pizza-Kunden oder unsere Streetworker nach der Schicht noch eine Abspann-Zigarette anzünden. Es gibt keinen schrecklicheren Geruch als erkaltet, aufsteigender Tabak-Qualm. Dennoch tun sie uns leid, dass ausgerechnet sie, die ja soziale Arbeit verrichten, das soziale Moment des Rauchens nicht mehr ungestört erleben können - wie in Steinbecks "Stormy Harvest". Da lässt der Gewerkschaftsmann am Lagerfeuer seinen Tabakbeutel samt Papier rumgehen, um die Obstpflücker vom Streik zu überzeugen...

Die "Zweitbeste" und ich haben gerne geraucht. Meine Frau leider zu exzessiv. Ich war eher der genussvolle von Zeit zu Zeit Rauchende. Beide haben wir wegen der Infarkte das Rauchen aufgegeben. Aber es war unsere Entscheidung - so wie wir weniger Fette und Alkohol zu uns nehmen wollen.

Noch heute lieben wir den Geruch einer frisch angezündeten Zigarette und erinnern uns an tolle Rauch-Erlebnisse bei einem Glas Wein mit  Aussicht oder nach einem guten Essen. Am besten haben mir die Zigaretten auf Regatten und alleine mit meinem Boot auf dem Meer geschmeckt - quasi um - nach Art Buchwald - keine Sauerstoff-Vergiftung zu bekommen...

Muss der Mensch im Kleinen tatsächlich bevormundet werden, während er im Großen ungefragt Kanonen-Futter oder Spielball der Finanzmächte wird?

Während meiner Krankheitstage habe ich den Eindruck gewonnen, dass uns die Amis im Verunglimpfen des Glimmens strategisch noch einen Schritt voraus sind. Da ist Rauchen in neueren Filmen und Serien schon das Reagenz für die soziale Abstufung. Die Guten rauchen entweder nicht mehr oder tun das reduziert mit kleinen Ritualen, die man niedlich finden kann. Je sozial abgestürzter desto mehr wird geraucht, am besten auch gleich noch mit der Spritze in der Vene oder gleich mit der Met-Kugel. Das Signal wird permanent penetriert: Je mehr du rauchst desto mehr bist du der Boden-Satz der Gesellschaft. Für exzessiven Schusswaffen-Gebrauch gilt diese Stigmatisierung allerdings nicht...

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