Samstag, 12. März 2016

Stille Helfer

Dass der Mensch ein merkwürdiges Wesen ist, muss in dieser schrecklichen Zeit nicht eigens erörtert werden. Der Kampf Gut gegen Böse hat ja auch diese merkwürdigen Perspektiven, sonst wären nicht nahezu alle Weltreligionen aus Gründen in ihn verstrickt, die kaum noch nach zu vollziehen sind. Gutes zu tun, barmherzig zu sein und sich um die Armen zu sorgen ist in den Schriften ein Leit-Gebot. Selbst die Weltreligion Nummer eins, der Neo-Kapitalismus gibt gerne und groß, wenn die Geber Gates oder Zuckerberg heißen.

Die Hütchen-Spieler in der Etage darunter, denken aber nicht an Bescheidenheit, sie lassen die Börsen rauf und runter hüpfen, und der EZB-Chef Draghi unterstützt das mit seiner Null- oder Strafzins-Politik. Wer parkt schon das Geld, das nichts kostet, wenn es nichts bringt? Und schon geht sie wieder los die Daddelei. Der Kleinsparer, wenn er denn überhaupt sparen kann, konsumiert oder lässt sich überteuerte Immobilien mit Lock-Zins andrehen, die er nicht mehr zahlen kann, wenn die Zinsen steigen und die "Immoblase" wieder platzt. Kommt uns das bekannt vor? Klar, ist ja nur acht Jahre her, als sich die westlichen Staaten im Vorgriff auf Steuer-Einnahmen geradezu absurd verschuldeten, um die Zocker aus ihrem Dilemma zu befreien.

Aber etwas hat sich doch verändert: Von unseren Flaggschiffen der Wirtschaft wird seither im gleichen Stil gelogen und betrogen, wie es seinerzeit die US-Zocker taten. Den Bogen haben sie dabei allerdings überspannt, weil jetzt die amerikanische Gerichtsbarkeit ein Instrument hat, die konkurrierenden Sünder aus Europa härter zu bestrafen als die eigenen. Wird das zur stillen Rache an dem wackelnden Wirtschafts-Giganten Europa?

Eines haben all diese mutwillig erzeugten Krisen gemeinsam. Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer weiter.

Die in der Dauer-Krise zu kurz Gekommenen werden in ihrer Hilflosigkeit immer wütender. In ihrer Wut entwickeln sie ein Gehör für Parolen oder Einflüsterungen. Wer nichts zu verlieren hat, geht auf die Straße. Auch das war schon immer so: Ob vor der Wiedervereinigung oder jetzt in den Reihen von PEGIDA oder AFD. Wer selbst zu kurz gekommen ist, entwickelt nur schwer humanitäre Gefühle. Was wiederum auch für zu kurz gekommene Staaten gilt.

Es kommt darauf an, nur laut genug zu schreien und zu drohen, um in der heutigen Medien-Landschaft Aufmerksamkeit zu erhalten. Aber das erzeugt ein erneutes Un-Gleichgewicht.

Den Schreihälsen stehen nämlich Leute in mindestens gleicher Zahl entgegen,  die im Stillen helfen. Nur können sie sich bei ihrer humanitären Arbeit nicht zusammen rotten, weil das die Arbeit am Individuum nicht zulässt.

Zwei Beispiele: Als ich vom Bäcker zurück komme und wie immer ewig lang auf das Grün der Fußgänger-Ampel warte, stehen zwei Afrikaner neben mir. Die junge Frau ist offensichtlich aus Somalia, der junge Mann vermutlich aus Westafrika. Beide unterhalten sich auf ziemlich gutem Deutsch.

"Was hast du heute?" Fragt der Mann
"Ich hole jetzt meine Schützlinge ab, um mit ihnen zum KVR zu gehen. Und du?"
"Ich habe einen Termin bei den Streetworkern drüben. Türkische Jugendliche haben meine Asylanten bedroht."
"Na dann schönen Tag!"

Ein Tag darauf, sitze ich beim Augenarzt, als eine kaum Zwanzigjährige mit einem dunkelhäutigen Teenager ins Wartezimmer kommt. Sie unterhalten sich leise mit Händen und Füßen. Es geht darum, was der junge Mann für Pläne hat. Gut Deutsch lernen und möglichst eine deutsche Frau heiraten. Die junge Helferin versucht ihm die amtlichen Hürden einer solchen Heirat zu erklären und auch die kompromisslose Verfolgung von Schein-Ehen.

Als ich von der Untersuchung zurück komme und mich anziehe. Sagt der junge Mann leise - offenbar wegen meiner Schiebermütze:
"Guck mal! Super-Mario!"
"Super-Mario ist doch klein und dick und hat einen Schnurrbart!"
"Is großes, dickes Super-Mario!"

Mein Gott! Ist das lange her, dass ich meinen Kindern den "Nintendo" nur ungern zurück gab, wenn ich mit dem hüpfenden Winzling in einen Spielrausch geraten war.

Hoffentlich kann der junge Mann in unserem Land seinen Humor behalten. Und möge allen stillen Helfern ihr Tun vom späteren Leben mit Aufmerksamkeit vergolten werden...

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