Sonntag, 5. Januar 2014

Im Labyrinth des Schubladen-Denkens

Den Begriff "zwischen den Jahren" mag ich nicht besonders. Er vermittelt einem ein Gefühl, als säße man zwischen allen Stühlen, stecke irgendwie fest im Leben. Aber wenn ich es dann ehrlich bedenke, trifft das auf meinen derzeitigen Gemütszustand absolut zu.

Wann immer ich aus Wut oder Hilflosigkeit zu  radikal in meinem Denken werde, ziehe ich mich zurück und denke so lange über die Ursachen nach, bis ich wieder moderat bin. Das gilt besonders für das Verfassen von belanglosen Posts für meine nichtsnutzigen Blogs.

Zwischen den Jahren gab es nun extrem viel, das mich eigentlich zum Zurückziehen bewogen hätte, aber man hat ja durch Familie, Freunde und Feste kaum eine Möglichkeit dazu. Wenn ich an mir selbst schon das Altern durch das verstärkte Hervortreten meiner schlechtesten Eigenschaften erdulden muss, dann fällt mir das bei meinen Mitmenschen natürlich auch zunehmend unangenehm auf. Vor lauter auf die Zunge Beißen konnte ich bei manchen Anlässen nur noch lallen - selbst wenn ich nicht zu viel Alkohol getrunken hatte.

Da die Sichtweise auf sich selbst doch immer ein wenig zur Nabelschau geraten könnte, gestehe ich jedem bei der Selbstbetrachtung auch eine gewisse Toleranz-Grenze zu. Dennoch nehme ich in meinem unmittelbaren Umfeld eine zunehmende Radikalisierung des politischen Denkens wahr.

Dass sich diese aber auch an meinem Schreiben festmacht, erschütterte mich derart, dass ich mir schon überlegt habe, meine Blogs zu schließen und nur noch für mich zu schreiben. Ich finde mich auf einmal in Schubladen wieder, von denen die des Salon-Sozis noch die lustigste ist. Aber wenn sich dann von unterschiedlichsten Leuten der Vorwurf wiederholt:  Deine Partei macht dies und das und ist da und dort schuld an etwas...  Dann werde ich tatsächlich wütend.

Der einzigen entfernt politisch zu nennenden Gruppierung habe ich als Lehrling im Verlagsbuchhandel angehört. Die Gewerkschaft HBV habe ich aber wegen ihrer intellektuellen Verklausulierung schon vor der Aushändigung meines Gesellenbriefes verlassen.

Als Sport-Journalist habe ich noch einer Generation angehört, bei der es verpönt war, Beifall zu klatschen oder gar Lokal-Patriotismus zu zeigen. Selbst beim WM-Finale 1974 rührte sich auf den Presse-Rängen noch  keine Hand, obwohl mein Nachbar - ein Sportchef aus Wiesbaden - kaum mehr an sich halten konnte. Mitfiebern mit eigenen Sportlern durfte nicht gezeigt werden. Was haben wir uns da noch über die Kommentatoren des ORF wie Edi Finger oder Dr. Kurt Jeschko lustig gemacht... Heute ist besonders der Sport-Kommentar einem Patriotismus unterworfen, der mit neutraler Berichterstattung nichts mehr zu tun hat.

Die über 30 Volontäre, die von mir im Sinne so einer neutral erörternden Berichterstattung ausgebildet wurden, haben allesamt bei unterschiedlichsten Medien und Funktionen Karriere gemacht, ohne dass man sie bis heute in irgendwelche Schubladen stecken könnte. Sie entsprachen dem Credo, dass ich ihnen mitgegeben habe.

Das hieß ja nicht, dass sie ihre eigene Meinung nach sorgfältiger Erörterung nicht in ihre publizistischen Arbeit hätten einbringen dürfen. Sie mussten sie nur als die ihre kenntlich machen. Alles andere wird zur Manipulation.

Wie sehr die in den Öffentlich-rechtlichen schon fortschreitet, war anlässlich der von Seehofer bewusst inszenierten Arbeitsmarkt-Ausländerhetze über rumänische Sozial-Schmarotzer zu bemerken, wenn man nur eine Sendergruppe geschaut hätte. Der sofortige, massiven Einspruch der Kanzlerin wurde zwischen den Jahren von einigen Medien erst einmal unterschlagen, so dass zunächst der Eindruck entstand, allein Außenminister Steinmeier mache in der Groko schon wieder Stunk.

Ist es vielleicht so, dass die Leute  in der unübersehbaren Medienvielfalt heute derart in einem Meinungslabyrinth gefangen sind, dass sie glauben, diesem nur durch einseitige Betrachtungsweise entrinnen zu können? Oder sind sie einfach nur zu bequem, ihre einmal vorgefassten Eindrücke auf den Prüfstand zu stellen?

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