Montag, 27. Januar 2014

Hospital der Herzen 2

Patienten-(Leer)-Gut


Die emotionale Einsamkeit, die einen Patienten postoperativ ereilt, kann auch durch das permanente Herumgewusel von Ärzten, Schwestern und Pflegern auf einer Intensiv-Station nur schwer gemildert werden.
Du hängst an Schläuchen, bist verkabelt, und in kurzen Abständen brummen irgendwelche Überwachungsmaschinen. Wehe, wenn du dich auch nur ein wenig zur Seite bewegst, dann beginnt sofort eine alarmierendes Gebimmel. Keine ideale Gelegenheit, sich mit dem Ausdenken von potenziellen Blog-Themen abzulenken. Selbst wenn das Hirn entsprechend mitspielte.

Lag es an den Sauerstoff-Schläuchen und der generellen Entmündigung? Irgendwo in den grauen Zellen hatte sich bei mir der Begriff Patienten-Gut fest gehakt, den die Gesundheits-Statistiker so gerne als leblosen Faktor verwenden, wenn ihnen am Ende die Bilanzen  ihrer Kliniken nicht aufgehen. Halb beduselt sah ich das Patienten-Gut kreisen wie in einer Abfüllanlage für Getränke-Flaschen. Aus diesem Kreislauf müsse dann ja - bei soviel automatischer Mechanik - auch irgendwann Patienten-Leergut zurück kommen, phantasierte ich hilflos auf dem Rücken liegend wie ein Maikäfer:

Bei dem Stress unter dem alle stehen, und bei dem Druck, der auf den Verantwortlichen durch die vielen Maschinen lastet, kann aber eine menschliche Betrachtung des Patienten-Gutes vielleicht auch nur irritierend wirken. Aus betroffenem Mund von noch aktiven Chefärzten und Professoren im Freundeskreis, weiß ich, dass personelle Unterbesetzung und Aufhalsen von Papier-Kram, der früher von Sekretariaten übernommen wurde, kaum noch individuelle Beobachtungen zulassen.

Bezeichnender Weise erschien an meinem zweiten Tag meiner Intensiv-Betreuung auf der Wissen-Seite der SZ  eine Erörterung darüber, was die von Computer gestützte Medizin heut alles leisten könne und wieso dennoch dann davon möglicher Weise weniger beim Patienten ankomme als früher. Vor allem wenn das Patienten-Gut sich diesem Begriff entsprechend passiv verhält, also sich automatisch anpasst.

Das Wort Patient birgt ja den Wortstamm  Geduld, und die ist nicht meine starke Seite. Also ärgere ich mich, wenn - nur weil auf meinem Durchlaufzettel "privat" steht - ich eher nach meinen Wünschen für ein Einzelzimmer mit Chefarzt-Betreuung gefragt werde, als Informationen darüber zu erhalten, was mit meinem Herz nun wirklich geschehen ist, das noch bei einem EKG ein paar Woche zuvor, kein auffälliges Verhalten gezeigt hatte. Dass eine Ultraschall-Spezialistin überrascht jubelt, wie gut mein offenbar schadlos davon gekommener Herzmuskel trotz Infarkt pumpt, sie aber Minuten später vom Stationsarzt konterkariert wird, weil ja gerade dieser Muskel viel zu dickwandig sei. Dass mir ein Suggestiv-Fragebogen zur Zustimmung per Unterschrift quasi alternativlos nur die Fortbehandlung mit einem Medikament empfiehlt, über dessen Anwendung aber eben so uneinheitliche Glaubensbekenntnisse vorliegen wie im Streit zwischen Katholizismus und Protestantismus...

Zum Glück - denke ich - wartet ja dann bei der Verlegung auf die normale kardiologische Station der Chefarzt auf mich, kaum dass man mein Bett dort hin gerollt hat. Ein kurzes Kennenlernen, denn detailliert konnte er die Akte ja noch nicht einsehen. Alles weitere daher später. Aber ein Später mit ihm gab es nicht. Am nächsten Tag lässt dessen Sekretariat anfragen, ob ich auch einverstanden sei, wenn mich der Oberarzt weiter betreue. Der Chef sei diese Woche leider nicht mehr da.

Als ich zwei Tage später mit der "Zweitbesten" die Klinik um die Mittagszeit verlasse, begegnet mir nahe der Cafeteria der Chef verkrampft konzentriert den Kopf abwendend in ein Kollegen-Gespräch vertieft...

Also wirklich all ihr lieben Helfer und Helfershelfer! Das geht nicht gegen euch. Ihr habt einen Super-Job gemacht und mir vermutlich das Leben für ein paar Jährchen verlängert. Es liegt auch nicht an euch, sondern an diesem detaillierten System für Verwaltung, das bei tatsächlicher und rückhaltloser Gleichbehandlung  fortfallen würde. Ob dadurch das riesen Defizit der "Städtischen" in den Griff zu bekommen wäre, ist allerdings fraglich

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