Samstag, 16. April 2016

Pantoffel-Held

Abbitte zu leisten bei den noch Lebenden, ist schon schwer. Aber im Nachhinein bei denen, die von uns gegangen sind, ist das für einen Agnostiker wie mich nur proforma möglich. Ich glaube, sie käme einfach nicht an. Das erhöht die Reue.

Wahrhaft Böses habe ich zwar in meinem Leben nicht begangen, aber in manchen Situationen würde ich rückblickend anders und vor allem milder reagieren. Das gilt vor allem für meine Eltern, die glücklicher Weise bei vollem Verstand von einer Sekunde auf die andere aus dem Leben geschieden sind.

Dass sie geistig so fit waren, hatte zur Folge, dass wir uns über ihre Schrulligkeiten, die sich zunehmend einstellten, sehr unsensibel lustig gemacht haben. Wie kann einer als junger und aktiver Mensch auch kapieren, dass die Radien im Alter immer enger werden, Dass die Kontemplation in Ruhe von der Erinnerung ans Schöne gespeist wird?

Jetzt, da wir auch Großeltern geworden sind, machen unsere Kinder mit uns dasselbe. Sie ziehen uns liebevoll auf, wenn wir in der schönen neuen Welt der Computer-Updates und App-Neuheiten einfach nicht mehr mithalten können. Wenn wir lieber mit dem immer weiter abgebauten Bank-Personal persönlich reden wollen, als unsere alltäglichen Dinge per Online-Banking zu erledigen.

Hin und wieder gibt es dann aber auch für uns noch Grund zu schmunzeln. Mit einem neuen Tarif hatte mir mein Internet-Provider auch einen neuen futuristisch gestylten WLAN zukommen lassen - aber keine Zugangsdaten. Die Kontaktaufnahme war mehrere Tage aussichtslos. Also musste mein Sohn ran, der aber nur an Wochenenden die nötige Ruhe findet, um mit Computer-Stimmen und Tasten-Feldern zu kommunizieren. Ich hatte an einem Wochentag schon mehrfach über zwanzig Minuten in der Leitung gehangen, um dann den Rat zu bekommen, doch ein andermal wieder anzurufen...

Meinem Sohn ging es nicht besser, was mir ein klammheimliche Freude bereitete. Nur, dass am Ende der Warteschleife eine Computer-Frauenstimme ihm sanft riet, doch während der Geschäftszeiten anzurufen. Vor der Anwender-CD, die wie ein Geschoss aus World-Of-Warcraft in Kopfhöhe auf mich zuflog, konnte ich mit gerade noch auf den Bauch werfen (ist etwas übertrieben). Aber tatsächlich funktionieren meine unmittelbare Reaktion noch am besten.

Was stellt sich heraus, als mein Sohn dann wochentags in den Service-Chat einstieg? Der Provider, der die Zugangsdaten per Brief mit der Schneckenpost verschickt, hatte das schlichtweg vergessen. Das war denen so peinlich, dass wir die Daten unmittelbar per Telefon aus dem Festnetz bekamen.

Was lerne ich daraus? So gut also meine Reflexe auf Unerwartetes noch funktionieren, so schlecht sind die Alltags-Verrichtungen. Ganz offenbar funktioniert meine rechte Gehirnhälfte, die ja bekanntlich die Linke steuert, besser. Was beim Tippen der Blogs zunehmend zu Buchstaben-Verdrehern führt. Korrekturlesen kann der Mann, dem früher nachgesagt wurde, er würde selbst eine Bahnsteigkarte zu spannender Lektüre redigieren, auch nicht mehr gescheit. Also verzeiht, wenn sich die Fehler in meinen Posts häufen...

Aber was will man von so einem Schussel schon noch groß erwarten? Gestern ging ich ganz beschwingt zum Auto, um mal wieder zur Blutabnahme zu fahren. Ich schaute neugierig an mir herunter, was mir denn diese Leichtigkeit verschaffte. Da entdeckte ich, dass ich meine Hausschuhe noch anhatte...

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