Samstag, 22. Februar 2014

Einzeln, einsam, allein

Im Laufe ihres Lebens machen die meisten Menschen einen erstaunlichen Wandel in ihrer Einstellung zum Miteinander mit anderen durch. Bislang dachte ich, es sei nur bei mir so extrem, aber mittlerweile beobachte ich bei vielen die gleichen Phänomene:

Im Vorschulalter zum Beispiel hatte ich extreme Angst verlassen zu werden. Meine Mutter musste mich sogar auf ihre Geschäftsreisen mitnehmen und brachte mich auch in keinem Kinder-Garten unter, weil ich mit meinem Geheule deren friedvollen Ablauf störte. Im Schoße der Familie genoss ich jedoch die abenteuerlichsten Reisen, weil ich an die unerschütterliche Sicherheit in diesem Verbund glaubte. Die ersten Schuljahre waren durch die erzwungene, ja nur stundenweise Trennung deshalb ein wahrer Graus.

Aber dann begriff ich, dass Kontakte zu Gleichaltrigen herzustellen, durchaus eigene Perspektiven eröffnete. Fortan war ich nicht mehr zuhause zu halten. Ich wurde ein Teil von Kindergruppen, die damals Rasselbanden hießen. Das Gruppen-Erlebnis schuf als Lerneffekt etwas, das man heute vielleicht als soziale Kompetenz beschreiben würde.

Auf Menschen zu zu gehen, sie für etwas zu gewinnen, wurde dann Teil meines Lebens. Erst war ich noch eine Art Pausen-Clown, später so etwas wie ein Partylöwe, aber dann wurde ich überraschender Weise  trotz meiner Jugend so ernst genommen, dass ich gar nicht mehr merkte, wie sehr mich die mir quasi von selbst zuwachsenden Verantwortungen einengten. Im Rückblick habe ich heute deshalb das Gefühl, niemals wirklich jung gewesen zu sein. Da hatte es die Generation meiner Kinder wohl leichter, was sie aber heute vereinzelt daran hindert, erwachsen zu werden.

Heute kann ich fabelhaft allein sein, weil ich dabei nicht einsam bin. Das geht aber nur, weil ich in einer langen Ehe mit einem eigentlich gleich gepolten Partner gelernt habe, dass man einzeln durchaus zusammen sein kann, wenn man den anderen trotz anderer Interessen nicht verändern will.

Warum greife ich dieses tiefgründige Thema überhaupt auf?

Unsere aktuelle Gesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass viele junge Menschen dieses Einzelne im Zusammensein nicht mehr zulassen wollen. Diese Single-Gesellschaft, die an Kommunikations-Technik so schier Grenzenloses bietet, gaukelt ja nur vor, dass wir viel intensiver miteinander umgehen als jemals zuvor. Kein Facebook und kein Whatsapp bringt die Menschen als Individuum so nah, dass  dabei die Auseinandersetzung und das Arrangement mit dem Charakter des Anderen statt fände; selbst wenn man mehrmals am Tag mit ihm simst oder twittert und seine Taten mit einem I like Daumen hoch kommentiert.

Neulich saßen sie wieder bei mir - typische Vertreter dieser Generation - und hatten ihre Laptops und Tablets an meinem WLAN. Sie spielten Quizz drauf, während sie sich sporadisch an einer Art Konversation beteiligten. Aber noch weiß ich, wie ich sie aus der Reserve locken kann:

Ich setzte ihr Single-Dasein in ein Verhältnis zu den abstrusen Mieten für Ein- und Zweiraum-Wohnungen, rechnete ihnen vor, dass sie als Einzelne in dieser Gesellschaft nur noch dann zu Wohlstand kommen können, wenn sie, Risiken eingehend, auf dauerhafte Partnerschaften vertrauen können. Und dass dieses Vertrauen in erster  Linie harte Arbeit an sich selbst und nicht an der Veränderung des Partners bedeutete.

Sonst hieße es am Ende eben tatsächlich:  einzeln, einsam und allein.

Es ist dann doch noch eine recht lebhafte Unterhaltung geworden...

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