Freitag, 16. November 2018

Joggen

Mitten in der nebligen Dunkelheit des Morgens sind sie laufend im Berufsverkehr unterwegs. Die einen sind schon auf dem Rückweg, den anderen steht ihre Rund um den Luitpold- Park noch bevor.
Wenn die Fußgänger-Ampel auf  Rot steht, beobachte ich gern, wie sie sich verhalten. Die, die erst angefangen haben, machen Stretching und andere Dehnübungen, um sich aufzulockern, die auf dem Rückweg machen entweder gar nichts oder trippeln auf der Stelle und freuen sich auf das Ende des Morgen-Sports.

Während ich die Heizungen andrehe, überlege ich, ob die Strecke entlang der viel befahrenen Straße gerade jetzt bei den ersten Minus-Temperaturen nicht kontraproduktiv ist. Die Runde Frischluft im Park hilft gegen den Feinstaub, den sie auf unserer Straße durch die höhere Atem-Frequenz aufnehmen gar nichts. Aber vielleicht suchen sie ja in dieser grausamen Welt nach einem anderen Kick.

Ich bin für mein Leben gern gelaufen. Nicht nur bei Ski-Marathons, sondern auch hier in München.
Allerdings bin ich von unserer Schwabinger Wohnung bis zur Marathon-Schleife im Englischen Garten mit dem Auto gefahren. Von den Olympischen Spielen 1972 blieb die blaue Farb-Strichelung lange erhalten. Wenn ich nicht so gut drauf war, zählte ich die Striche, aber bald stellte sich der Sucht-Effekt ein, in dem sich der Geist komplett vom Körper löst, der Kopf quasi getrennt vom Keuchenden den Sauerstoff für Denk-Orgien nutzt. Ganze Geschichten habe ich da schon im Kopf geschrieben, die ich daheim nur noch zügig in die Schreibmaschine tippen musste. Denn statt Erschöpfung belebte mich die 10-Kilometer-Runde während meiner gesamten Zeit als freier Autor. In der hatte ich auch das Vergnügen, auf einer Party in der Mcgill University von Montreal mit dem Marathon-Sieger von 1972 und dem Silbermedaillen-Gewinner von 1976 - Frank Shorter - über die Lauflust zu schwärmen...

Als meine Tochter unterwegs war, wechselte ich - meiner künftigen Aufgabe bewusst  - zur "Ernährung des werdenden Vaters" einem Buch von Klaus Müller, das 1970 im Heimeran-Verlag erschienen war. Auch heute noch eine köstliche Lektüre für alle Väter in spe. Bei unserem zweiten Kind war ich dann  durch diese Diät schon so schwer, dass ich fortan auf dem Rennrad Gelenke schonend meine Runden drehen musste.

Wenn ich also zu den Läuferinnen und Läufern hinunter schaue, packt mich der blanke Neid. Denn erstaunlicher Weise hat sich dieses "losgelöst Sein" auf dem Rad trotz langer Strecken nie eingestellt...

Und noch ein Buchtipp zum Laufen: "Die Einsamkeit des Langstrecken-Läufers" von dem zu den "jungen Wilden" der britischen Literatur zählenden Alan Sillitoe.
Allan Sillitoe, der "Junge Wilde"
im Alter von 81 Jahren.
Im Jahr vor seinem Tod 2010

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