Mittwoch, 30. November 2011

Was für ein Wesen?(!)

"Am Deutschen Wesen soll die Welt genesen", dichtete der Romatiker Emanuel Geibel. Auch Lenin glaubte das Wesen der Deutschen entsprechend einzuschätzen, indem er ihnen unterstellte, ihre Revolution scheitere ja schon an der Tatsache, dass sie erst eine Bahnsteigkarte lösen würden, ehe sie den Bahnhof stürmten...
Und dann gingen doch innerhalb eines halben Jahrhunderts zwei Weltbrände und ein gigantischer Völkermord auf das Konto dieses "Volkes der Dichter und Denker". Aber wieder ein halbes Jarhundert später waren diese Deutschen nicht nur in der Lage die Spuren dieser Kriege zu tilgen, friedlich Revolution ausgerechnet gegen die Erben von Lenin, Marx und Engels zu machen und eine Wiedervereinigung zu stemmen, die sie am Ende der Finanzkrise als Musterknaben des vereinten Europas in einer politischen Führungsrolle sieht.
Es könnte einem Angst und Bange werden vor diesem Wesen, wäre man nicht ein Teil desselben.Wer wie ich genauso alt ist wie die Bundesrepublik, hat einiges mitgemacht - nur dankenswerter Weise eben keinen Krieg vor der Haustür. Deshalb darf sich aber gerade unsere Generation auch  nicht in den Schmollwinkel zurück ziehen. Selbst wenn die letzten Tage nicht dazu geeignete waren, die Politikverdrossenen hinterm Ofen hervorzulocken.

Aber wer braucht denn schon in diesem trockenwarmen November einen Ofen? Womit wir gleich beim ersten Thema dem Klimawandel, wären:
Das Deutsche Wesen hat das "grüne Gedankengut" in Parteiformat ermöglicht. Anfangs von den etablierten Parteien belächelt, heute als koalierender Machtfaktor gefürchtet. Weil wir es zugelassen haben mit unserer Bahnsteigkarten-Löse-Menthalität, stehen  wir aktuell beim Klimagipfel in Durban wieder mal als Musterknaben da. Nur bei der Begrenzung des CO2-Ausstoßes folgt uns leider keiner. Ganz im Gegenteil! Die USA, China und Indien überbieten unsere Werte mit immer noch wachsenden, eigenen um mehr als das 20fache.

Obwohl Japan in diesem Jahr wieder am nuklearen Abgrund stand und vielleicht immer noch steht (Fukushima ist ja aus den Schlagzeilen verschwunden, weil  das Wachstum der Weltwirtschaft wieder einmal wichtiger ist als das Überleben künftiger Generationen) bleibt Deutschland das einzige Land, das den Atomausstieg umgehend und kaum zurückzunehmen vor allen verkündete. Andererseits rollten gerade die Castoren so bekämpft und sicherheitspolitisch teuer wie nie durch Wendland.

Am gleichen Wochenende scheiterten das Quorum zum Baustop von "Stuttgart 21", und sollte der unterirdische Bahnhof der BahnAG zu teuer werden, sind die Zahlmeister auch schon wieder ausgemacht: Wir, die strapazierfähigen Steuerzahler einschließlich der Gegner. Wir haben ja auch den zeitlich begrenzten "Soli" immer noch zu berappen, und falls wir "geriestert" haben, wissen wir seit neuestem auch, dass dieser Unsinn erst dann zur Wirkung kommt, wenn wir alle über hundert werden. Aber dann sind wir nahezu auch alle Pflegefälle und bekommen gar nicht mehr mit, dass unserer Vorsorge nicht reicht, weil wir wegen ihrer Unbezahlbarkeit längst in Gorleben zwischegelagert sind oder schon in der Asse radioaktiv schmoren...

Wer jammert, ist selbst schuld, denn all das ist das Privileg der gelebten Demokratie. Zu der gehört, dass Protest und Dagegensein auch mal auf hohem Niveau scheitern. Wer redet heute noch von den Protesten gegen diverse Startbahnen, gegen den Rhein-Main-Donau-Kanal oder den Großflughafen München Erding, der mit seinem Namen immer noch an einen der schillerndsten Demokraten der Nachkriegszeit erinnert.

Demokratie heißt auch, dass Volkeszorn politische Resultate vergisst, sobald sie aus den Schlagzeilen verschwinden oder nicht mehr hinterfragt werden. Deshalb kann ja auch seine freiherrliche Plagiatlichkeit wieder große Töne spucken.  Auch hier heilt eben die Zeit, weil das Deutsche Wesen  einfach immer schneller wirkt. Deshalb kommt im bayerischen Bericht zur inneren Sicherheit ja auch keine Bedrohung durch Neonazis vor. Keiner "wehret den Anfängen", niemand hört auf den guten alten Ovid, und deshalb wiederholt sich Geschichte ja auch geradezu plagiativ, wie der Blick nach Osten zeigt:

Lenins Russen? Vor gut hundert Jahren haben sie schonungslos - auch gegenüber den wahrhaft Unterdrückten - Revolution gegen den Zaren gemacht, nur um jetzt ein Zaren-Duo auf vermutlich Lebensdauer in ihrer Scheindemokratie zu verankern. Putin ist von seiner Partei gerade mit 100 Prozent der Delegierten-Stimmen zum Kandidaten für eine ziemlich unsausweichliche neue Präsidentschaft gekürt worden.

Da sind wir doch echt noch gut dran!

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