Mittwoch, 9. März 2011

Ein finsterer Fasching

Die Seelen der Narren sind unergründlich.Vielleicht verzeiht man ihnen deshalb so manches und lässt sie einmal im Jahr toben. Gerade für meine jüngeren Leser habe ich deshalb heute einmal in meinen Manuskripten gestöbert und gebe Erinnerungen an Vorgänge wieder, die genau 20 Jahre her sind. - Vielleicht ganz angebracht zum Nachdenken, während es in der arabischen Welt ums Leben oder Sterbenlassen geht...



  In St. Christoph am Arlberg genehmigte ich mir während des InterSKI-Kongresses in St. Anton nach dem Skifahren auf der Sonnenterrasse  der Hospiz-Alm eine außergewöhnliche Flasche Rotwein mit Blick in die Ferne. Es war das Faschingswochenende 1991 mit traumhaften Schneeverhältnissen, aber das durfte nur dezent genossen werden, denn es herrschte Krieg.
  Wo immer sonst auch normalerweise Fasenacht oder Karneval gefeiert wurde, blieben alle Narren und Jecken stumm. George Bush der Ältere – der Bush ohne  „Dabbelju“ – hatte seinem einstigen Waffenkameraden aus dem Golfkrieg Eins gegen den Iran, Saddam Hussein, die Freundschaft aufgekündigt und ihm mit UN-Unterstützung den zweiten Golf-Krieg erklärt. Es ging natürlich wieder mal ums Öl, und da ordneten selbstverständlich auch alle christlich sozialen europäischen Vasallen pietätvoll und solidarisch ein staatliches Lach- und Spaßverbot an. 

Ich war ohnehin ein Faschingsmuffel, aber mich ärgerte  da besonders die unreflektierte Verbeugungshaltung der übrigen Nationen vor einem US-Präsidenten dessen Familienwurzeln tief in den Sumpf des internationalen und oft recht schmierigen Ölgeschäfts reichten. Ich nahm mir vor, künftig wieder stärker auf persönliche Wahrnehmungen zu vertrauen. Aber das machte mich nicht gefeit gegen das Unfassbare.

  Ein Jahr später saß unsere streng katholische Lana Mukovic verheult an unserem Frühstückstisch. Die kroatische Haushaltshilfe aus einem Dorf an der Grenze zu Bosnien hatte soeben alle nicht zwecks Arbeit in Deutschland lebenden Familienangehörigen verloren. Unter dem Deckel von Titos Vielvölker-Kochtopf einander seit Jahrzehnten friedlich gesonnene – ja eigentlich befreundete  -  Nachbarn, die sich einer muslimischen Miliz angeschlossen hatten, seien in das nagelneue Haus der Mukovic eingedrungen und hatten die im Keller versteckten Großeltern, Tanten, Nichten, Neffen und Enkel massakriert, ehe sie alles zusammengeschossen oder angesteckt haben...

Es war Rosenmontag 1992, und draußen in Deutschland tobten die Narren. Selbst dann dachte keiner je wieder daran, sie zu bremsen, als die Schrecken von Srebrenica in die Nachrichten sickerten oder die Rotgrüne Koalition zum Ende des Jahrtausends - eigentlich gegen  eigene programmatische Grundsätze und moralisch schon gar nicht mit der Verfassung konform - deutsche Soldaten im NATO-UN-Verbund zu den IFOR und SFOR-Truppen als Verstärkung und mit Kommando-Funktion auf den Balkan und in den Kosovo entsandte...

Wir feiern Fasching im Krieg! So jedenfalls hat der dahingegangene zu Guttenberg das Verteidigen unserer Freiheit am Hindukusch mutig beim Namen genannt. Da sterben also junge Landsleute - und wir lassen die Narren ihr Narrentreiben treiben? Sind denn die Unserigen 2011 weniger wert als die US-Soldaten 1991?

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