Mittwoch, 16. Oktober 2013

Dem Grauen so fern, dem Ego zu nah

Jedem, der derzeit "humanitäre Lösungen" vorschlägt, sollte eigentlich klar sein, dass die so gar nicht möglich sind. Diese Flüchtlingswellen aus den kriegswunden Staaten Arabiens und den Hunger-Zonen Afrikas branden an eine Welt, die nämlich zerrissen ist zwischen Mitleid und Wahrung eigener Interessen: Das ferne Grauen berührt unsere Gemüter, aber sobald wir in unmittelbarer Nähe betroffen sind, obsiegt der Selbstschutz.

Was interessiert uns die Fünfhundert-Seelen-Gemeinde in Niederbayern, der von Staats wegen ein Asylanten-Heim mit 300 entwurzelten Menschen aus aller Welt aufgezwungen wird? Aber wehe in unserem hochpreisigen, Wert stabilen Eigenheim-Areal im Speck-Gürtel wird ein spekulativer Leerstand zu gleichem Zweck verwendet...

Wohl gemerkt, ich tadele den Schutz der eigenen Interessen nicht, denn ich würde eine möglicher Weise derart verursachte Wertminderung oder gar Verslummung auch nicht wollen. Aber ich erkenne die politischen Mechanismen, die im Ausland für die heutige Situation gesorgt und in den eigenen Grenzen wider besseren Wissens nicht zu längst zu treffenden Vorkehrungen geführt haben.

Auf meinen Reisen durch heute mehr denn je betroffene Länder habe ich zum Teil die Absurdität der westlichen Entwicklungshilfe mit eigenen Augen gesehen. Sie manifestierte sich zum Beispiel in zwei bundesdeutschen Organisationen,die unterschiedlicher nicht sein konnten:

Damals hatten sie noch die Abkürzungen DED (Deutscher Entwicklungsdienst) und TED (Technischer Entwicklungsdienst). In ersterer schufteten überwiegend ehrenamtliche Freiwillige für ein Taschengeld unter permanentem Mangel an Mitteln rund um die Uhr, um Schulen, Agrarlandschaften, Krankenhäuser und Wasserversorgung zu etablieren. In der anderen arbeiteten hoch bezahlte Spezialisten - nicht selten von unseren Diensten flankiert oder in Kooperation mit denen -, um für die Deutsche Export-Wirtschaft wichtige Märkte zu bereiten. Beispielsweise indem sie TV-Stationen, Telefon-Netze  und  Tonstudios aufbauten, Oder Produktionsstätten installierten, an denen zu Niedrigstlöhnen produziert werden konnte. Fällt denn in jenen Ländern keinem außer mir diese täglich dokumentierte Diskrepanz zwischen Flächen deckendem Smartphone-Besitz und der gleichzeitigen Unterversorgung bei Nahrungsmitteln auf?

Das klingt jetzt vielleicht ein wenig nach wütender Verallgemeinerung, wenn ich sage, dass ich Erstere unter primitivsten Lebensbedingungen einem erheblichen Gesundheitsrisiko ausgesetzt gesprochen habe, während ich von Letzteren entweder in Dienst-Villen mit Personal oder in exklusiven Ausländer-Clubs empfangen wurde.

Ausdrücklich entschuldige ich mich hier bei den wenigen Ausnahmen.

Beispielhaft erinnere ich mich an ein Gespräch am Pool einer solchen "gesellschaftlichen Einrichtung" während der frühen 1980er in Djakarta. Zwei Ehepaare unterhielten sich über ihr indonesisches Haus-Personal und deren Eigenheiten beim Versorgen der Wäsche. Das Interessante dabei: Das eine Paar war im Auftrag des Goethe-Institutes nach einem Jahr in der Heimat gerade wieder "reuig" in den Auslandsdienst zurück gekehrt, weil es daheim weder mit dem Verdienst noch mit den einfacheren Lebensbedingungen zurecht gekommen war...

Die Welt ist zu klein geworden für Völkerwanderungen im großen Stil. Schon bei der individuellen Integration im großen Zeitrahmen - wie hier in unserem Stadtteil - gibt es häufig noch Sand im Getriebe. Aber wie wäre den Verzweifelten aus Afrika hier mit einer geregelten Aufnahme geholfen? Es bliebe ihnen die Wahl zwischen dauerhaftem Sozialfall und Niedriglohn-Sklave. Eine weitere soziale Unterschicht würde geschaffen, in der es nicht aufhörte zu brodeln - angesichts des Reichtums, der sie einst zum  desperaten Aufbruch aus der Heimat verleitet hatte.

Statt Entwicklungshilfe unkontrolliert in die Taschen von Potentaten fließen zu lassen, hätten die Milliarden mit sehr viel mehr Geduld und Fürsorge in "blühende Landschaften" investiert werden können. Das Beispiel im eigenen - auch unter Schmerzen -  wiedervereinigten Land zeigt ja, was in zwei Jahrzehnten machbar ist, um soziale Gefälle durch bessere Lebensbedingung und Investitionen in Infrastruktur abzuflachen.

Aber hinterher ist man ja immer schlauer.



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