Dienstag, 1. März 2011

Erdogan nutzt Sarrazins schwarzen Schatten

Da muss ich ja heute aufpassen, dass mein Post nicht als Einstimmen in den Kanon unserer Rechtspopulisten mißverstanden wird.

Aber zur Rede des türkischen Regierungschefs Racep Tayyip Erdogan vor Tausenden seiner Landsleute in Düsseldorf gäbe es mehr zu sagen, als ihm bloße Stimmungsmache und Wahlkampf auf Kosten Deutschlands vorzuwerfen.

Zunächst einmal zur Situation der Türkei, die Kemal Atatürk im vergangenen Jahrhundert mit dem Bekenntnis zum Laizismus - also der strikten Trennung von Staat und Kirche - vom osmanischem Stadium des "kranken Mann am Bosporus" weitsichtig auf Kurs zu einer Führungsnation im Nahen Osten gebracht hat.

Im kalten Krieg nicht nur ein verläßlicher Bündnispartner des Westens, sondern nach dem Ende des Schah-Regimes im Iran auch ein Bollwerk gegen den militanten Islam der Mullahs und Ayatollas ist der Türkei durch die Instabilität im arabischen Raum auf einmal eine machtvollen Schlüsselposition zugewachsen, die Erdogan auf Dauer für sich nutzen will. Dabei kommt ihm vor allem die tadellose wirtschaftliche Situation mit bis zu 20prozentigem Wachstum und die Heimattreue der finanzstarken Auslandstürken zugute.

Aber er denkt noch weiter: Indem er den Laizismus kontinuierlich aufweicht und zu einer Annäherung an einen wenig emanzipierten Islam animiert, könnte er auch davon träumen im arabischen Chaos wieder zu einem anerkannten  Potentaten osmanischen Ausmaßes aufzusteigen. Das wäre jedenfalls schlimmer, als den verdient selbstbewussten, am Blühen der deutschen Wirtschaft beteiligten Türken auch hierzulande einfach den Stolz auf ihr kulturelles Erbe zu gönnen. Das Wirtschaftswunder auf beiden Seiten des Bosporus dürfte allein schon ein wirkungsvolles Regulativ sein, den Rücksturz in einen islamischen Koservativismus zu verhindern.

Es sei denn, die grenzwertigen Sprüche einiger rechtskonservativer, deutscher Integrationspolitiker gössen Öl auf die schwelenden Flammen des auch hierzulande wachsenden, militanten Islam. Jetzt erst wird eigentlich richtig deutlich, was Thilo Sarrazin mit seinen überspitzten Thesen nicht nur unter den Deutschen, sondern vor allem im gegenteiligen Sinne auch bei den Deutsch-Türken anrichten könnte.

Erdogan nutzt den schwarzen Schatten Sarrazins argumentativ nämlich jetzt bereits unterschwellig für seine Ziele. Und dabei offenbart er durchaus guttenbergsches PR-Geschick, indem er beispielsweise seine Frau mit traditionell gebundenem Kopftuch bei der Eröffnung der CeBit neben unserer Kanzlerin ins Bild bringt.

Zur Erinnerung: Atatürk hatte den Fez und den Schleier verboten.Die merkwürdige Art der türkischen Frauen, ihr Kpftuch zu binden, war als Reaktion auf dieses Schleierverbot ein Diktat muslimischer Männer, die auf diese Weise unter anderem die Emanzipation ihrer Frauen unterbinden wollten...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen