Donnerstag, 8. September 2016

Gentrifuiiiiiiige

Der Kinder-Witz, den ich heute für meinen Blog entlehne, geht so:
"Achtung, kleiner Frosch, wir sind in einer Zentrifuiiiiii!!!"

Ich mache daraus: "Achtung, kleiner Mensch, du bist in der Gentrifizuiiiiii!!!."

Nur drei Monate waren wir fort, und schon steht der große Block am Eingang zu unserer Straße nicht mehr. Er wurde zum Riesen-Bau-Areal. Dran glauben musste unter anderem die Griechische Schule. Es ist in Steinwurf-Weite das fünfte Gebäude, das in den letzten zwölf Monaten von  der Gentrifizierung in unserem Viertel erfasst wurde. Das ehemalige Haus mit Studenten-Appartements wurde Luxus saniert und zu Quadratmeter-Preisen verhökert, die wir kaum glauben wollten. Dabei sind sie oft nicht mal 20 qm groß. Sie waren weg wie warme Semmeln. Ein Haus, das wir in der Nebenstraße beobachteten, bekam ein aufgestocktes Dachgeschoss mit "Atelier-Wohnungen"... Und so weiter.

Was geschieht mit den Altmietern? Sie werden heraus gekauft, um dann Opfer des immer enger werdenden Wohnungsmarktes zu sein.

Natürlich hat die Stadt München Verordnungen erlassen, um die Mieter zu schützen. Wer eine große Bestands-Immobilie kauft, muss sich verpflichten, die Alt-Mieter zu schützen und darf nur entsprechend des Mietpreis-Spiegels den Mietzins erhöhen.

Aber, wehe wenn dann ein Mieter auszieht oder ein "Entmietungs"-Angebot annimmt. Dann darf saniert werden. So laut und staubig, wie es nur geht. Meine Tochter, ihr Lebensgefährte und unser Enkel werden davon in absehbarer Zeit betroffen sein, weil ihr Viertel einfach zu schick geworden ist.

All die individuelle, Restaurants, Cafés und Lädchen, die so anziehend auf die Bewohner wirken, dass jeder jeden kennt, wie auf dem Dorf, sind bereits jetzt in Gefahr, weil die Mieten in den Altbauten vorher schon jenseits der Schmerz-Grenze lagen.

Die Mechanik ist überall in der westlichen Welt die selbe. In Quasi-Slums ziehen zunächst die Künstler ein, dann folgen alternative Gastronomen und schließlich das schicke Folk, das eigene Begehrlichkeiten bedient  und damit die Gier der Bauunternehmer weckt. Beton-Gold halt.

Wir sind alt genug, um schon Mehrfach auch den Wertverfall von Immobilien am eigenen Leib erlebt zu haben.

Wenn die Blase platzt, bekommen wir dann "Zürcher Verhältnisse"? Dort ist seit einiger Zeit die Umkehr der Gentrifizierung zu erkennen. Weil Bau-Unternehmer zu sehr mit kleinen aber teuren, auf die Single-Gesellschaft ausgerichteten  Appartements gesetzt haben, stehen sie entweder leer oder werden von Migranten-Familien, die einen weit geringeren Anspruch in punkto Wohnfläche haben, angemietet.

Das ist auch im ehemaligen Studenten-Wohn-Block uns gegenüber bereits zu erkennen. Die Hälfte der Winz-Appartements ist von Migranten-Paaren oder -Wohngemeinschaften  besetzt, die einen sicheren Job haben und denen es nichts ausmacht, wenn sie eng zusammenrücken müssen. Unser Multi-Kulti-Viertel schlägt zurück, und bringt hoffentlich die "Gentrifuge" zum Stehen. Oder verlangsamt sie zumindest. Sonst wird auch Frau Merkel mit ihrem "wir schaffen das" scheitern.

Denn der Gegensatz zu Gentrifizierung ist Verslumung.

Übrigens sehr sehenswert in dieser Beziehung: Der Netflix-Film "In guter Absicht" von Joram Lürsen, der an einer wahren Begebenheit zeigt, dass diese Problematik bereits im 19. Jahrhundert aufkam. In jener Zeit übrigens wurde auch schon der Begriff Gentryfication geprägt.

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