Freitag, 22. März 2024

Sind wir noch zu retten - und wenn ja, durch wen?

Und wieder einmal ein böser Zustand, der unbedingt benannt werden muss, damit wir uns vor noch mehr fürchten müssen:

Ich wusste es nicht, aber für jemand, der unmittelbar alle möglichen Symptome an sich erkennt, sobald er sie beschrieben bekommt oder von ihnen hört, war dies eine logische Diagnose. Das hat mir zu allen Anamnesen der letzten Zeit gerade noch gefehlt, aber ich muss diese unverrückbare Tatsache wohl akzeptieren:
Liebe Leserinnen und Leser! Ihr Blogger ist ein Doomscroller.

Immerhin, das passende T-Shirt hat amazon  auf Lager


Ein What??? Doomscroller sind Leute, die derart süchtig nach dem Konsum schlechtester Nachrichten sind, dass sie davon krank werden. "Doom" - das angelsächsische Wort doom steht für Untergang, und mit "Scrollen" - den Bildschirm rauf und runter  - versorgt sich der Betroffene via Computermaus mit dem dauerhaften  süchtig machenden Kitzel durch immer bedrohlichere Nachrichten.

Für mich kam diese Diagnose  zum Thema leider zu spät. Sonst hätte ich vielleicht seit Beginn des Jahres weniger pessimistische Posts verfasst und nach den Rekord-Zugriffen im Januar nicht diesen erschreckenden Leserschwund zu verkraften. Meine Ehefrau, die Fürsorglichste von allen, schüttelt nur mitleidig den Kopf: "Ich hab's dir ja gleich gesagt, dass du den Lesern, die ohnehin schon den ganzen Tag den Zustand der Welt beklagen müssen, nicht auch noch dein Kassandra-Geschrei zumuten kannst."

Nun, ich weiß ja nicht ob sie, die bei jedem neune Buch zuerst am Ende nachliest, ob es auch gut ausgeht, der rechte Maßstab für mich als "Bedenkenträger" ist. Sie guckt sich ja auch kaum noch einen Krimi im Fernsehen fertig an. Angeblich hätte sie beobachtet, dass sich seit dem Ukraine-Krieg auch die fiktiven Leichen im TV hemmungslos häufen. 

Es gibt deshalb nur noch ganz wenige Sendungen, die wir gemeinsam schauen. Es sind vor allem gewaltlose Rateshows. Die machen mich aber auch nicht ruhiger, weil deren vorgeschobener Wissensdurst nicht selten meine Überheblichkeit als Universalwissender entlarvt.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten
Quizgucken als Ritual geistiger Bankrotterklärung

Aber ich muss wohl einsehen, dass meine Frau recht hat. Ich lasse tatsächlich in jüngster Zeit meine durch das Tagesgeschehen  generierte schlechte Laune in meinen Blogs aus. Es scheint, als hätte ich meinen Humor auch gänzlich verloren. Wie machen das denn derzeit die Stand-up-Comedians, um über die Runden zu kommen?

Da sitze ich dann vor der Glotze bei einer Inga-Lindström- oder Rosamunde-Pilcher-Schmonzette und höre mir die gut gemeinten Coaching-Tipps meiner Holden an:
"Sowas könntest du doch mit links schreiben. So was brauchen die Leute in schweren Zeiten", meint die umgeschulte Linkshänderin und einst gewissenhafte Buchhändlerin an meiner Seite. Bis heute hat sie nicht einen einzigen meiner über 2000 Posts gelesen.

Dann meldet sich doch gleich mein auf stumm geschaltetes Über-Ich. Es wendet ein, dass die Pilcher außer ihrem wirklich fabelhaften Buch " Die Muschelsucher" nichts mehr viel von literarischem Wert, aber dafür Kohle ohne Ende hinterlassen hat

Quelle Elkes Literaturwolke

Bin ich noch zu retten? Sind wir noch zu retten? Und wenn ja durch wen?

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