Samstag, 21. Dezember 2013

Altersunmut

Was immer das ist und wo immer sie bleibt - die Aura, die wir Seele nennen. Mit zunehmendem Alter scheint es vielen immer bewusster, dass dieses ätherische Überbleibsel von uns nicht zum Transport von weltlichem Gut taugt. Und das führt zu einer gewissen Verbiesterung.

Jetzt sitzen wir beinahe täglich mit langjährigen und damit auch alten Freunden zusammen. Aber statt wir uns einem adventigen Gefühl hingeben, schlagen die Gespräche immer häufiger in dramatischen Diskussionen um. Nun muss vorangestellt werden, dass unsere Bekannten beinahe ausschließlich aus sozialen Schichten entstammen, in denen mit Zufriedenheit auf eine Lebensleistung zurück geblickt  oder auf altes Vermögen gebaut werden kann. Keiner hat jemals richtige Armut verspürt oder war gar einer vermutlich entwürdigenden Hartz IV-Situation ausgesetzt. Mit migrantem Hintergrund hat man dem zufolge intensiver höchstens beim Dienst-Personal zu tun.

Und dennoch landet die Diskussion zielgenau nach der allgemeinen Feststellung, dass es uns wohl so gut geht wie keiner Nation in Europa, bei Asylanten, Migranten und Hartz IV-Schmarotzern, die unseren mühsam erreichten Wohlstand ausbeuten und vernichten wollen...

Die Fall-Beispiele sind verwirrend, weil es zuerst um Politik und dann um Religon geht, ehe schwerere Geschütze gegen Banker und Versicherungsmanager aufgefahren werden:

Wieso seien Grüne und SPD stolz darauf, Minister oder Vorsitzende mit Migrationshintergrund in ihren Reihen zu haben? Gäbe es denn  in der Türkei zum Beispiel einen deutschstämmigen Spitzenpolitiker? Und überhaupt die Moscheen. Für jede hier errichtete Moschee, sollte in den muslimischen Ländern eine christliche Kirche errichtet werden (dieser haarsträubende Vorschlag stammt leider von der Zweitbesten).
Es ist müssig darauf hinzuweisen, dass wir  halt - ob wir das wollen oder nicht - ein Einwanderungsland geworden sind, und dass nur vergleichsweise wenige Konvertiten den Wunsch verspüren, derzeit in ein islamisches Land auszuwandern. Wenn ich dann mit einem Hinweis auf alle die Özils, Boatengs und Khediras in der Fußball-Nationalmannschaft die selektive Wahrnehmungsfähigkeit meiner fußballbegeisterten Freunde anführe, ist die Stimmung gänzlich am Überkochen. Die würden ja dem Staat nicht zur Last fallen und seien auch stolz Deutsche zu sein...

Wir seien - was die Zuwanderung anbelangt - viel zu gutmütig, müssten Hintergründe viel stärker ergründen. Ich frage mich, wie das bei Tausenden von Syrern und Irakern gehen soll, die wir gerade aus humanitären Zwängen aufnehmen müssten. Der Kitt, mit dem ja das Fundament unseres Sozialstaates zusammen gehalten werden muss, die sozial ausgeübten Berufe wie Polizisten, Alten- und Krankenpfleger, Zusteller sowie Sozial-Arbeiter, sind ja jetzt schon auf lange Perspektive vom Wohlstand ausgeschlossen.

Wer das Problem mit den Asylanten zurück schrauben will, muss am paneuropäischen Wohlstandsgefüge rütteln, das durch ständige Neuaufnahme von Beitritts-Aspiranten ja sowieso schon bedenklich belastet wird.
Dass es in dieser Problematik - der wir Deutsche uns ja allein aus historischen Gründen nicht entziehen können - zweierlei Sichtweisen gibt, verdeutlicht ein Gleichnis, das gestern in launiger Runde vorgetragen wurde. Es würde mich auch zur Verzweiflung treiben, wäre ich betroffen:

Am Rande eines hiesigen Speckgürtel-Vorortes hat ein Haus- und Grundbesitzer nicht die erhoffte Bau-Genehmigung zum Abreißen alter Bausubstanz und dem Hochziehen vieler neuer Luxusappartements bekommen. Kurzerhand hat er die Gebäude Asylanten zu Verfügung gestellt. Allein schon die Nähe zur unmittelbar angrenzenden Anlage mit hochpreisigen Eigentumswohnungen konfrontieren die dortigen Eigentümer mit einem im Vergleich zur weiterhin anstehenden Finanzierung kaum zu verkraftenden Wertminderung. Aber man fängt eben doch keinen Krieg an, sondern setzt sich zivilisiert zusammen und findet zumindest zur Verbesserung der Privatsphären eine Lösung. Im Asylanten-Heim werden Milchglasfenster eingesetzt, damit sich die direkten Anwohner nicht so unter Beobachtung fühlen müssen. Drei Kilometer weiter regt sich indes unter den nicht unmittelbar betroffenen "Gutmenschen" Empörung - wegen dieses Musterbeispiels an Diskriminierung.

Adventus Domini - die Ankunft des Herrn kann nicht darüber hinweg täuschen, dass der Frömmste nicht in Frieden leben kann, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt..

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